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Energiesparen

Häuser als Kraftwerke

Um die Energieeffizienz von Immobilien zu verbessern wird auf erneuerbare Energieträger, Maßnahmen zur Dämmung und intelligente Gebäudetechnik gesetzt. Von Andrea Wiedemann

In Deutschland werden rund 40 Prozent der gesamten Endenergie in Gebäuden verbraucht. Der Immobiliensektor spielt deshalb eine Schlüsselrolle bei der Verbesserung der Energieeffizienz und bei der Senkung der CO2-Emissionen. Das Energiekonzept der Bundesregierung will den Energiehunger der Wohn- und Gewerbeimmobilien deutlich zügeln: Bis 2050 soll der Gebäudebestand nahezu klimaneutral werden; angestrebt wird eine Reduzierung des Primärenergiebedarfs um 80 Prozent.

Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, müssen alle Register gezogen werden. Dazu gehören sowohl Maßnahmen zur Dämmung der Gebäudehülle als auch die energieeffiziente und klimafreundliche Bereitstellung von Wärme und Kälte.

Hier leistet der Einsatz von erneuerbaren Energieträgern wie Holz, Sonne und Erdwärme durch die Reduktion des CO2-Ausstoßes einen Beitrag zum Klimaschutz und senkt angesichts steigender Ölpreise mittel- und langfristig die Betriebskosten.

Diesem Ziel dient auch das Nachhaltigkeitskonzept des Campus Marienberg, den die KochInvest Unternehmensgruppe im Auftrag der Dr. Lorenz Tucher‘sche Stiftung entwickelt. In der Nähe des Nürnberger Flughafens entstehen nördlich des Volksparks Marienberg vier Bürogebäude (Gesamtfläche fast 25 000 Quadratmeter) und ein Parkhaus. Im Campus Marienberg setzen KochInvest und die Tucher‘sche Stiftung konsequent auf Energieeffizienz. Dazu gehören neben der Dämmung nach den Vorgaben der Energieeinsparverordnung ein ressourcenschonendes Konzept für Heizung und Lüftung sowie intelligente Gebäudetechnik.

Erdkälte im Büro

Für ein angenehmes Klima in den Büroräumen sorgen Geothermie und Betonkernaktivierung: Damit das Gebäude einen stabilen Stand hat, werden bis zu einer Tiefe von circa elf Metern Gründungspfähle in den Boden gebohrt. In diesen Pfählen befinden sich Leitungen, durch die eine Trägerflüssigkeit strömt. Sie dient als Medium, um die Erdkälte an die Oberfläche zu bringen. Diese Erdkälte wirkt im Sommer wie eine Klimaanlage. Während der kalten Monate wird die Erdkälte mithilfe einer Wärmepumpe in Heizwärme verwandelt. Bei klirrender Kälte besteht die Möglichkeit, auf die Hackschnitzelheizung zurückzugreifen. Befeuert wird sie mit Holz aus heimischen Wäldern und der ökologischen Forstwirtschaft der Stiftung.

Damit die Beschäftigten im Campus Marienberg selbst im Hochsommer einen kühlen Kopf bewahren, haben die Räume thermoaktive Decken: Kaltes Wasser durchströmt den Betonkern und senkt die Raumtemperatur – garantiert ohne Zugluft. Der besondere Charme dieser Heizungs- und Lüftungstechnologien liegt im niedrigen Primärenergieverbrauch –so werden nicht nur der CO2-Ausstoß, sondern auch die Energiekosten während Betriebsphase erheblich gesenkt.

Der energetische Mindeststandard für Neubauten wird in Deutschland durch die Energieeinsparverordnung (EnEV) definiert. Die aktuell geltende EnEV 2009 legt die Obergrenze für den Heizwärmebedarf von Neubauten bei circa 50 kWh/m2a fest. Die EnEV 2009 wird voraussichtlich im ersten Halbjahr 2013 novelliert und die EU-Gebäuderichtlinie 2010/31/EU umsetzen. Sie verlangt, dass ab 2021 alle Neubauten Niedrigst-Energiegebäude sind: Die Häuser sollen nicht mehr Energie verbrauchen als mit erneuerbaren Energien erzeugt werden kann. Anders ausgedrückt: Künftig sollen Gebäude nicht nur Energie sparen, sondern als Mini-Kraftwerke Energie selbst produzieren. Diese Kriterien erfüllen Nullenergiehäuser und Plusenergiehäuser. Nach der Definition des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) erreicht ein Gebäude das „Plus-Energie-Haus-Niveau“, wenn sowohl ein negativer Jahres-Primärenergiebedarf als auch ein negativer Jahres-Endenergiebedarf vorliegen.

Noch haben Nullenergiehäuser oder Plusenergiehäuser in deutschen Städten und Gemeinden Seltenheitswert. Aber es gibt bereits Beispiele solcher Hightech-Immobilien. Im Norden von Mainz, etwa 300 Meter vom Rheinufer entfernt, befindet sich die Zentrale von Werner & Mertz. Das Familienunternehmen, Endverbrauchern vor allem durch seine Marken „emsal“, „erdal“ und „Frosch“ bekannt, hat 2010 seine Hauptverwaltung als emissionsneutrales Plusenergiebilanz-Haus errichtet. Durch die intelligente Kombination der Energieträger Wasser, Wind und Sonne erzeugt das Bürogebäude mit sieben Etagen und einer Nutzfläche von knapp 6.000 Quadratmetern mehr Energie, als es für den laufenden Betrieb benötigt.

Windkraft vom Dach

Das „grüne Kraftwerk“ der Firmenzentrale befindet sich auf dem Dach, wo 16 kleine Windkrafträder die frische Brise, die häufig vom Rhein her weht, in Strom verwandeln. Auf einer Dachfläche von 350 Quadratmetern sind Photovoltaik-Module verlegt. Windkraft und Sonnenenergie erzeugen pro Jahr circa 177 Megawattstunden Strom.

Bei einem Energiebedarf von 156 Megawattstunden für die Heizung und Kühlung des Gebäudes kann die Hauptverwaltung somit einen „Überschuss“ von 21 Megawattstunden ins Netz einspeisen. Geothermische Grundwassernutzung gewährleistet zu jeder Jahreszeit angenehme Temperaturen für die knapp 200 Mitarbeiter. Der Wirkungsgrad dieser Technologie ist hier besonders hoch, da sich am Standort der Hauptverwaltung fließendes Grundwasser in nur fünf Metern Tiefe befindet. Dieses zwölf Grad kalte Grundwasser wird in das Gebäude befördert und im Winter mit einer Wärmepumpe auf 35 Grad gebracht. Über ein Heizsystem, das in die Fußböden integriert ist, wird diese Wärme in die Büroräume abgegeben.

Ein weitere Beispiel ist das „Effizienhaus Plus“ in Berlin, einer Initiative des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Die Hightech-Immobilie mit einer Wohnfläche von 130 Quadratmetern nutzt alle Möglichkeiten zur Verbesserung der Energieeffizienz, angefangen bei der Isolierung bis zur Gebäudetechnik. Die Heizenergie gewinnt das Effizienzhaus Plus durch eine Luft-Wärme-Wasserpumpe aus der Außenluft. Die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und an der Südfassade erzeugt Strom. Der wird in Hochleistungsbatterien gespeichert und versorgt unter anderem die hauseigene Ladestation für die Elektrofahrzeuge. Die intelligente Haustechnik macht es möglich, dass das Energiemanagement des Hauses, die prognostizierte Sonneneinstrahlung und die Nutzung des Batteriespeichers aufeinander abgestimmt werden. Produziert das „Kraftwerk Einfamilienhaus“ Strom über den Eigenbedarf hinaus, fließt der „Überschuss“ in das öffentliche Netz. Im März 2012 ist eine vierköpfige Familie in „Effizienzhaus Plus“ eingezogen, um 15 Monate lang in einem wissenschaftlich begleiteten „Probewohnen“ die Alltagstauglichkeit der „E-Mobilie“ zu testen.

Autor/in: 
Andrea Wiedemann
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2012, Seite 78

 
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