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Lang-Lkw

Lastwagen in Überlänge

Der Feldversuch mit den sogenannten Gigalinern ist Anfang dieses Jahres angelaufen. Bisher rollen aber nur wenige Lang-Lkw über deutsche Straßen.

Wie viele der langen Lastwagen schon unterwegs sind, ist nur schwer abzuschätzen. Rückfragen bei der Bundesanstalt für Verkehrswesen (BASt), die mit der wissenschaftlichen Betreuung des Feldversuches betraut ist, haben ergeben, dass sich bis Mitte Februar nur drei Logistik-Unternehmen bundesweit für die Teilnahme an dem auf fünf Jahre begrenzten Feldversuch angemeldet haben. Zusätzlich liegen dem BASt aber rund 50 Anfragen vor, die aber allesamt noch keine verbindlichen Zusagen beinhalten, hieß es in Medienberichten weiter.

„Wir begrüßen einen bundesweiten Feldversuch mit dem Lang-Lkw ausdrücklich“, erklärt Lars Purkarthofer, Sprecher des internationalen Paketdienstleisterd UPS. „Wir haben mit den Lang-Lkw in Skandinavien und Holland bereits sehr gute Erfahrungen gemacht und uns auch an den kleineren deutschen Feldversuchen beteiligt, die aber immer auf Bundesländer beschränkt waren.“ Mit dem von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer zum Jahresbeginn initiierten Modellversuch, der auf insgesamt nicht mehr als 400 Lang-Lkw ausgelegt ist, lässt sich laut Purkarthofer nun erstmalig die Anwendbarkeit der Lang-Lkw im gesamtdeutschen Streckennetz testen. Zumindest annähernd, denn nicht alle Bundesländer haben sich am Modellversuch beteiligt.

Letzte Meile

Als problematisch stellt sich für die Logistikunternehmen häufig die letzte Meile zwischen Autobahnausfahrt und Zielort dar. Das liegt daran, dass für die Lang-Lkw keine allgemeingültige Straßenzulassung zu haben ist, sondern diese sich lediglich auf einem bestimmten, freigegebenen Streckennetz bewegen dürfen. Diese sogenannten Positivliste weißt immer wieder Lücken auf. Ulrich Schaller, Verkehrsreferent der IHK Nürnberg für Mittelfranken, sieht genau in dem lückenhaften Positivnetz die Ursache für die Zurückhaltung vieler Unternehmen. Derzeit reichen zahlreiche Unternehmer Strecken für das Positivnetz nach. Erst nach deren Genehmigung könnten sie überhaupt absehen, ob eine Teilnahme am Feldversuch für sie möglich sei, so Schaller. UPS etwa möchte die großen Umschlaglager, die sogenannten „Hubs“, durch Lang-Lkw-Routen miteinander verbinden. Solche Hubs finden sich etwa in Hannover, bei Frankfurt am Main oder auch im Nürnberger Hafengebiet.

Keine Erlaubnis in Nürnberg

Die Stadt Nürnberg hat sich jedoch als einzige Kommune in Bayern gegen den Feldversuch ausgesprochen. Dies bedeutet derzeit nicht nur, dass kein Lang-Lkw den Frankenschnellweg nutzen kann, sondern schließt auch das logistische Herz Nürnbergs, das Güterverkehrszentrum (GVZ) im Hafen, aus. Ein Versuch, für das Hafengebiet eine Sonderzulassung zu erhalten, wie dies etwa in Bremen möglich war, fruchtete bislang nicht. „Gerade weil wir um die Bedeutung von Nürnberg als logistisches Drehkreuz wissen, bedauern wir diese Entscheidung natürlich außerordentlich“, erklärt Logistiker Purkarthofer von UPS und fügt hinzu: „Allerdings nehmen wir die Vorbehalte, die die Stadt vorbringt sehr ernst und sind froh über den konstruktiven Diskurs, den wir derzeit führen.“

Die Argumentation der Stadtspitze gegen den Lang-Lkw, der das Wirtschaftsreferat übrigens ausdrücklich nicht folgt, beziehen sich überwiegend auf Fragen der Sicherheit sowie auf die Dimensionen der Lang-Lkw und die damit verbundene Mehrbelastung der Straßen. Unstrittig ist, dass die Lang-Lkw mit einer Gesamtlänge von 25,25 Metern rund sechseinhalb Meter länger sind als ein herkömmlicher Sattelschlepper. Was dies für die Verkehrssicherheit bedeutet, ist allerdings umstritten. Verkehrsexperten wie Schaller verweisen in punkto Manövrierbarkeit auf die hochbewegliche Dolly-Achse, die den Wendekreis der Riesenlaster sehr effizient verringert. Nürnbergs Wirtschaftsreferent Dr. Michael Fraas brachte im Gespräch mit der Nürnberger Zeitung unlängst auf den Punkt, dass es gar nicht darum gehe, die Gigaliner überall im Stadtgebiet fahren zu lassen: „Wir müssen doch die Lkw möglichst schnell von der Autobahn zum Güterverkehrszentrum in den Hafen bringen.“

Die Argumentation, das hohe Gewicht der Lang-Lkw belaste Brücken und Straßen zu sehr, lässt Schaller nicht gelten. Die für den Feldversuch zugelassenen Lang-Lkw seien wie herkömmliche Lkw auf ein zulässiges Gesamtgewicht von maximal 40 Tonnen beschränkt. Und auch im kombinierten Verkehr gelte für die Gigaliner – wie für alle anderen Lastwagen auch – die übliche Begrenzung von maximal 44 Tonnen. Zudem verlagere sich dieses Gewicht auf Grund der höheren Achsenzahl sogar besser auf der Straße, als dies bei einem herkömmlichen Sattelzug der Fall sei.

Volumen als begrenzender Faktor

Für Schaller sind es vor allem zwei Merkmale, die den Lang-Lkw zum interessanten Test-Objekt machen: „Bei 80 Prozent aller konventionellen Lastzüge ist das Volumen der Ladung der begrenzende Faktor, nicht das Gewicht. Vor allem bei volumenstarker Fracht wie Kleidung oder Lebensmittel ist der Lang-Lkw also auf jeden Fall interessant.“ Außerdem sei Berechnungen zufolge die Kohlendioxid-Bilanz der Riesen schon im direkten Vergleich um bis zu 30 Prozent geringer als die eines herkömmlichen Lkw. „Geht man davon aus, dass zwei Lang-Lkw drei herkömmliche ersetzen könnten, sind die Lang-Lkw ganz klar umweltverträglicher.“ Allerdings gibt auch Schaller zu, dass die mangelnde Infrastruktur beispielsweise an Raststätten für Probleme sorgen kann.

Auch die Bedenken des ADAC Nordbayern gehen in diese Richtung. Zwar sieht es der Automobilclub als Gebot der Stunde, angesichts des zunehmenden überregionalen Straßengüterverkehrs nach innovativen Lösungen zu suchen, um die Straßen zu entlasten. In einem Statement beanstanden Michael Herbst, Vorstandsmitglied Verkehr und Technik, und Jürgen Hildebrandt, Abteilungsleiter Verkehr, Technik und Umwelt, aber die mangelnde Prägnanz des Verordnungsentwurfes, der einige Punkte offen lasse: „Hierzu zählen vor allem konkrete Aussagen zu Streckenprofilen, die in das Design der Untersuchung einfließen sollen, das heißt welche infrastrukturellen Gegebenheiten vom Feldversuch letztlich erfasst werden.“ Zwar seien auch nachgeordnete Stecken Teil des Positivnetzes.

Noch sei aber ungeklärt, inwiefern auf diesen kritischen Strecken Überholvorgänge erfolgreich durchgeführt werden können. Die Abnabelung des GVZ im Hafen zum derzeitigen Zeitpunkt hingegen stelle eine Konsequenz dar, „deren Auswirkungen möglicherweise nicht hinreichend bedacht wurden“. Man sieht: Noch ist nicht aller Tage Abend. Möglicherweise wird in diesem oder nächstem Jahr das Positivnetz für Lang-Lkw ja doch noch so umgestaltet, dass die Riesen zumindest eine Chance bekommen, ihre Tauglichkeit zu beweisen – auch rund um das Nürnberger GVZ.

Autor/in: 
sl.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2012, Seite 40

 
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