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Militärflächen

Friedensdividende in Mittelfranken

Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde die Schließung von Militärstandorten mit großer Besorgnis gesehen. Heute gilt die Konversion in Mittelfranken als Erfolg, denn auf den meisten Militärflächen entstanden neue lebendige Stadtteile für Gewerbe und Wohnen.

Für die Stadt Roth mit ihren rund 25 000 Einwohnern ist die aktuelle Bundeswehrreform ein schwerer Einschnitt: Die Otto-Lilienthal-Kaserne mit bislang gut 2 800 Soldaten und zivilen Mitarbeitern wird kräftig umorganisiert und verkleinert. Die Bundeswehrplanung sieht vor, dass nach der Neuausrichtung nur noch 540 Dienstposten übrig bleiben werden.

Das kann man als Unglück oder Glück werten, denn in den Vorüberlegungen zur Reform war der Standort Roth schon kurz vor seiner kompletten Auflösung gestanden. Klar ist, dass der Flugbetrieb Mitte 2014 eingestellt wird und die letzten Soldaten des Heeresfliegerregiments abgezogen werden. Klar ist auch, dass dann die Fläche des militärisch genutzten Geländes mit Militärflugplatz und einer Fläche von ca. 360 Hektar für die Bundeswehr zu groß ist. Roths Bürgermeister Ralph Edelhäußer hofft, dass er bis Jahresende von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) erfährt, welche 50 bis 70 Hektar nicht mehr gebraucht werden.

„Die Unsicherheit ist da, als Kommunalpolitiker ist mir nicht ganz wohl“, räumt Edelhäußer mit Blick auf die anstehende Konversion von militärischer zu privat-gewerblicher Nutzung ein. Wenn die Stadt zusammen mit der BImA und der Obersten Baubehörde in München „richtige Entscheidungen trifft“, sieht er aber auch Chancen. Wenn in zwei Jahren der Flugbetrieb eingestellt ist, sei etwa mit Rückenwind der Energiewende eine Windkraftanlage denkbar, aber eine wirtschaftliche Tragfähigkeit nach heutigem Stand „offen“. Gerüchte, dass der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS Interesse hätte, haben sich als falsch herausgestellt.

Neben möglichen Nutzungskonzepten steht Edelhäußer noch vor einer ganz anderen Herkulesaufgabe: Denn die Flächenvermarkterin BImA tritt als Immobiliendienstleister des Bundes auf und orientiert sich bei der Verwertung von Liegenschaften an kaufmännischen Grundsätzen. Zwar wurde im Juni ein Oppositionsantrag in den Bundestag eingebracht, die BImA neu auszurichten sowie städtebauliche und regional-politische Belange stärker zu berücksichtigen. Doch darauf kann Roth nicht warten, zumal die BImA auch ihren Beitrag zum „Sanieren des Staatshaushaltes“ leisten muss.

Theoretisch könnte Roth die freie Fläche allein kaufen oder einen eigenen Zweckverband mit anderen Kommunen gründen, um dann anteilig Kosten und Erträge aufzuteilen. Oder ein privater Investor greift zu und die Stadt Roth gibt den Rahmen über das Bauplanungsrecht vor. Das Areal verfügt über eine gute Anbindung, ist laut Bürgermeister Edelhäußer „nicht unattraktiv“ und könne bei einem „fairen Miteinander aller Beteiligten auch ein Erfolg werden“. Wenn ein klares Nutzungskonzept vorliegt, könnte die Stadt Roth auch eine Finanzspritze aus dem Bayerischen Sonderprogramm „Militärkonversionen“ der Städtebauförderung beantragen.

Erfahrungen in anderen Kommunen

Was Roth an Diskussionen über die Konversion von Militärflächen noch bevorsteht, haben zahlreiche anderen Kommunen in Mittelfranken schon vor Jahren hinter sich gebracht. Allein von der US-Army wurden in den 1990er Jahren laut der Angaben der Regierung von Mittelfranken über 4 400 Hektar an Kasernen, Wohnanlagen und Übungsgelände aufgegeben und dafür eine zivile Nutzung ermöglicht. Es war Teil einer europaweiten Entwicklung, in der die Zahl der Soldaten verringert sowie Kasernen und militärisch genutzte Flächen verlassen wurden. Manch einer sah schon die biblische Verheißung „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen“ Wirklichkeit werden und sprach von einer Friedensdividende. Doch zunächst schmerzten erst einmal die unmittelbaren wirtschaftlichen Auswirkungen. Dann allerdings wurden die Flächen vielfach erfolgreich in die Stadtentwicklung integriert.

Die Liste der Kommunen ist lang, die von der Konversion betroffen waren: In Ansbach waren es die beiden Kasernen Bleidorn und Hindenburg, die heute als Polizeihochschule bzw. als Einkaufszentrum genutzt werden. In Erlangen entstand auf dem Ferris Kasernengelände das Wohn- und Gewerbeareal Röthelheimpark, die frühere US-Wohnsiedlung Hartmannstraße wird weiterhin zum Wohnen genutzt. Für Erlangens Oberbürgermeister Dr. Siegfried Balleis ist der Röthelheimpark ein „bundesweiter Modellfall für die Umwandlung militärisch genutzter Fläche“. Für die vom knappen Wohnungsangebot und zu wenig Flächen geplagte Stadt sei dies „unser Anteil an der Friedensdividende“ gewesen.

Der Militär-Flughafen in Feucht kann als interkommunaler Gewerbepark auf eine dynamische Entwicklung zurückblicken, die einstige Munitionsanlage und das Treibstofflager Feucht sind bislang noch ungenutzt. In Fürth sind abgesehen vom Zennwald die sechs einstigen US-Standorte voll in das zivile Stadtleben integriert worden.

Die rund 230 Hektar „waren eine fantastische Chance für Fürth“, bilanziert Wirtschaftsreferent Horst Müller. „Wir haben sie genutzt.“ Ein wichtiger Motor für die Umnutzung der Wohnsiedlung Kalb der O‘Darby Kaserne war der Entwicklungsprojekt- und Darlehensvertrag zwischen Fürth und dem Freistaat Bayern. Dadurch wurde das Projekt 1996 in das Programm „Siedlungsmodelle – Neue Wege zu preiswertem, ökologischem und sozialem Wohnen in Bayern“ aufgenommen. Nach teils schwierigen Sanierungsphasen der Kalb-Siedlung ist ein neuer und lebendiger Stadtteil entstanden. Auch in den Wohnsiedlungen in Dambach sowie auf Teilen der ehemaligen Monteith-Kaserne, dem heutigen Golfpark, herrscht neues Leben. Mit Blick auf die den Gewerbepark-Süd, dem ehemaligen Areal der Johnson Barracks, bedauert es Müller, dass die Stadt damals die lukrative Vermarktung einem privaten Investor überlassen hat. Die Hesselberg-Funkanlage in Gerolfingen gehört als Bildungshaus der Telekom, ist derzeit allerdings verwaist. Und in Markt Taschendorf hat sich auf dem einstigen Munitionsdepot Gerhardshofen teilweise bereits Gewerbe angesiedelt.

Gelungene Entwicklung

Die Herzo Base in Herzogenaurach mit stattlichen 45 Hektar und weiteren fünf Hektar Wohngebiet lag nach dem Abzug der amerikanischen Streitkräfte jahrelang brach. 1998 übernahm der Sportartikelhersteller adidas die privaten Anteile an der GEV Grundstücksgesellschaft Herzogenaurach und wurde so zusammen mit der Stadt Herzogenaurach alleiniger Eigentümer des Geländes. Seit Jahresbeginn hat die Stadt Herzogenaurach die beiden freien südlichen Bauabschnitte des Wohngebietes von der GEV übernommen, um zu den bereits bestehenden 200 Wohneinheiten mittelfristig weitere rund 600 Einheiten zu bauen. Dafür hat die Stadt ihren Kommanditanteil an der GEV an adidas verkauft. Auf der Herzo Base sind nach und nach vier Welten für ein Miteinander von Unternehmen und Wirtschaft (World of Sports, World of Commerce), Bürgern (Public World) sowie Bewohnern (World of Living) entstanden. Die alte Panzer- und Fahrzeughalle ist nun Konversionsfläche für ein adidas-Parkhaus für über 1 800 Fahrzeuge. Weitere Planungen sehen vor, dass allein auf der „World of Sports“ langfristig bis zu 5 300 Menschen arbeiten werden, was einen schrittweise weiteren Ausbau der Herzo Base erfordert.

In Nürnberg ist das Bundesamt für Migration in die einstige Merrell Kaserne eingezogen, die mit ihren 17 Hektar die größte Konversionsfläche im Stadtgebiet war. Ein kleiner Baukörper am Rand, der sogenannte „Z-Bau“, wird für Kultur genutzt. Das US-Krankenhaus im Westen der Stadt hat sich als „Village“ für Wohnen und Gewerbe mit gut zehn Hektar etabliert. Die einstige Sportanlage wird weiter genutzt, das US-Hotel am Hauptbahnhof blieb ebenfalls ein Hotel. Das Langlau-Munitionslager in Pfofeld im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen ist mit seinen 45 Hektar noch ohne Nutzung.

Die Schwabacher O‘Brien Kaserne hat sich in 20 Jahren vom ehemaligen Kasernengelände zu einem neuen Stadtteil – ebenso groß wie die Altstadt – entwickelt. Meilensteine der Entwicklung sind das Unternehmensgründerzentrum „Schwung“, das Stadtmuseum, die angesiedelten Stadtwerke und das städtische Baubetriebsamt. Hinzu kommen Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe, Schule und Kindergärten sowie ein Altersheim und Wohngebiet mit insgesamt 200 Wohneinheiten. Auch eine zweite US-Wohnsiedlung wird nun zivil zum Wohnen genutzt. In Zirndorf heißen die früheren Pinder Barracks heute „PinderPark“, dort sind nun Landratsamt, Gewerbe und Wohngebäude zu finden.

Das Feuchtlacher Übungsgebiet Ansbach mit stattlichen 123 Hektar bleibt als Wald erhalten. Ebenso der Übungsplatz Tennenlohe in Erlangen, der mit über 3 300 Hektar heute als Bannwald und Naturschutzgebiet fungiert. Gleiches gilt auch für das Munitionsdepot Zennwald in Fürth, das Schehrholz-Übungsgelände im westmittelfränkischen Illesheim, die Schwabacher Schießanlage sowie der Standortübungsplatz Hainberg zwischen Oberasbach, Stein und Nürnberg. 

Im Schatten der US-militärischen Konversion sind aber auch drei mittelfränkische Bundeswehrstandorte umgenutzt worden. In die Kaserne in Feuchtwangen ist die Bayerische BauAkademie eingezogen, eine Einrichtung Bayerischen Baugewerbes. Die Kaserne in Heidenheim im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen hat Gewerbeansiedlungen angelockt, der Großteil der 388 Hektar ist allerdings Brachland. Die einstige Infanteriekaserne an der Nürnberger Tillystraße erblüht als Tillypark im zivilen Licht: Neben der Polizei, einem Hotel und dem „Kompetenzzentrum Demenz“ sind dort Dienstleistungsbetriebe und Wohnungen angesiedelt.

Autor/in: 
Thomas Tjiang
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2012, Seite 52

 
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