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Kaufverhalten

Gar nicht so verschieden

Entscheiden Frauen beim Einkauf emotional, während Männer sich rational verhalten? Oder sind das nur Vorurteile? Die Ohm-Hochschule Nürnberg ging dieser Frage nach.

Samstagnachmittag in einem Schuhgeschäft: Ein Mann hängt in einem Sessel, während seine Begleiterin ihm das siebte Paar Pumps vorführt. Vertauschte Rollen dagegen im Baumarkt: Hier studiert der Mann hingebungsvoll die technischen Details von Schwingschleifer-Modellen. Um der Langeweile zu entgehen, tippt seine Begleiterin schon die dritte SMS an die beste Freundin.

So sehen sie aus, die gängigen Klischees über das unterschiedliche Einkaufsverhalten der Geschlechter: Auf der einen Seite der rationale Mann, der systematisch alle Informationen über verschiedene Produkte zusammenträgt, ehe er sich festlegt. Auf der anderen Seite, die emotionale Frau, die sich entweder schwer entscheiden kann oder sich zu einem Impulskauf hinreißen lässt.

Basieren solche Stereotypen auf Vorurteilen oder entsprechen sie der Realität? Dieser Frage sind Studierende des Master-Studienganges Betriebswirtschaft an der Georg-
Simon-Ohm-Hochschule auf den Grund gegangen. Prof. Dr. Florian Riedmüller stellte den 21 Teilnehmern seines Kurses zum Thema Käuferverhalten die Aufgabe, im „Unterschiede im Käuferverhalten zwischen Männern und Frauen“ (so auch der Titel des Forschungsprojekts) zu untersuchen. Das Ergebnis der Studie: Die geschlechtsspezifischen Abweichungen beim Einkaufen fallen wesentlich geringer aus, als die üblichen Klischees vermuten lassen.

Als systematischer Ansatz für die Studie wurden drei Dimensionen betrachtet: die einzelnen Phasen der Kaufentscheidung, Arten von Werbemedien und Warengruppen. Für die Untersuchungen wurde eine Brille zur mobilen Blickregistrierung verwendet, mit der sich die Augenbewegung nachverfolgen lässt (sogenanntes Eye Tracking). In dieses Gerät, das einer etwas überdimensionierten Sport-Brille ähnelt, sind zwei Kameras integriert: Eine Szenenkamera zeichnet das reguläre Blickfeld der Person auf, während eine Augenkamera die Bewegungen der Pupille aufnimmt. Durch die Verrechnung der beiden Messdaten kann exakt nachvollzogen werden, was die Testpersonen mit ihren Augen fixieren.

Die Eye Tracking-Brille der Ohm-Hochschule gehört zu den Hochleistungssystemen auf dem Markt; sie filmen nicht nur, sondern werten vernetzt mit einem Rechner auch die Daten aus. Will man beispielsweise wissen, welche Bereiche eines Plakats die besondere Aufmerksamkeit der Betrachter auf sich ziehen, wird das Poster in ein Koordinatensystem eingeteilt, in dem die relevanten Punkte markiert werden. Mithilfe der Brille kann nun genau registriert werden, welche Motive die Pupillen des Betrachters tatsächlich wie lange fixieren. Nehmen an einem solchen Experiment mehrere Probanden teil, lassen sich aus den aggregierten Daten sogenannte Heat-Maps erstellen. Sie machen deutlich, welche Bereiche eines Plakats aufmerksam betrachtet bzw. ignoriert wurden. Um die Ergebnisse nicht zu verfälschen, wird bei Eye Tracking-Untersuchungen in der Regel eine alltägliche Situation nachgeahmt. Weil man auch im „echten Leben“ beiläufig an Werbemitteln vorbeigeht, wurden den Probanden deshalb „Ablenkungsaufgaben“ gestellt, um authentische Ergebnisse zu bekommen.

Wahrnehmung von Plakaten

Nehmen Frauen und Männer Plakatwerbung unterschiedlich wahr? Diese Frage war der Dreh- und Angelpunkt des ersten Teils der Marketing-Studie. Untersucht wurden die Aspekte „Intensität der Betrachtung“, „Fokussierung von Darstellungen Angehöriger des anderen Geschlechts“ und „Erinnerung von Inhalten auf Plakaten“. In der Feldphase der Studie wurden die Teilnehmer mit der Eye Tracking-Brille auf der Nase durch das Treppenhaus der Ohm-Hochschule geschickt. Als Ablenkungsmanöver erhielten sie die Aufgabe, das Orientierungsleitsystem zu bewerten. Tatsächlich spielten bei der Versuchsanordnung jedoch zwei Plakate die Hauptrolle: Das eine Plakat warb für das Bekleidungshaus Anson’s, das andere für die Kaffeemaschine Senseo.

Die Auswertung dieses Versuchs überraschte die Master-Studenten: Bei der Betrachtungsdauer gab es keine großen Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Senseo zog die Blicke der Betrachter circa eine Sekunde auf sich, Anson’s etwa eine halbe Sekunde. Und auch das Klischee, dass die Blicke der Männer durch Frauen auf den Plakaten länger gefesselt werden und umgekehrt Männer die Aufmerksamkeit von Frauen wecken, wurde durch die Studie widerlegt. Beim Anson´s-Plakat betrachten die Probanden sowohl männliche als auch weibliche Models länger als die Probandinnen.

Immerhin ein leichter Unterschied zwischen den Geschlechtern zeichnet sich ab: Faktenorientierte Gestaltungselemente (z.B. Zahlen) wurden von den Männern stärker wahrgenommen, während sich Frauen eher auf spielerische Elemente wie zum Beispiel Geschenkideen konzentrierten.

Im zweiten Teil der Marketing-Studie wurde das Kaufverhalten von Männern und Frauen in einer neutralen Produktkategorie getestet: Untersucht wurde die Kaufentscheidung bei Buntstiften und Druckbleistiften. Die in der Fußgängerzone angeworbenen Probanden hatten in einer präparierten Schreibwarenabteilung in der Nürnberger Innenstadt die Qual der Wahl unter acht Typen gelber Buntstifte. Aber das Verhalten der Studien-Teilnehmer folgte der Devise „Unisex“ und entkräftete damit die Hypothese, dass sich Frauen grundsätzlich intensiver mit der Produktauswahl beschäftigen.

Als weitere Hypothese sollte überprüft werden, ob Männer tatsächlich mehr Interesse für technische Details aufbringen. Testobjekt war ein Druckbleistift, neben dem ein Aufsteller mit Produktinformationen platziert wurde. Aber dieser Blickfang entfaltete auf Frauen und Männer dieselbe Wirkung: Jeweils die Hälfte der weiblichen und männlichen Probanden betrachtete die Info-Tafel; auch in puncto Erinnerungsvermögen unterschieden sich die Teilnehmer nicht von den Teilnehmerinnen. Nur rund einem Fünftel der Testkäufer beiderlei Geschlechts waren technische Details im Gedächtnis geblieben.

Der dritte Teil der Untersuchung wurde in der Cafeteria auf dem Ohm-Campus durchgeführt. Im Zentrum der Fragestellung standen das Tempo bei der Auswahl von Sandwiches, die Präferenzen für bestimmte Sorten und die Resonanz auf ein Spezialangebot. Bei der Versuchsanordnung wurden in der obersten Reihe Puten-Käse-Semmeln präsentiert, in der Mitte der Vitrine lagen Salamibrötchen. Als „Tipp des Tages“ waren außerdem mit Käse und Tomaten belegte Ciabattinis zu haben. Auch die Ergebnisse dieser Versuchsanordnung widersprechen den gängigen Klischees von der weiblichen Vorliebe für gesunde Ernährung: Die Präferenz für leichte Pute oder deftige Salami war gleichmäßig auf Frauen und Männer verteilt. Und das Ciabatta im Sonderangebot erwies sich bei beiden Geschlechtern als Verkaufsschlager – was der Hypothese von der Frau als passionierter Schnäppchenjägerin, die stärker auf Angebotsreize reagiert, nicht gestützt hat.

Autor/in: 
aw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2011, Seite 38

 
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