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Schwertransport

Gewichtige Herausforderung

Fast 500 Tonnen wog der schwerste Transformator, den Siemens je im Nürnberger Werk gebaut hat. Wie gelangte er zum Zielort Wilhelmshaven?

Fast 500 Tonnen wog der schwerste Transformator, den Siemens je im Nürnberger Werk gebaut hat. Wie gelangte er zum Zielort Wilhelmshaven?

Eine feuchtkalte Freitagnacht Mitte November 2010: Vom glänzenden Asphalt wird das grellgelbe Irrlicht zahlloser Warnleuchten reflektiert. Stück für Stück kriecht der Schwertransport der Firma Gebrüder Markewitsch, der vom Siemens-Gelände in der Nürnberger Südstadt kommt und auf dem Weg zum Nürnberger Hafen ist, im Schritttempo auf die Minerva-Unterführung zu – einem gewaltigem maschinellen Lindwurm gleich.

Mit hydraulischem Schnaufen kommt der Koloss zum Stillstand, Kommandos werden gebrüllt. Die Öffnung der Unterführung wird für den Schwertransport zum Nadelöhr: Jeder Handgriff muss jetzt ganz exakt sitzen: Behutsam schiebt sich der fast 90 Meter lange und insgesamt 787 Tonnen schwere Transport schließlich Zentimeter für Zentimeter durch den Schlund, um auf der anderen Seite seinen Weg in den Nürnberger Hafen fortzusetzen.

Transport der Superlative

Bei dem Experten von Markewitsch handelt es sich um routinierte Profis. Doch auch für sie ist der Transport des größten Transformators, den die Siemens AG je in ihrer Firmengeschichte in Nürnberg gebaut hat, eine Herausforderung. Extravagante Schwerlasttransporte wie dieser sind handwerkliche Maßarbeit und Ingenieurskunst in einem. „Wir mussten für den Transport des 495 Tonnen schweren Trafos extra eine neue Seitenträgerbrücke anschaffen“, erinnert sich Markewitsch-Geschäftsführer Robert Markewitsch. Diese Brücke sitzt vorne und hinten auf zwei vielachsigen Modulfahrzeugen, die unterschiedlich konfiguriert werden können. Sie ist ebenso ein Superlativ wie die schwere Last, die sie zu tragen hat: Mit einer Spannweite von maximal 47 Metern ist dieser Koloss aus Stahl in der Lage, bis zu 620 Tonnen Gewicht aufzunehmen – und diese sogar noch anzuheben und abzusetzen.

Den Weg zwischen Nürnberg und dem hohen Norden legte das komplette Gespann samt Fahrzeugmodulen und Seitenträgerbrücke auf einem sogenannten RoRo-Schiff (nach dem Beladungsverfahren Roll-on Roll-off benannt) zurück. In der Terminologie der Schwertransporte heißt der Transport vom Siemens-Werk in den Hafen Vorlauf, der eigentliche Transport erfolgt per Schiff, am Bestimmungshafen schließt sich der Nachlauf an.

Im Fall dieses Siemens-Giganten erfolgte auch die Fundamentsetzung auf der Baustelle noch durch Markewitsch. Die Nürnberger Spezialfirma hat also den vollständigen Weg vom Werk bis hin zum Einbau des Trafos in das künftige Kraftwerk abgedeckt. „Das ist nicht unbedingt immer so“, sagt Markewitsch. Aber Lösungen aus einer Hand anzubieten zählt zu den Stärken der Branche, deren Klima Markewitsch als freundschaftlichen Wettbewerb beschreibt.

Schwierige Kalkulation

In das Aufgabengebiet des durchführenden Dienstleisters gehört auch die Routenplanung – und die erfolgt in der Regel lange, bevor sich ein Schwertransport in Bewegung setzt. Sechs Monate Vorlauf sind die Regel, sagt Markewitsch. „Wir schauen uns die Route ganz genau an: Über welche Brücken und durch welche Tunnel müssen wir, sind Strom- oder Telefonleitungen im Weg, oder muss eine Ampelanlage umgelegt werden?“ All diese Fragen sind mit den entsprechenden Straßenverkehrsbehörden zu besprechen und zu planen. Das Risiko lastet dabei nicht selten auf den Transportdienstleistern, die in der Regel pauschal anbieten, wie Markewitsch verrät. „Da muss man schon exakt kalkulieren.“

Planungssicherheit ist aber nicht immer möglich. So sehen die Vorschriften beispielsweise vor, bei Transporten, die einen Eingriff in den Verkehrsfluss darstellen, die Polizei hinzu zu ziehen. Sobald ein Transport eine Breite von 5,50 Metern überschreitet oder Straßen gesperrt werden müssen, sind die Ordnungshüter im Einsatz. „Doch mit wie viel Fahrzeugen und Beamten angerückt wird, liegt im Ermessen der Polizei“, sagt Markewitsch. Das macht die Kostenplanung nicht immer einfach.

Teure Einsätze

Ganz teuer kommt eine Autobahnüberquerung, weiß Markewitsch. „Manche Großtransporte müssen über Land, weil sie für die Autobahnen schon zu groß sind. Aber unter Umständen muss eine Autobahn über alle Fahrstreifen gequert werden – Totalsperrung inklusive.“ Solche Maßnahmen gehen massiv ins Geld. Auch die Kosten für die Spezialfahrzeuge schlagen stark zu Buche: Pro Achse eines Modulfahrzeugs kann man mit 60 000 Euro rechnen, sagt Markewitsch, dessen Unternehmen im Durchschnitt zwei bis drei Schwerlasttouren im Monat für Siemens erledigt, den größten Auftraggeber in Nürnberg.

Längst nicht alle Trafos, die die immer gleiche Schwerlastroute hinaus zum Hafen nehmen, haben dabei so extreme Abmessungen. Die Minerva-Unterführung, jahrelang das Nadelöhr und neuralgischer Punkt der Route, wurde unlängst baulich „tiefer gelegt“ und damit deutlich entschärft. Dennoch benötigen die Transporte für fünf Kilometer Strecke mindestens eine Stunde.

Die Schwertransporterflotte von Markewitsch aus rund 20 Zugmaschinen und 45 Achslinienmodulen ist Tag und Nacht im Einsatz, die 30 Mitarbeiter in diesem Geschäftsbereich stets voll ausgelastet. Zehn bis 15 Fahrten mit Schwertransportern macht Markewitsch täglich – von voluminösen Bauteilen, über schwere Arbeitsmaschinen bis hin zum kompletten Transformator. 

Was ist ein Schwertransport?

Von einem Schwertransport oder Großraumtransport spricht man, sobald eine Breite von drei Metern, eine Höhe von vier Metern, ein Gesamtgewicht von 41,5 Tonnen oder eine Einzelachslast von 11,5 Tonnen überschritten wird. Diese Transporte benötigen eine Genehmigung der Straßenverkehrsbehörde, die diese nach Rücksprache mit den Straßenbaubehörden erteilt – unter Umständen mit Sonderauflagen. So kann es beispielsweise nötig sein, eine Brücke baulich zu verstärken oder Stromleitungen zu unterbrechen.

Ab einer Transportbreite von 5,50 Metern auf Autobahnen und 4,50 Metern auf sonstigen Straßen müssen Schwertransporte von der Polizei nach vorne und hinten abgesichert werden, da ein freies Überholen nicht mehr möglich ist. Die Polizei kommt auch immer dann zum Einsatz, wenn in den Verkehr durch Sperrungen eingegriffen werden muss. Ist dies nicht der Fall, reicht bei vielen Schwertransporten auch ein Begleitfahrzeug eines Dienstleisters, das den Transport in der Regel nach hinten absichert. Darüber, ob ein Transport tagsüber stattfinden kann oder in eine verkehrsarme Zeit (beispielsweise nach 22 Uhr) verlegt werden muss, entscheidet die Straßenverkehrsbehörde.

Autor/in: 
Sebastian Linstädt
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2011, Seite 28

 
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