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Wochenmärkte

Was darf’s denn sein?

Jüngere Kunden ansprechen, spezielle Sortimente anbieten und auf attraktive Warenpräsentation achten: Mit diesen Rezepten haben die Wochenmärkte eine gute Zukunft.

Wie können die Wochenmärkte dem Wettbewerb im Handel standhalten und Marktanteile gewinnen? Das war eine zentrale Frage bei der Veranstaltung „Erfolgreiche Wochenmärkte“, zu der die IHK Nürnberg für Mittelfranken eingeladen hatte. Die Experten machten deutlich, dass sich auch die Markthändler mit langfristigen Trends befassen müssen, die zu Lasten ihres Geschäfts gehen können. „Die Deutschen werden immer weniger und immer älter“, so Helmut Hübsch, Konsumforscher bei der Nürnberger GfK. Daraus ergibt sich, dass mittlerweile jeder Dritte – mit steigender Tendenz – in Deutschland allein wohnt und Drei- oder Vier-Personenhaushalte kontinuierlich abnehmen. In den Familien wird immer weniger gekocht, gegessen wird zunehmend außer Haus.

Verändertes Einkaufsverhalten

Überhaupt brechen die Deutschen immer seltener auf, um Kartoffeln, Obst und Gemüse zu besorgen. Statistisch gesehen geht der Bürger 134 Mal im Jahr zum Lebensmittelhändler, das sind zehn Prozent weniger Einkaufsgänge als noch vor wenigen Jahren. Dafür werden pro Einkauf die Taschen voller gepackt. Und immer häufiger greifen Verbraucher in den Regalen zu Convenience-Produkte, also zu Fertiggerichten von der Teigmischung über fertig angerichtete Salate bis zu ganzen Mahlzeiten für die Mikrowelle. Diese Entwicklungen bringen insbesondere die Wochenmärkte im ländlichen Raum unter Druck, während sich städtische und großstädtische Obst- und Gemüsemärkte noch besser behaupten können.

Bundesweit gibt es rund 3 300 Wochenmärkte mit 250 000 Markttagen und 50 000 Händlern. Sie erzielen etwa 1,3 Prozent des gesamten Lebensmittelhandelsumsatzes, der 2010 bei 112 Mrd. Euro lag. Die Wochenmärkte wachsen nur im gleichen Maße wie der Handel allgemein, können ihre Marktanteile aber nicht ausweiten, wie Hübsch ausführte. Allerdings lasse sich mit Sondersortimenten punkten: So haben die Wochenmärkte z.B. bei Antipasti einen Marktanteil von 30 Prozent. Der Marktforscher nennt noch weitere erfolgversprechende Ansatzpunkte für die Markthändler: Regionale Erzeugnisse verkaufen, einen persönlicheren Service als die Supermärkte bieten und mit frischen Produkten das Vertrauen der Konsumenten gewinnen.

Eine weitere wichtige Aufgabe für die Marktmacher ist es, auch jüngere Kunden anzusprechen. Das versucht der Duisburger FrischeKontor mit einem eigenen Facebook-Auftritt, der in den ersten drei Monaten bereits über 600 Freunde gewonnen hat, wie Geschäftsführer Peter Joppa berichtete, der im Auftrag der Stadt Duisburg die Wochenmärkte im Stadtgebiet betreibt und auch Vorstandsmitglied der Gemeinschaft zur Förderung der Interessen der Deutschen Frischemärkte e.V. (GFI) ist. Über Facebook werden Interessenten über besondere Termine, Angebote und Aktionen informiert. Neu ist zudem die kostenlose App „Märkte live“ für iPhones, die insbesondere Städtetouristen kostenlos über Märkte, Standorte, Angebote und Erreichbarkeit unterrichtet.

Händler und städtische Veranstalter sollten aber auch im Kerngeschäft ihre Hausaufgaben besser machen, so Lothar Geißler, Präsident der IHK Stade und Geschäftsführer des Fahrzeugwerks Borco-Höhns. Die Marktämter müssten insbesondere auf eine optimale Termin- und Sortimentsgestaltung, auf Sauberkeit und auf ein intelligentes Flächenmanagement achten. Die Marktbeschicker seien in der Pflicht, für einen attraktiven Verkaufsstand, eine verlockende Präsentation und eine besondere Qualität der Ware Sorge zu tragen. Verschmutzte oder verrostete Stände, Freizeitkleidung oder eingeschweißte Salatköpfe vom Großmarkt sind für ihn ein Tabu. Denn Wochenmärkte seien für die Versorgung der Verbraucher grundsätzlich „entbehrlich“, also müssen die Verkäufer kompetent auftreten und die Lust der Kunden am Bummeln und am besonderen Markt-Flair wecken.

Geißler plädierte gegen ein Wettbewerbsdenken unter den Händlern: „Die große Konkurrenz sind die Rewes und Edekas, die die Wochenmärkte kopieren.“ Deshalb sollten sich die Händler gemeinsam als „Einkaufszentrum Wochenmarkt“ verstehen und zusammen versuchen, mit dem stationären Lebensmitteleinzelhandel mitzuhalten.

Aus Sicht von Norbert Hoffmann, Chef der Frankfurter e5.marketing GmbH, sollten sich Marktamt und Händler nicht in kurzfristigen Einzelmaßnahmen verlieren, sondern sich auf langfristige Konzepte konzentrieren. Wochenmärkte, die mehrmals in der Woche stattfinden, könnten mit unterschiedlichen Sortimenten oder verschiedenen Öffnungszeiten Zielgruppen wie beispielsweise Berufstätige besser erschließen. Etwa, wenn ein Markt bis Freitagabend geöffnet hat und dazu auch einen Weinausschank vom Erzeuger ermöglicht. Auch für Touristen, Kinder oder ältere Menschen könnten Spezialisierungen herausgearbeitet werden. Hoffmann will ebenfalls Marktbeschicker und Veranstalter gleichermaßen in die Verantwortung nehmen. Denn Wochenmärkte sind für ihn nicht nur „ein Kulturgut und die Urform des Handelns“, sondern auch ein wichtiger Baustein des Innenstadt-Marketings. Außerdem profitieren die umliegenden Geschäfte von den Besuchern des Wochenmarkts. Der Berater riet dazu, umlagefinanzierte Info-Stände auf dem Markt aufzustellen, an denen sich die Besucher über die Händler und deren Sortiment informieren können. „Im Handel ist das normal, für Wochenmärkte ist es erst langsam im Kommen.“ Der Fachmann forderte, bei den Märkten eine konsequente und pünktliche Anwesenheitspflicht durchzusetzen. Denn unpünktliche oder fehlende Händler beschädigen den Gesamteindruck des Marktes. Geißler ging sogar noch einen Schritt weiter: Wer mit Blick auf den eigenen Ruhestand nicht mehr in den Marktstand und in angemessene Berufskleidung investiert, sollte seine Zulassung verlieren.

Das Nürnberger Marktamt, zuständig für die neun Wochenmärkte im Stadtgebiet mit dem Aushängeschild am Hauptmarkt, sieht für zentrale Kurskorrekturen derzeit keinen Bedarf: „Es läuft einfach“, bilanzierte Gabriele Meier, die im Marktamt für die Wochen- und Sondermärkte zuständig ist. Für die rund 50 Marktbeschicker von Nürnbergs guter Stube gelten allerdings besondere Anforderungen: Stände oder Schirme sind in den Stadtfarben rot-weiß zu halten und trotz Dauerzulassung sind die Stände abends abzubauen. Außerdem herrscht an den sechs Markttagen eine Mindestanwesenheit von drei Tagen.

Besondere Regeln am Hauptmarkt

Meier ist von der Frische und Qualität überzeugt: „Wenn es in Nürnberg eine reife Avocado gibt, dann am Hauptmarkt.“ Zudem können Erzeuger auch kurzfristig einen Tagesstand bekommen, um überschüssige Produkte schnell an die Verbraucher zu bringen. Das Marktamt ist so flexibel, dass auch noch am selben Tag Händler platziert werden können. Wenn der Markt wegen anderer Veranstaltungen komplett Richtung Lorenzkirche verlegt wird, sorgt das für zusätzliches Geschäft. Aus Befragungen weiß Meier, dass neue Kunden – insbesondere Berufstätige in der Lorenzer Altstadt – die Mittagspause zum schnellen Einkauf nutzen.

Eine Nürnberger Besonderheit ist der Markt am Koberger Platz, der immer freitags stattfindet. Dort ging die Initiative von den Anwohnern aus, die beim Marktamt die Genehmigungen eingeholt und selbst Händler aus der fränkischen Schweiz organisiert haben. Der Platz ist mit 14 Anbietern ausgebucht und hat sich nicht nur als attraktiver Frischemarkt vor der Tür, sondern auch als sozialer Treffpunkt etabliert. Selbst frühere Anwohner kommen nach ihrem Wegzug noch zum Koberger Platz, um einzukaufen und zugleich mit den alten Nachbarn in Kontakt zu bleiben. Ein schöner Beleg dafür, dass Wochenmärkte noch lange kein Auslaufmodell sind.

Autor/in: 
Thomas Tjiang
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2011, Seite 12

 
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