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Materialeffizienz

Woher kommt der Nachschub?

Die Nachfrage nach Rohstoffen wächst weltweit, die Preise steigen. Bei einer Reihe von Materialien droht die Abhängigkeit von wenigen Förderländern. Wie kann man gegensteuern?

Die Nachfrage nach Rohstoffen wächst weltweit, die Preise steigen. Bei einer Reihe von Materialien droht die Abhängigkeit von wenigen Förderländern. Wie kann man gegensteuern?

Sie klingen wie Namen aus einem Science Fiction, sind aber von der Industrie heiß begehrt: Scandium, Yttrium, Cerium, Tantal, Niob, Lanthan, Neodym, Europium oder Terbium. Um diese sogenannten seltenen Erden hat ein Wettlauf der Volkswirtschaften eingesetzt, denn sie sind unverzichtbar für viele Hochtechnologieprodukte wie Computer, Handys, Bildschirme, Medizintechnik, Elektromotoren, Solarenergie, Katalysatoren in der Chemieindustrie und viele mehr. Das Problem dabei: Durch die schnell wachsenden Schwellenländer wie China und Indien hat sich die Nachfrage nach Rohstoffen – nicht nur nach seltenen Erden – stark erhöht und zu erheblichen Preissteigerungen und teilweise auch zu Rohstoffknappheit geführt.

Auf dem Symposium „Rohstoffeffizienz und Rohstoffinnovationen 2011“ in der IHK diskutierten rund 100 Experten aus ganz Deutschland, wie sich die Industrie die dringend benötigten Rohstoffe sichern kann. Veranstalter waren die Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg, das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) mit Sitz in Pfinztal bei Karlsruhe und die IHK Nürnberg für Mittelfranken.

Rohstoffe aus Deutschland reichen nicht aus

Erstaunlicherweise kommen 80 Prozent der Rohstoffe, die in der deutschen Industrie gebraucht werden, aus dem Inland, wenn man die Tonnage als Kenngröße heranzieht (z.B. Quarze, Kiese, Sande, Ton, Braunkohle usw.). Demgegenüber fallen die seltenen Erden im wahrsten Sinne des Wortes kaum ins Gewicht. Das Problem ist jedoch: Die Nachfrage nach diesen Materialien nimmt rasant zu und die Förderung hält damit nicht Schritt. Das führt zu starken Preissteigerungen – die noch verstärkt werden, weil die Industrie von wenigen Förderländern abhängig ist. Der wichtigste Lieferant ist die Volksrepublik China, die seltene Erden vor Kurzem gegenüber Japan auch schon einmal als politische Waffe eingesetzt hat.

Ein Beispiel für die steigende Nachfrage nach Materialien: Weltweit wird die Elektromobilität vorangetrieben, unverzichtbar für die Batterien in Elektrofahrzeugen sind Lithium und Lithium-Verbindungen. Geforscht wird an Verfahren, um lithiumhaltige Gesteine intelligent zu nutzen, aber auch an Verwertungskonzepten, um Lithium aus gebrauchten Batterien wiederzuverwenden.

Kein Material verschwenden

Nachhaltigkeit und Wiederverwertung sind eine wichtige Rohstoffquelle, so die einhellige Meinung der Experten auf dem zweitägigen Symposium. Nicht mehr genutzte Handys in den Abfall zu werfen, ist reine Verschwendung, denn die Geräte enthalten eine ganze Reihe von wertvollen Materialien, die wieder verwendet werden könnten. „Insbesondere Sekundärrohstoffe, also Recyclingmaterialien oder Reststoffe aus der Produktion, werden in Zukunft einen wesentlichen Beitrag zur Rohstoffversorgung in Deutschland leisten“, sagte deshalb Tagungsleiter Prof. Dr.-Ing. Ulrich Teipel von der Georg-Simon-Ohm Hochschule Nürnberg (Fakultät Verfahrenstechnik) und vom Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT).

Diesen Aspekt griff auch Bayerns Umweltminister Dr. Markus Söder auf, der die Bedeutung der Rohstoffthematik für Umweltschutz und Nachhaltigkeit herausstrich. IHK-Präsident Dirk von Vopelius sagte auf dem Kongress, die Rohstoffklemme und die hohe Rohstoffpreise könnten den Aufschwung durchaus gefährden, insbesondere für die produzierenden Unternehmen.

Die Bundesregierung verfolgt in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel, die Energie- und Rohstoffproduktivität der deutschen Wirtschaft bis 2020 gegenüber 1994 zu verdoppeln. Um dies zu erreichen, wird – neben der Wiederverwendung von gebrauchten Materialien – ein breites Spektrum von Strategien untersucht: Die Optimierung von Herstellungsprozessen und die Verlängerung der Nutzungsdauer von Produkten sind solche Strategien, aber auch der Ersatz von sich schnell verknappenden Ressourcen durch nachwachsende Rohstoffe bzw. durch Rohstoffe höherer Reichweite. Geforscht wird auch an Verfahren, um die Materialeffizienz durch neue Werkstoffe und Leichtbautechniken zu steigern.

Preise steigen weiter

„Die Rohstoffpreise kennen im Moment nur eine Richtung: nach oben. Davon sind insbesondere auch die High-Tech-Branchen unserer Metropolregion Nürnberg betroffen“, beschreibt Dr. Robert Schmidt, der Leiter des IHK-Geschäftsbereichs Innovation | Umwelt, die derzeitige Situation. Das schlägt bei den Industriebetrieben, bei denen rund 45 Prozent der Kosten Materialkosten sind, zu Buche. Daher lohnt es sich in hohem Maße, die Rohstoffeffizienz im Unternehmen – auch in Zusammenarbeit mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen – zu verbessern.

Wie dies konkret gehen kann, zeigten die Beiträge des zweitägigen Symposiums. Ein Ausschnitt aus den insgesamt 33 Beiträgen: Effiziente Nutzung von Primär- und Sekundärrohstoffen sowie von Wert- und Werkstoffen, Bedeutung der Materialeffizienz für den Klimaschutz, Innovationen bei metallischen und keramischen Rohstoffen sowie bei Industriemineralien und Baustoffen, Klärschlamm und Kohlendioxid als Rohstoffe, neue Aufbereitungstechnologien sowie Fragen des Umweltschutzes.

Gegenmaßnahmen

Die Rohstoff-Fachleute zeigten bei ihren Vorträgen auf, dass die Rohstoffknappheit für Deutschland kein unabwendbares Schicksal ist. Denn die sogenannten seltenen Erden sind gar nicht so selten, wie man vermuten könnte, und sie kommen bei weitem nicht nur in China vor, sondern in sehr vielen Ländern der Welt. Aber die Chinesen holen aus ihren Erzlagerstätten als „Abfallprodukt“ auch seltene Erden heraus, sie tun dies mit billigen Arbeitskräften und oft mit verheerenden Auswirkungen auf Menschen und Umwelt. Mit steigender Nachfrage und steigenden Preisen wird nun aber auch in anderen Ländern – beispielsweise in Australien – die Förderung rentabel, sodass in einigen Jahren aller Voraussicht nach eine Reihe weiterer Förderländer auf dem Weltmarkt mitspielen wird.

Entlastend wird sich auch auswirken, dass die Aufbereitungstechnologien verfeinert werden und dass sich die seltenen Materialien damit immer besser aus der Erde holen lassen. Sogar Abraumhalden könnten in naher Zukunft zu Goldgruben werden: Denn darin stecken viele Materialien, die man mit bisherigen Technologien noch nicht herausholen konnte. Auf dem Experten-Forum wurde aber klargestellt, dass diese erfreulichen Aussichten nicht dazu verleiten dürfen, bei der Forschung nachzulassen. Denn Materialeffizienz und intelligenter Rohstoffeinsatz sind immer noch die beste Methode, um sich gegen Abhängigkeiten zu wappnen.

Externer Kontakt: Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg
Tel. 0911 5880-1471
ulrich.teipel@ohm-hochschule.de
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2011, Seite 13

 
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