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IHK-Lehrgang

Beratung gegen die Sucht

„Betriebliche Suchtberater“ bildet die IHK Akademie Mittelfranken mit einem neuen Zertifikatslehrgang aus. Kooperationspartner sind die Soziotherapeutischen Einrichtungen der Laufer Mühle.

Jeder zehnte Beschäftigte in deutschen Unternehmen ist suchtgefährdet, so der Drogen- und Suchtbericht 2011 des Bundesgesundheitsministeriums. Neben den persönlichen Problemen entstehen durch die Sucht auch betriebliche Schwierigkeiten: Dies sind vor allem Fehlzeiten und eine um bis zu 30 Prozent geringere Leistung der Mitarbeiter. Nicht zu unterschätzen ist zudem die Gefahr, dass es vermehrt zu Arbeitsunfällen kommt. Suchtkranke Mitarbeiter fallen oft durch Unzuverlässigkeit auf und sie stören Arbeitsprozesse, Betriebsklima und Teamkultur, womit sie auch ihre Kollegen demotivieren.

Der neue IHK-Zertifikatslehrgang „Betriebliche Suchtberater“, der vom 15. Juni bis 28. Juli 2012 erstmals stattfinden wird (120 Unterrichtsstunden, jeweils Freitag und Samstag, 8.30 bis 16.30 Uhr), soll die Teilnehmer befähigen, in ihren Unternehmen als Ansprechpartner bei Suchtproblemen zur Verfügung zu stehen. Die Suchtberater sollen ihre Betriebe zudem dabei unterstützen, Vorbeugungsprogramm zu entwickeln und umzusetzen. Sie kümmern sich nicht nur um Kollegen, die durch übermäßigen Alkoholkonsum auffallen, sondern stehen auch bei anderen Suchtproblemen bereit (z.B. Medikamentenmissbrauch, Konsum von Cannabis oder Sucht nach anderen psychoaktiven Substanzen).

„Hast Du gemerkt, was X wieder für eine Fahne hat?“ – „Kollege Y hat mal wieder sämtliches Werkzeug verschlampt!“ – „Z fehlt mal wieder – immer wieder montags“. Diese Sätze kennen viele aus Gesprächen in der Betriebskantine oder am Arbeitsplatz. Meistens verhalten sich dann alle nach dem Prinzip „jeder weiß es, aber keiner sagt etwas“. Die Kollegen sind verärgert, die Vorgesetzten fühlen sich unter Druck gesetzt, etwas zu unternehmen. Aber letztlich sind alle oft hilflos oder es gelingt ihnen nicht, verbindliche Vereinbarungen mit den auffälligen Mitarbeitern zu treffen, weil diese abblocken oder jegliche Begegnung vermeiden. Die Teilnehmer des Lehrgangs werden deshalb in die Lage versetzt, kompetente Ansprechpartner zu sein für suchtgefährdete und süchtige Mitarbeiter im Betrieb. Ihnen werden zu diesem Zweck geeignete Strategien und Methoden an die Hand gegeben.

Ex-Süchtige als Dozenten

Das Trainer-Team setzt sich zusammen aus Mitarbeitern und sogenannten „Ex-Usern“ (also früheren Abhängigen) der Suchthilfe-Einrichtungen „Laufer Mühle“ in Adelsdorf. Seit mittlerweile zwölf Jahren bietet die Facheinrichtung Lehrgänge und Seminare sowohl für ehemals Abhängige als auch für Lehrkräfte, Jugendleiter, Führungskräfte, Ausbildungsleiter und Pflegepersonal in Altenheimen an. Das Besondere an diesen Angeboten: Außer Sozialpädagogen und Soziologen wirken auch ehemals Abhängige, sogenannte „Soziotherapeutische Assistenten“, mit. Sie ergänzen das theoretische Wissen und die integrierten Workshops mit ihren Erfahrungen. „Am eigenen Leib erlebt zu haben, wie es ist, in eine Sucht zu geraten, aber vor allem bewiesen zu haben, welche Schutzfaktoren und Heilungskräfte man mobilisieren kann, um aus der Abhängigkeit wieder herauszufinden, das ist in diesem Zusammenhang eine wertvolle und wichtige Kompetenz“, so beschreibt Sigrid Thiem von der Laufer Mühle den Ansatz. Ex-User erhöhen die Effektivität und Glaubwürdigkeit dieser Lehrgänge, sagt auch Jochen Raschke, der Leiter der IHK Akademie Mittelfranken.

Die Erfahrung von Menschen, die ihre Sucht überwunden haben, ist auch aus einem anderen Grund bedeutsam: Süchtige lernen im Laufe ihrer Abhängigkeit, ihr Problem zu vertuschen, Ausreden zu erfinden und Strategien zu entwickeln, wie sie ihre Umgebung täuschen können. „Das erfordert einen klaren und verbindlichen Umgang und eine stichhaltige Strategie“, so Sigrid Thiem. Ehemals Abhängige, die in ihrer eigenen Suchtvergangenheit selbst solche Täuschungsmanöver angewendet haben, seien deshalb äußerst hilfreiche Partner für den neuen Lehrgang. Sie helfen, die Verhaltensweisen von süchtigen Menschen zu identifizieren und richtig zu deuten. Die „Ex-User“ bestätigen zudem, dass ihnen ein klares und verbindliches Hilfsangebot in frühen Phasen ihrer Sucht dabei geholfen hätte, sich frühzeitig in eine Beratung oder eine Therapie zu begeben.

Teilnehmen an dem neuen IHK-Lehrgang können Vorgesetzte und Mitarbeiter in Betrieben, die dort für Maßnahmen zur Gesundheitsförderung verantwortlich sind, aber auch Personalleiter, Suchtbeauftragte und Mitarbeiter von Sozialdiensten. Zur Zielgruppe gehören auch Ausbildungsleiter, Mitarbeitervertreter, Betriebsärzte und Berufsschullehrer. Ein Ausschnitt aus dem Lehrprogramm: Grundlegende Fragen der Suchtproblematik, Beratungs- und Hilfsangebote, Gesprächsführung und -moderation, Organisation von Veranstaltungen zur Suchtprävention, Erarbeitung von Präventionsprogrammen sowie von Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zum Thema Sucht.

Informationsabende für Interessenten

Interessenten können sich an zwei Informationsabenden über den neuen Lehrgang unterrichten (Anmeldung erforderlich): Am Dienstag, 24. April 2012 in der Laufer Mühle, Adelsdorf, und am Donnerstag, 10. Mai in der IHK Akademie Mittelfranken, Walter-Braun-Straße 15, Nürnberg (jeweils 18.30 Uhr). Um sich für einen der Termine anzumelden, wenden Sie sich bitte direkt per Mail an die IHK Nürnberg. Weitere Details zum Zertifikatslehrgang finden Sie in unserer Weiterbildungsdatenbank.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2012, Seite 44

 
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