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Gesellschaftliche Verantwortung

Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen

Unternehmen sind nur dann erfolgreich, wenn sie fair mit ihren Mitarbeitern umgehen und wenn das gesellschaftliche Umfeld stabil ist. Von IHK-Präsident Dirk von Vopelius

Wirtschaft und Soziales werden in der öffentlichen Wahrnehmung gern als Gegenpole in unserer Gesellschaft empfunden. Auf der einen Seite der profitgierige Unternehmer, auf der anderen Seite soziale Organisationen und Verbände, denen aufgrund von Steuererleichterungen für die Firmen das Geld ausgeht. Wirtschaft und Soziales erscheinen oft wie Feinde im Kampf um knappe Steuergelder. Aber braucht es nicht eine starke Wirtschaft, um ein tragfähiges soziales Netz zu spannen?

Natürlich steht nicht für jeden Unternehmer soziales Engagement an erster Stelle, nicht jedem liegt das Wohl seiner Mitarbeiter und deren Familien näher als der Profit. Aber wo ist der Punkt, ab dem die Gewinnerzielung zur Belastung für das Gesamtsystem wird? Werfen wir einen Blick auf die Kapital- und Finanzmärkte. Dort ist die vorherrschende Erscheinungsform die institutionalisierte Gier. Aus der Deckung der Anonymität heraus kann quasi jedermann ohne Bezug zu den Folgen Geldhähne auf- oder zudrehen. An der zu Recht beklagten Entfremdung von Finanzwirtschaft und Realwirtschaft haben somit bei genauer Betrachtung viele ihren Anteil. Oder haben Sie je nachgefragt, woher die Gewinnanteile Ihrer Lebensversicherung kommen?

Unternehmertum im besten Sinne ist etwas anderes als Spekulation und Renditemaximierung um jeden Preis. Nachhaltiges Wirtschaften ist keine Modeerscheinung. Weitblickende Unternehmerinnen und Unternehmer wussten zu allen Zeiten, dass kein Ausbeutungsmodell auf Dauer erfolgreich sein kann. Die weitaus größere Zahl der Führungskräfte, von kleinen und mittleren Unternehmen bis hin zu den „Global Playern“, entwickelt ein aufrichtiges Interesse an den Bedürfnissen der Gesellschaft und aller Menschen, die mit dem Unternehmen in Verbindung stehen. Nur so kann man dauerhaft auf dem strengsten Markt bestehen, den es gibt: dem Markt der Unternehmensreputation. „Wirtschaft muss dem Menschen dienen“, postulierte einst Ludwig Erhard, der Vater der Sozialen Marktwirtschaft. Dies gilt für die Realwirtschaft ebenso wie für die Finanzwirtschaft.

Leider hat sich auch unser Gemeinwesen nur allzu bereitwillig in die Abhängigkeit der Finanzmärkte begeben. Die öffentlichen Haushalte stehen unter dem Diktat des Schuldendienstes: Vielen sozialen Einrichtungen werden Zuwendungen gekürzt oder Leistungen gestrichen, weil das Geld fehlt. Unterstützung durch die Wirtschaft wird schon heute dringend gebraucht und in Zukunft noch wichtiger sein. Immer mehr Unternehmen sind sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und werden sich engagieren – auch aus eigenem Interesse. Denn durch den drohenden Fachkräftemangel kehren sich die Kräfteverhältnisse um: Künftig werden die gut ausgebildeten Talente wählen können, wo und für welche Unternehmen sie ihre Arbeitskraft einsetzen möchten. Arbeitgeber-Marketing wird immer wichtiger – und ein Schlagwort wie „Corporate Social Responsibility“, die Bereitschaft eines Unternehmens, soziale Verantwortung zu übernehmen, wird zur harten Währung.

Nur wenn ein Unternehmen seine Arbeitnehmer fair behandelt, ihnen Freiräume für die persönliche Entfaltung gewährt, sie gerecht entlohnt und sich auch in Krisensituationen um sie kümmert, werden die Angestellten bei der Firma bleiben. Nur wenn es den Menschen in einer Region gut geht, es genügend Kindergärten, soziale Einrichtungen und Kultur- und Freizeitangebote gibt, werden Fachkräfte dort leben wollen. Und nur wenn sich die Wirtschaft in Deutschland aktiv dafür einsetzt, die sozialen Bedingungen zu verbessern, wird sie in der Lage sein, im „war for talents“ künftig auf dem Weltmarkt zu bestehen. Die sozialen Bedingungen werden in Zukunft mehr als jemals zuvor zum ausschlaggebenden Standortfaktor werden, der bestimmt, welche Regionen wirtschaftlich erfolgreich sind und welche nicht. Somit hat die Wirtschaft eine klare Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, und Akteure wie die Landesarbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege tun gut daran, Unternehmen gelegentlich an diese Verantwortung zu erinnern. Ihr stetiges Engagement, ihr Hinweisen auf soziale Missstände und ihre Aufforderungen an die Unternehmen, sie bei ihren Leistungen für die Gesellschaft zu unterstützen, sind von großer Bedeutung. Die Akteure der Wohlfahrtspflege sind ein wichtiger Bestandteil unseres sozialen Gewissens.

Und das Gewissen darf nicht ruhen: Der faire Umgang mit den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Unternehmen ist ein erster Schritt, aber es gibt viele andere Bereiche, in denen wir noch aktiver werden können: Die Förderung von Hauptschülern oder Schulabbrechern, die Integration von körperlich oder geistig beeinträchtigten Mitarbeitern oder die Honorierung der Erfahrung von älteren Mitmenschen sind nur einige Möglichkeiten, den vermeintlichen Gegensatz zwischen wirtschaftlichem Erfolg und sozialer Verantwortung aufzulösen.

Erstveröffentlichung dieses Artikels erschien in den „Bayerischen Sozialnachrichten“ (Ausgabe 1/2012), die von der Landesarbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Bayern herausgegeben werden.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2012, Seite 24

 
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