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Berufskraftfahrer

Wer fährt in Zukunft?

Die Transportwirtschaft profitiert von der guten Konjunktur. Aber das Fehlen von ausgebildeten Fahrern bremst den Aufschwung der Branche. Von Sebastian Linstädt, Illustration: Anton Atzenhofer

Die Transportwirtschaft profitiert von der guten Konjunktur. Aber das Fehlen von ausgebildeten Fahrern bremst den Aufschwung der Branche. Von Sebastian Linstädt, Illustration: Anton Atzenhofer

Die Spediteure in Mittelfranken und darüber hinaus schlagen Alarm: 70 000 bis 80 000 Lastwagen wurden während der Wirtschaftskrise in den deutschen Speditionen stillgelegt, schätzt Hans Wormser, Geschäftsführer der gleichnamigen Spedition in Herzogenaurach und Präsident des Landesverbandes der Bayerischen Transportunternehmen (LBT). Diese Kapazitäten auf Fahrzeugseite im aktuellen Wirtschaftsboom wieder aufzubauen wäre nicht das entscheidende Problem – doch es mangelt an Fahrern. „Ich hätte 2010 liebend gerne sieben Auszubildende zum Berufskraftfahrer eingestellt, aber der Markt scheint wie leergefegt“, sagt Wormser. Derzeit durchlaufen deshalb nur zwei Azubis diese Ausbildung bei Wormser – viel zu wenig, um bei einer Belegschaft von rund 200 Berufsfahrern auch nur die ausscheidenden Ruheständler zu ersetzen.

Werner Dettenthaler von Geis Eurocargo in Nürnberg findet die Entwicklung gerade im Nahverkehr, der rund die Hälfte der Fahraktivitäten bei Geis ausmacht, bedrohlich: „Die Fernverkehrslinien auf den großen Sattelschleppern bekomme ich noch relativ gut besetzt. Aber im Nahverkehr auf den kleineren Lastern von 7,5 bis zwölf Tonnen fehlen mir die Leute.“ Durch die florierende Wirtschaft werden Facharbeiter in allen Branchen händeringend gesucht – der Job als Fahrer ist aber nicht unbedingt beliebt, das Transportgewerbe hat deshalb beim Wettbewerb um Arbeitskräfte häufig das Nachsehen.

Einkommen und Ansehen haben abgenommen

Dieser Beobachtung schließt sich auch Siegfried Zetzl, Geschäftsführer der Spedition Zetzl in Röthenbach a.d. Pegnitz, an: „Kraftfahrer waren früher viel besser angesehen als heute, die Wertigkeit des Berufes und die Verdienstmöglichkeiten waren ganz andere.“ Für Zetzl nahm das Übel mit dem Beginn der Marktliberalisierung ab den 90er Jahren seinen Anfang, als die Fuhrbetriebe den enormen Margendruck mehr und mehr die Fahrer spüren ließen. „Irgendwann stellt sich dann jeder die Frage: Gehe ich lieber als Staplerfahrer ins Lager?“, sagt Zetzl.

Dem hält Reinhold Grötsch, Geschäftsführer des LBT in Mittelfranken, den Faktor Jobsicherheit entgegen: „Das Gewerbe ist durchaus vernünftig und bietet praktisch eine Jobgarantie. Der Verkehrsmarkt ist ein zukunftsträchtiger Arbeitsmarkt, in dem es immer aufwärts geht.“ Gerade Nürnberg als Drehkreuz im Osteuropaverkehr werde innerhalb der europäischen Güterwege immer wichtiger.

Auszubildende fehlen

In der Tat gab es bereits vor der Wirtschaftskrise Anzeichen auf den drohenden Fachkräftemangel im Führerhaus. Doch das Problem geriet in Folge der Depression aus dem Fokus. Nun ist dieses Schreckgespenst wiedergekehrt und treibt den Akteuren die Sorgenfalten auf die Stirn. Generell treffen immer weniger Bewerber im Ausbildungsmarkt auf immer mehr Stellen. Zusätzlich verschärft wird der Mangel an Auszubildenden bei den Berufskraftfahrern noch durch die Notwendigkeit des Lkw-Führerscheins: Dabei sind wiederum nicht die Kosten für den Schein das entscheidende Argument, denn die übernehmen in vielen Fällen staatliche Förderstellen.

Ein viel größeres Hemmnis ist laut Martin Eckmann vom IHK-Geschäftsbereich Berufsbildung das Mindestalter von 18 Jahren für den Führerschein: „Dies bedeutet, dass Hauptschulabgänger ein Jahr überbrücken müssen, bis sie mit mindestens 16 in die dreijährige Berufsausbildung einsteigen können.“ Im Jahr 2010 wurden in Mittelfranken 58 Ausbildungsverträge abgeschlossen, addiert man die drei Ausbildungsjahrgänge 2008 bis 2010, so befinden sich in Mittelfranken derzeit etwa 160 Azubis in der Ausbildung zum Berufskraftfahrer. In Anbetracht einer Logistik-Branche, die im Großraum insgesamt an die 100 000 Menschen beschäftigt, erscheint die Zahl als viel zu gering, um den Fachkräftebedarf in Zukunft decken zu können.

Berufskraftfahrer-Richtlinie

Zusätzlich verschärft hat sich die Situation durch die neue Berufskraftfahrer-Richtlinie, mit der in Deutschland eine entsprechende EU-Richtlinie umgesetzt wird. Bislang gab es neben den Fahrern mit einer „richtigen“ Berufsausbildung als Berufskraftfahrer immer schon Fahrer, deren Qualifikation aus einem Lkw-Führerschein und entsprechender Fahrpraxis bestand. Diese Zeiten sind seit dem 10. September 2009 vorbei. Seitdem muss ein Fahrer, der gewerblich Güter transportiert, eine Grundqualifikation nachweisen (im gewerblichen Personenverkehr hatte die Richtlinie schon 2008 gegriffen).

Christian Grupe, der bei der IHK Akademie Mittelfranken für die Qualifizierung der Berufskraftfahrer zuständig ist, kennt nicht weniger als zwölf unterschiedliche Möglichkeiten, diese Grundqualifikation zu erwerben. Die sogenannte beschleunigte Grundqualifikation ist der Weg, den die meisten wählen. Die Kosten für die Prüfung bei der IHK reichen von 100 bis 120 Euro und die Prüfungsdauer ist überschaubar. Allerdings schlagen für die nachzuweisenden Unterrichtsstunden, die der Prüfung vorangehen, je nach Lehrgangsträger und Dauer der Qualifikation etwa 2 500 Euro und mehr zu Buche. Die überwiegende Mehrzahl der bislang eher überschaubaren Anmeldungen für die Qualifikation (2010 zählte die IHK insgesamt nur rund 450) sind deswegen wohl auch von der Arbeitsagentur als Umschulungsmaßnahmen veranlasst worden. Denn kaum ein Arbeitnehmer könne diese Summe aus eigener Tasche zahlen, so Grupe.

Weiterbildungen sind Pflicht

Für Lkw-Führerscheine, die vor dem 10. September 2009 ausgestellt wurden, gilt Bestandsschutz. Allerdings müssen auch diese Führerscheine seit 1998 alle fünf Jahre von den Behörden verlängert werden – völlig unabhängig von der Richtlinie. Eine weitere Neuerung ist wiederum auf die Richtlinie zurückzuführen: Die obligatorische Weiterbildung. Sie sieht vor, dass jeder Lkw-Fahrer sich bis spätestens zum 10. September 2014 (also exakt fünf Jahre seit dem Inkrafttreten der Richtlinie) eine Weiterbildung bei einem anerkannten Lehrinstitut bescheinigen lassen muss. Fehlen dem Fahrer entsprechende Einträge im Führerschein, drohen ihm und seiner Firma empfindliche Geldbußen im In-und Ausland.

Diese Weiterbildungen werden auch künftig alle fünf Jahre fällig und sollen gewährleisten, dass Berufskraftfahrer auf dem neuesten Stand der Technik bezüglich Ladungssicherung oder ökologischer Fahrweise bleiben. Die Organisation der Weiterbildung ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. „Wir haben den enormen Vorteil, dass wir groß genug sind, um diese Schulungen selber zu machen“, sagt Hans Wormser über die eigene Firma. Durch die Verbandsbrille betrachtet macht er sich vor allem um die kleinen Betriebe mit drei bis vier Lkw, die in Bayern rund drei Viertel der Branche ausmachen, Sorgen. Sein Verbandskollege Reinhold Grötsch formuliert es drastischer: „Es kommt ein Tsunami auf uns zu!“ Durch die derzeit abwartende Haltung mancher Logistiker werde es 2014 zu massiven Engpässen auf dem Schulungsmarkt kommen. Auch Christian Grupe von der IHK sieht einen Ansturm auf Institute und Lehrgangsträger zukommen. Insgesamt bewerten die mittelfränkischen Spediteure die Einführung der Weiterbildung dennoch positiv, weil sie dem Renommee des Berufsbildes gut tut.

Nachwuchs dringend gesucht

Doch wo sind die Lösungsansätze für den Fachkräftemangel? Spediteur Siegfried Zetzl fordert von der Politik ein Umdenken und eine Aufwertung des Berufsbildes gegenüber anderen Berufen. Stimmt die Bezahlung, steigt die Attraktivität, ist er überzeugt. Werner Dettenthaler von Geis glaubt daran, dass die Öffnung nach Osten (ab Mai dürfen Polen ohne Arbeitserlaubnis in Deutschland tätig arbeiten) den Gesamtmarkt entspannen wird. Außerdem denkt man bei Geis darüber nach, in strukturell schwächeren Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland auf die Suche nach Fahrernachwuchs zu gehen.

Einen anderen Weg beschreibt Hartmut Eberhardt, Fuhrparkleiter der Spedition Heinloth in Roth. Dort hat man bereits vor der Krise stark auf die Ausbildung des eigenen Nachwuchses gesetzt: Pro Ausbildungsjahr bildet Heinloth mittlerweile zehn Azubis zum Berufskraftfahrer aus – bei rund 65 beschäftigten Fahrern eine beeindruckende Ausbildungsquote. „Diese jungen Menschen kennen die internen Abläufe in unserem Betrieb und haben ein viel besseres technisches Verständnis für den immer komplexer werdenden Beruf“, sagt Eberhardt. Die Ausbildungsleiter von Heinloth wurden bereits von der IHK prämiert, auch dies ist ein Grund, warum sich viele junge Leute dort bewerben. Etwa 20 Bewerber für dieses Ausbildungsjahr sind bei Heinloth bereits vorstellig geworden. Der Fuhrparkleiter ist zuversichtlich, so erneut den Fachkräftebedarf seiner Firma abdecken zu können.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2011, Seite 22

 
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