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EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit

Berufsbilder werden international

Wie lassen sich deutsche und tschechische Qualifikationen vergleichen? Ein Pilotprojekt gibt Arbeitgebern eine Orientierungshilfe.

Mit der Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes haben seit 1. Mai dieses Jahres 73 Mio. Arbeitnehmer aus acht mittel- und osteuropäischen Ländern die Möglichkeit, auch in Deutschland ohne weiteres eine Stelle anzutreten. Deutsche Arbeitnehmer müssten deswegen keine Angst um ihre Arbeitsplätze haben, sagt Petr Hoštalek, Leiter der Handels- und Wirtschaftsabteilung der Tschechischen Botschaft. Er erwartet keine große Migrationswelle: „Die meisten auswanderungswilligen Tschechen sind bereits ins Ausland gegangen und nicht unbedingt nach Deutschland.“ Denn Deutschland sei spät dran, Länder wie Großbritannien, Irland oder Finnland haben ihre Grenzen zum Teil bereits seit 2004 geöffnet und bieten jungen, tschechischen Fachkräften attraktive Arbeitsmarktbedingungen. Auch deutsche Unternehmen hoffen nun angesichts des drohenden Fachkräftemangels auf die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften.

Doch was heißt qualifiziert? „EU-weit gilt unser duales Ausbildungssystem als einzigartig“, so Udo Göttemann, Leiter des Geschäftsbereichs Berufsausbildung der IHK Nürnberg für Mittelfranken. Demgegenüber ist in Europa ein fachschulisches System stark verbreitetet, sodass Qualifikationen schwer vergleichbar sind. Hinzu kommt das sprachliche Problem.

Vergleich mit deutschen Berufen

Deshalb haben die IHKs Bayreuth und Nürnberg für Mittelfranken gemeinsam mit der Deutsch-Tschechischen Auslandshandelskammer und dem Prager Forschungsinstitut für Berufs- und Fachausbildung die Profile von sechs Berufen zunächst vom Tschechischen ins Deutsche übersetzt und dann abgeglichen. Die Basis für den Abgleich bildeten die Europass-Zeugniserläuterungen, die die länderspezifischen Standards des jeweiligen Ausbildungsberufes beschreiben. Außerdem fassen sie kurz die in der Berufsausbildung erworbenen Kenntnisse sowie Dauer, Art und Niveau der Ausbildung zusammen. Es wurde besonders Wert darauf gelegt, nicht nur die Ausbildungsinhalte, sondern auch die Ausbildungsziele zu vergleichen.

Die wegen der hohen Zahl der Beschäftigten ausgewählten Berufe Mechatroniker, Elektroanlagenmonteur, Fachlagerist, Kaufmann im Einzelhandel, Verkäufer und Koch sind in Deutschland und Tschechien weitestgehend identisch. Das Projekt wird von der Bundesagentur für Arbeit sehr begrüßt, betont Klaus Beier, Vorstandsmitglied der Regionaldirektion Bayern.

Mehr Transparenz

Ziel des Berufeabgleichs war es, mehr Transparenz für die Arbeitgeber, aber auch für die Arbeitnehmer zu schaffen. So können Arbeitgeber die Qualifikationen ihrer Bewerber besser bewerten, mittel- und osteuropäische Arbeitnehmer haben wiederum ein klareres Bild von dem, was von ihnen erwartet werden kann. „Wichtig neben dem Berufeabgleich ist es aber auch, den Menschen zu sehen und eine Willkommenskultur zu schaffen“, so IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Lötzsch.

Positive Erfahrungen mit ausländischen Mitarbeitern hat bereits die Wassermann GmbH aus Nürnberg gemacht. Das Unternehmen beschäftigt derzeit Facharbeiter und Auszubildende beispielsweise aus Rumänien und Russland. „Wir sind hoch zufrieden mit der Zusammenarbeit“, so Geschäftsführer Uwe Hoen. Er sieht in der Arbeitnehmerfreizügigkeit große Chancen für kleine und mittlere Unternehmen, qualifizierte Mitarbeiter zu finden.

Autor/in: 
am.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2011, Seite 16

 
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