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Städtebauförderung

Mehr Leben im Quartier

Historische Stadtkerne erhalten, Innenstädte beleben und ein besseres soziales Umfeld für die Bewohner schaffen: Das sind Ziele, die Bund und Länder mit ihren Förderprogrammen verfolgen.

Bei der Neugestaltung von Hauptmarkt und Obstmarkt in Nürnberg zeigt sich ein Konflikt, der sich offensichtlich nur schwer lösen lässt. Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly brachte dies im Historischen Rathaussaal bei der öffentlichen Präsentation der Preisträger des städtebaulichen Wettbewerbs folgendermaßen auf den Punkt: „Der Hauptmarkt gehört irgendwie allen Nürnbergern, die andere Interessen haben, als die direkten Anwohner.“ Darüber hinaus wiederholen seit Jahren interessierte Bürger, Eigentümer, Einzelhändler, Unternehmer und Verbandsvertreter ihre oft widerstreitenden Standpunkte.

Manche wollen eine Begrünung auf dem Hauptmarkt, andere einen Radweg über den Platz, Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer oder Orientierungslinien für Sehbehinderte. Andere bringen Ideen für die Gestaltung des Taxi-Standes ein, der von seinem Stammplatz vor dem Schönen Brunnen verlegt werden soll. Seit zwei Jahren geht die Stadt offensiv in den Bürgerdialog, um möglichst frühzeitig den Widerständen zu begegnen.

Bürgerproteste für mehr Dialog

Die Aktionen der „Wutbürger“ gegen das Projekt „Stuttgart 21“, aber auch der Nürnberger Protest in den 1990er Jahren gegen die Architektur für den Augustinerhof sorgt für einen offenen Kurs der Politik. Damals war der Begriff Wutbürger zwar noch nicht erfunden, aber der Widerstand gegen den als „aufgeplatzte Bratwurst“ gebrandmarkten Entwurf des Stararchitekten Helmut Jahn war so groß, dass das Projekt schließlich kippte. Für einen kooperativen Ansatz der Stadtentwicklung wurde ein City-Management eingesetzt, das in einem Bürgerbüro kontinuierlich Rede und Antwort steht.

Die Neugestaltung des Hauptmarkts – Nürnbergs guter Stube – ist Teil des Projekts „koopstadt“, über das sich die Stadt gemeinsam mit Bremen und Leipzig an der Initiative Nationale Stadtentwicklungspolitik des Bundes beteiligt. Ziel ist es, die nördliche Altstadt als Standort für Wirtschaft und Kultur sowie als Ort zum Wohnen, Arbeiten und Leben zu erhalten und weiterzuentwickeln. Dabei soll der Begriff „koopstadt“ innovative Lösungen beschreiben, mit denen aktuelle Zukunftsfragen der Stadtentwicklung und des interkommunalen Austausches angegangen werden. Außerdem soll das Bewusstsein für Optionen der Stadtentwicklung geschärft und das Engagement von Bürgern und Wirtschaft stimuliert werden.

Funktionen erhalten

Maßgabe für den Hauptmarkt, einen der größten Marktplätze in Deutschland, ist für Maly der Erhalt als „soziales Zentrum in seiner ursprünglichsten Form“. Das beinhaltet die klassische Marktplatzfunktion – auch hinsichtlich des Christkindlesmarktes – oder neue Veranstaltungen wie „Bio erleben“. Bäume oder eine Rückverlegung des Neptunbrunnens schloss er für diese „multifunktionale Spielfläche der Stadtgesellschaft“ aus. Es bleibe zwar noch Zeit zu diskutieren, aber die Mittel der Städtebauförderung werden knapper. Allerdings ermöglicht die Zugehörigkeit Nürnbergs zum Kooperationsprojekt „koopstadt“ die Finanzierung der Stadtentwicklung der Nördlichen Altstadt über das Städtebauförderungsprogramm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ von Bund und Ländern. Es werde aber noch bis zur Europameisterschaft 2016 dauern, bis es losgehe.

Seit Anfang der 70er Jahre stellen Bund und Länder in den Programmen der Städtebauförderung Finanzhilfen für die Erneuerung und Entwicklung bereit, um Städte und Gemeinden als Wirtschafts- und Wohnstandorte zu stärken. Seit dem Jahr 1990 wurden die Programme ausdifferenziert, um etwa Innenstädte und Ortsteilzentren zu stärken, den Denkmalschutz zu unterstützen, ehemalige Militär- und Bahnflächen zu aktivieren oder Maßnahmen der „sozialen Stadt“ mitzufinanzieren.

Seitdem sind fast 1,8 Mrd. Euro aus diesem Programm in 427 bayerische Kommunen geflossen. Das damit angestoßene Investitionsvolumen betrug ein Vielfaches dieser Summe, zumal etwa der Bund in der Regel nur ein Drittel der Kosten trägt. In Mittelfranken kamen seit 1971 Finanzhilfen von 655 Mio. Euro für 121 Gemeinden aus den Töpfen von EU, Bund und Land an, der EU-Anteil liegt hier bei 31,7 Mio. Euro. Nimmt man den kommunalen Eigenanteil von 385 Mio. Euro dazu, ergibt sich in Summe ein Fördervolumen von 1,04 Mrd. Euro.

Förderung aus Brüssel

Die EU-Strukturfondsförderung finanziert mit dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) Maßnahmen zur nachhaltigen Stadtentwicklung. EU-Mittel stehen beispielsweise auch bereit, um schadstoffbelastete Böden zu sanieren oder um Zinszuschüsse für betriebliche Darlehen zu gewähren, die die lokale Wirtschaft stärken sollen.

Der Klassiker der Programme ist die „Städtebauliche Sanierung und Entwicklung“, die mit Einführung des Städtebauförderungsgesetzes im 1971 an den Start ging und fast 20 Jahre das einzige Bund-Länder-Programm zur Städtebauförderung war. Mit den Entwicklungsmaßnahmen sollen beispielsweise neue Wohnquartiere geschaffen oder eine Innenentwicklung durch neue Nutzungseinheiten gefördert werden. In diesem Jahr gehen aus diesem Topf knapp 800 000 Euro nach Mittelfranken. Davon u.a. die Gredinger Altstadt, der Stadtkern von Lauf a.d. Pegnitz und der Ortskern von Neukirchen am Sand. Die größte Einzelposition von fast 290 000 Euro fließt in die Weißenburg Altstadt.

Integrativer Ansatz

Beim 1999 aufgelegten Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ soll einer sozialen und räumlichen Polarisierung aktiv begegnen. Das Programm verfolgt damit einen integrativen Ansatz: Investitionen der Stadterneuerung in Gebäude und Wohnungen sowie in Wohnumfeld und Infrastruktur werden durch Maßnahmen ergänzt, die das soziale Umfeld der Einwohner verbessern sollen. Dazu zählen etwa die Förderung von Ausbildung und Qualifizierung sowie die Betreuung von Jugendlichen.

In diesem Jahr werden in Mittelfranken sechs Programmgebiete in Fürth, Nürnberg, Schwabach und Zirndorf mit insgesamt zwei Mio. Euro gefördert. Von den Zuwendungen wird in Schwabach ein fast 500 Jahre altes Gebäudes in der Kappadocia 9 mit 270 000 Euro weiter saniert. Nach zwei Jahren Leerstand soll das Baudenkmal ab dem Spätherbst mit dann acht Wohnungen und zwei Ladengeschäften bezugsfertig sein. Im Nürnberger Programmgebiet Altstadt-Süd wird ein weiterer Finanzierungsabschnitt im Volumen von 1,1 Mio. Euro für die Sanierung des Luitpold-Hauses als Herzstück der totalsanierten Stadtbibliothek geleistet. In die Fürther Innenstadt und den Zirndorfer Stadtkern fließen jeweils weitere 300 000 Euro.

Das Programm „Stadtumbau West“ für Städte in den alten Bundesländern wurde als Flankenschutz für den wirtschaftlichen und demografischen Strukturwandel im Jahr 2004 aufgelegt. Die Grundlage bildete das bundesweite Forschungsprojekt Experimenteller Wohnungs- und Städtebaus (ExWoSt). Aus den dort gewonnenen Erfahrungen, sollen Städtebau- und Wohnungspolitik per Wissenstransfer weiterentwickelt werden. Unterstützt wurde u.a. das im Sommer vorgestellte Nürnberger Handbuch „Klimaanpassung – Bausteine für die Nürnberger Anpassungsstrategie“.

Aus den Kassen von Bund und Ländern fließen heuer 1,7 Mio. Euro nach Mittelfranken. Davon jeweils 30 000 Euro für die Gewerbebranche Mühlgründlein in Burghaslach und in die Hersbrucker Altstadt. Höchstadt a.d. Aisch erhält für den Stadtkern und die Gewerbebrache Manz-Fortuna 210 000 Euro. Nürnberg-West und der Altstadtbereich Roth bekommen je 600 000 Euro, der Rest geht in die Treuchtlinger Altstadt sowie nach Schwabach für Projekte in der Bahnhofstraße und auf dem Gelände der früheren O‘Brien-Kaserne.

Zentren ausbauen

Das Städtebauförderprogramm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ wurde 2008 aus der Taufe gehoben, um einem Funktionsverlust der zentralen Versorgungsbereiche entgegenzuwirken. Im Fokus stehen insbesondere Innenstadtzentren, vor allem in Städten mit größerem Einzugsbereich, Nebenzentren in Stadtteilen sowie Grund- und Nahversorgungszentren in Stadt- und Ortsteilen, aber auch von kleinen Gemeinden. Das Programm soll umfassenden Maßnahmen zugute kommen, die – wie oben am Beispiel Hauptmarkt dargestellt – die Bereiche Wirtschaft, Kultur, Wohnen, Arbeiten und Leben umfassen können.

Die Finanzhilfen können beispielsweise für Investitionen eingesetzt werden, um die Zentren besser zu profilieren. Die Städte und Gemeindem bekommen auf diese Weise Mittel, um den öffentlichen Raum durch die Neugestaltung von Straßen und Plätzen aufzuwerten oder um Gebäude zu modernisieren, die das Stadtbild in besonderem Maße prägen. Außerdem lässt sich das Geld auch für Bau- und Ordnungsmaßnahmen nutzen, um Grundstücke mit leerstehenden oder mindergenutzten Gebäuden zum Leben zu erwecken oder ein City-Management einzurichten.

Das Programm sieht für das laufende Jahr insgesamt 3,8 Mio. Euro für 20 mittelfränkische Kommunen vor: Nürnberg bekommt für die nördliche Altstadt mit dem Hauptmarkt 900 000 Euro, das ist fast ein Viertel des Fördervolumens. Ansbach kann 360 000 Euro und Erlangen 330 000 Euro einsetzen, um jeweils die Innenstadt voranzubringen. Aber auch Baiersdorf, Feucht, Happurg, Langenfeld, Oberasbach, Wassertrüdingen und Windsbach werden unterstützt.

Im Jahr 2009, knapp 20 Jahre nach der Einführung des Programms „Städtebaulicher Denkmalschutz“ in den neuen Bundesländern, ging dieses Förderinstrument auch in den alten Bundesländern an den Start. Aufgabe des Bund-Länder-Programms ist es, historische Ensembles, Stadtkerne oder Stadtquartiere mit ihrem besonderen Charakter in ihrer Gesamtheit für künftige Generationen zu erhalten.

Von den bayernweit 15,8 Mio. Euro für städtebaulichen Denkmalschutz gehen 2,5 Mio. Euro an 17 mittelfränkische Städte und Gemeinden. Pappenheim bekommt für die Altstadt 590 000 Euro und Hilpoltstein für den Stadtkern 450 000 Euro. Bei der Sicherung, Modernisierung und Erhaltung denkmalgeschützter Altstadtkerne werden zudem Allersberg, Burgbernheim, Heideck, Spalt und Uffenheim unterstützt.

Tipp: Broschüre "200 Jahre Nürnberg"

Die Entwicklung der Stadt Nürnberg in den letzten beiden Jahrhunderten lässt sich mit der Broschüre „Die Nürnberger Siedlungsentwicklung seit 1806“ anschaulich nachverfolgen. Darin dokumentiert das Stadtplanungsamt, wie Nürnberg bis zur heutigen Größe gewachsen ist.

Ausgehend vom mittelalterlichen Kern ist die Stadt Nürnberg in die Fläche und auch mit ihren Aufgaben gewachsen. Die Blockrandbebauungen der Gründerzeit, die am Ideal der Gartenstadt orientierten Arbeitersiedlungen oder das Langwasser der Nachkriegszeit: Die verschiedenen Epochen haben immer ihre Spuren hinterlassen. Für ausgewählte Siedlungsentwicklungen wird deren städtebauliche Grundstruktur nachvollziehbar dargestellt. Die Broschüre ist kostenlos im Dienstleistungszentrum Bau (Lorenzer Straße 30, Nürnberg) erhältlich und kann im Internet heruntergeladen werden.

Autor/in: 
Thomas Tjiang
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2012, Seite 55

 
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