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Gigaliner

Lastwagen gehen in die Verlängerung

Lastwagen gehen in die Verlängerung © Picture-Alliance

An den Lkw mit Überlänge scheiden sich die Geister: Verstopfen sie nur unnötig die Straßen oder machen sie die Logistik effizienter? Eine Testphase soll Klarheit bringen.

An den Lkw mit Überlänge scheiden sich die Geister: Verstopfen sie nur unnötig die Straßen oder machen sie die Logistik effizienter? Eine Testphase soll Klarheit bringen.

Die Öffentlichkeit hat ihr Urteil über die Gigaliner laut einer infratest-Umfrage schon gesprochen: 73 Prozent der Befragten lehnen die 25,25 Meter langen Lastzüge ab. Zu dieser Meinung haben sicher auch abschreckende Begriffe wie „Monstertruck“ oder „60-Tonner“ beigetragen, so IHK-Verkehrsreferent Ulrich Schaller. In der Öffentlichkeit herrsche die Sorge vor, dass sie die Straßen noch dichter machen. Dazu kommt, dass ADAC und Polizei die verlängerten Laster für ein Sicherheitsrisiko beim Überholen halten. „Dieser Argumentation schließen sich natürlich viele Autofahrer an, die sich heute schon über die sogenannten Elefantenrennen ärgern“, sagt Schaller. Und der harte Winter, der Deutschlands Straßen erneut mit vielen Schlaglöchern überzogen hat, wirkt sich auf die Reputation der neuen großen Lkws natürlich auch nicht positiv aus. Welche Schäden müsse dann erst so ein schweres „Monstrum“ auf den Straßen anrichten?

Inzwischen hat man sich auf Bundesebene, zusammen mit den beteiligten Verbänden, intensiv mit den Möglichkeiten eines Einsatzes dieser Fahrzeuge auseinandergesetzt und Kompromisse gemacht. Nicht nur begrifflich, sondern auch inhaltlich wird nun vom „Lang-Lkw“ gesprochen, der „handzahmer“ ist und sich von der ursprünglichen Idee eines 60-Tonners deutlich unterscheidet.

Bedingungen für den Einsatz

Das Bundesverkehrsministerium legt in einer sogenannten Betriebsanleitung folgende Bedingungen für den Einsatz von Lang-Lkws fest: Eine Konzentration auf die Bundesfernstraßen, ein generelles Überholverbot der Lang-Lkws, eine zusätzliche Qualifizierung der Fahrer und der Einsatz von Fahrerassistenzsystemen sind Maßnahmen, um das Image der Fahrzeuge zu verbessern.

In der Testphase, die Mitte 2011 startet, werden nun in den teilnehmenden acht Bundesländern (Bayern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg, Hessen, Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen) Gespanne mit einer Gesamtlänge von 25,25 Metern unterwegs sein. Zwar ist der Gigaliner damit 6,25 Meter länger als ein herkömmlicher Lkw, aber er darf wie dieser das zulässige Gesamtgewicht von 40 Tonnen nicht überschreiten. Ausnahmen gibt es lediglich für Transporte im sogenannten kombinierten Ladungsverkehr (KV). Diese übernehmen schon heute Lieferungen, beispielsweise vom Kunden zum Seehafen oder vom Kunden zum KV-Terminal und werden von dort mit der Bahn weiter transportiert. Hier sind höchstens 44 Tonnen erlaubt. An dieser Begrenzung ändert sich auch durch die Lang-Lkw nichts.

Vorteil bei großen Mengen

Beobachtungen aus der Luftfracht lassen nach Aussage Schallers den Rückschluss zu, dass sich bestimmte Transportgüter mehr und mehr in Richtung Volumen bewegen. Beschränkend sei also oft nicht das Gesamtgewicht, sondern der Umfang der Ladung. Und eben hier kommt der Lang-Lkw ins Spiel: Er ermöglicht den Spediteuren von volumenstarken, eher leichten Waren einen optimierten Transportweg. „Das Konzept der Lang-Lkw ist dabei klar auf Autobahnen und Zubringer zu den Güterverkehrszentren und Hubs ausgelegt“, sagt Schaller.

Nicht schlecht schneiden die Riesen beim Spritverbrauch und den Emissionen ab: Beide Werte liegen nur leicht über denen der etwas kleineren Brüder. „Wenn man konservativ rechnet, kann man wohl vier herkömm-liche 40-Tonner durch drei Lang-Lkw ersetzen“, schätzt Schaller, der sich damit nicht ganz der euphorischen Einschätzung des Bundesverkehrsministers anschließt, das noch höhere Einsparungen erwartet. Doch auch eine Verringerung von Spritverbrauch und Emissionen um rund 20 Prozent pro vier Sattelschlepper ist für die Branche richtig interessant. Der Fachkräftemangel im Berufskraftfahrerbereich könnte den Lang-Lkw noch zusätzlich Rückenwind verschaffen.

Ein Gutachten von TÜV Rheinland und TÜV Nord zu einem bereits abgeschlossenen Feldversuch in Nordrhein-Westfalen stellt den Lang-Lkws ein ausgezeichnetes Zeugnis aus: Nach 1,7 Mio. unfallfrei zurückgelegten Kilometern hieß es in dem Prüfbericht, die Fahrzeuge könnten „technisch sicher und verkehrstechnisch gefahrlos betrieben werden“. Eine begleitende Studie der RWTH Aachen ergab außerdem, dass der Einsatz von Lang-Lkw auf den Autobahnen den Verkehrsfluss verbessern würde, da die Gesamtzahl der Lkw abnehmen würde. Dennoch entschloss sich die nordrhein-westfälische Landesregierung, am bundesweiten Feldversuch nicht teilzunehmen.

Mittelfranken wartet ab

Derzeit ist die Haltung der mittelfränkischen Speditionsbetriebe eine abwartende: Für viele Firmen komme der Lang-Lkw nicht in Frage, weil sie schwere Güter transportieren, weiß Hans Wormser aus eigener Erfahrung. Sein Betrieb in Herzogenaurach ziehe die Anschaffung nicht in Erwägung, weil man bereits herkömmliche Lastzüge voll auslaste. „Dennoch ist das Pilotprojekt ein interessanter Ansatz, aus dem wir Transporteure nur lernen können“, sagt Wormser, der auch Präsident des Landesverbandes Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT) ist. Für den Bereich der Textil-Logistik seien die Lang-Lkw durchaus interessant, dennoch beteiligten sich an dem Pilotprojekt in ganz Bayern lediglich sechs Speditionsunternehmen aktiv.

Von den LBT-Mitgliedern aus der Region Nürnberg beteiligt sich keines an dem Pilotprojekt, ergänzt Reinhold Grötsch, der Geschäftsführer des Verbandes in Mittelfranken. Seiner Meinung nach könnte sich der Lang-Lkw am ehesten bei den Automobilzulieferern durchsetzen, weil dort große Volumina bewegt werden. Für die kleineren Mitgliedsbetriebe des LBT seien die großen Trucks dagegen keine Alternative. So sieht es auch IHK-Verkehrsreferent Schaller, der in den Lang-Lkw keine Alternative, sondern eine mögliche Erweiterung des „Linienverkehrs“ auf den Direktverbindungen sieht. Diese dürften aber nicht den klassischen Container-Zugverbindungen Konkurrenz machen. „Sobald es um die Innenstädte geht, werden hingegen neue Kleinlaster mit Elektroantrieb in den Vordergrund rücken“, so seine Zukunftsvision. David und Goliath – friedlich vereint.

Autor/in: 
Sebastian Linstädt
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2011, Seite 26

 
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