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138. Kammergespräch

Investitionsprogramm in der Region Nürnberg

Bahn-Chef Dr. Rüdiger Grube bei seinem Vortrag

Für mehr Wettbewerb auf dem europäischen Bahn-Markt plädierte Dr. Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, im Historischen Rathaussaal.

"Nürnberg ist für die Deutsche Bahn ein besonderer Standort“, erklärte Grube vor 250 Gästen. Hier sei nicht nur der Geburtsort der Eisenbahn, sondern auch ein wichtiger Knotenpunkt im europäischen Schienenverkehr. Mit einer Investitionssumme von einer Mrd. Euro bis zum Jahr 2012 engagiere sich das Unternehmen „überdurchschnittlich stark“ im Großraum. Dazu gehört neben der DB-Regionalwerkstatt und der DB-Lokwerkstatt auch der Ausbau der S-Bahn, deren Netz sich nun auf 224 Kilometer verdreifacht. IHK-Präsident Dirk von Vopelius unterstrich beim „Kammergespräch“ die historische Verbundenheit Nürnbergs mit der Bahn und die gute Zusammenarbeit bei wichtigen Schienenverkehrsprojekten in der Region.

Das ehemalige Staatsunternehmen ist laut Grube als europaweit einziger Bahnbetrieb ohne Verluste durch das Krisenjahr 2009 gekommen. Und das, obwohl im vergangenen Jahr der Umsatz mit Gütertransport um 17 Prozent absackte. Im Schienenfrachtverkehr ist das einstige Staatsunternehmen mit 365 Mio. Tonnen pro Jahr bereits die Nummer 1 in Europa. Als Ziel peilt Grube die Marke von 418 Mio. Tonnen an. Insbesondere in der Luft- und Seefracht sowie in der Kontraktlogistik soll die Bahn weiter wachsen.

„Wir befördern pro Tag 7,3 Mio. Fahrgäste, ungefähr so viel fliegt die Lufthansa in einem Jahr, nämlich neun Mio.“. Der Personenverkehr beschert der Bahn kontinuierliche Zuwächse, zuletzt waren es etwa zwei Prozent. Mit der jüngsten Übernahme des britischen Unternehmens Arriva habe man nun auf einen Schlag eine „EU-weite Plattform für weiteres Wachstum“. Für das Gesamtjahr 2010 prognostizierte der Bahnmanager ein Umsatzplus von 14 Prozent und einen Ergebniszuwachs von 20 bis 25 Prozent.

Grube forderte beim Kammergespräch mehr Wettbewerb in Europa. Denn während die DB allein in Deutschland mit 323 Wettbewerbern auf der Schiene konkurriert, gibt es in anderen Ländern noch reine Staatsunternehmen. Diese in ihren Ländern vom Wettbewerb abgeschotteten Anbieter versuchen aber, der DB in Deutschland Marktanteile bei Fracht und Personenverkehr abzujagen. Deshalb müsse die EU bei der Liberalisierung der Märkte konsequent weiter voranzugehen. Während in Deutschland im Jahr 1994 nach Bahnreform und Teilprivatisierung die staatlichen Zuschüsse bis heute um 38 Prozent gekürzt worden seien, hätten Frankreich und Großbritannien die Staatsbeihilfe kräftig aufgestockt, erklärte Grube. Dass Mobilität in Europa heute nicht an einer Staatsgrenze endet, zeigt die erste Testfahrt eines ICE von Frankfurt durch den Eurotunnel unter dem Ärmelkanal hindurch nach London. Dieses Ereignis wertete Grube als Etappenerfolg.

Neben seinem Plädoyer für mehr Wettbewerb kämpft der ehemalige Automobil- und Luftfahrtmanager aber auch mit den Altlasten der Behörde und gegen „Webfehler im Eisenbahngesetz“. Denn dieses lege fest, dass die Bahn als Betreiber auch für die Herstellung und Zertifizierung der Züge selbst zuständig ist. Konkret: Für die Fehler der großen Herstellerkonzerne muss die Bahn in die Bresche springen. Die fehlerhaften ICE-Achsen und -Räder, die vor zwei Jahren zu einem glimpflich verlaufenen Unfall vor dem Kölner Bahnhof geführt hatten, sind immer noch nicht ausgetauscht. Beim ICE-T funktioniert die Neigetechnik nicht, die höhere Geschwindigkeiten ermöglichen soll. Und für die neuen S-Bahnen für das Nürnberger Streckennetz hat der Zulieferer noch keine Freigabe für die Betriebssoftware bekommen. „Wir bekommen grüne Bananen, die erst auf der Schiene reifen“, fasste Grube die Zusammenarbeit mit den Herstellern zusammen. Mittlerweile hat er aber die Vertragswerke angepasst, um die Hersteller in die Verantwortung zu nehmen.

Investition in neue Fahrzeuge

Im nächsten Frühjahr will Grube mit „Siemens als bevorzugtem Partner“ Verträge über 5,5 Mrd. Euro für 300 ICX-Züge, dem Nachfolgemodell des ICE, unter Dach und Fach bringen. Das ist mehr als die Hälfte des zehn Mrd. schweren Investitionspakets für die neue Zugflotte in den nächsten Jahren. Darüber hinaus soll mit weiteren 30 Mrd. Euro die Infrastruktur modernisiert werden.

Gleichzeitig will Grube das „Brot- und Buttergeschäft“ in Deutschland verbessern. „Mehr Sicherheit, Service, Sauberkeit und Qualität“ stehen ganz oben auf seiner Liste, ebenso ein digitales Reiseinformationssystem. Es sei ein Unding, dass der Zugbegleiter immer noch in seinem dicken Wälzer blättern müsse, um Auskunft erteilen zu können.

Einen Ausblick auf das kommende Jahr wollte Grube nicht wagen. „Die Märkte sind volatil“, sagte er mit Hinweis auf die finanzielle Schieflage einiger EU-Staaten. Eine seiner Lektionen aus der Krise ist eine stärkere Bankenunabhängigkeit der Bahn: „Wir bezahlen unsere Ausgaben aus den Einnahmen und kommen ohne Banken aus.“ Sorgen mache er sich aber trotzdem: „Die Banken sind doppelt so groß wie vor der Krise, aber auch doppelt so gefährlich.“

Autor/in: 

Thomas Tjiang

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2010, Seite 22

 
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