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Barrierefreiheit

Weg mit den Stolpersteinen!

Geschäfte, Praxen und Bürogebäude, die leicht zugänglich sind, tragen zur Kundenbindung bei. Denn Barrierefreiheit dient nicht nur den Menschen, sondern wirkt sich als besonderes Qualitätsmerkmal auch wirtschaftlich positiv aus. Von Silke Stadler

Barrierefreies Bauen ist für sämtliche Lebenslagen bedeutsam, denn es nützt nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern auch älteren Menschen und Eltern, die mit dem Kinderwagen unterwegs sind. Nicht zuletzt profitieren auch Personen, die beispielsweise durch eine Verletzung zeitweise gehandicapt sind.

Deutschland steht vor großen demografischen Veränderungen: Nach einer Untersuchung des Statistischen Bundesamtes von 2012 wird der Anteil der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung in Deutschland zwischen 2005 bis 2020 um 15,5 Prozent steigen, während die gesamte Bevölkerung von 82,4 Mio. um drei Prozent auf 79,7 Mio. abnimmt. Steigen dürfte vor allem der Anteil der sogenannten „jungen Alten“, die zwar nicht mehr im Berufsleben stehen, aber weiterhin sehr aktiv am Leben teilnehmen. Bei ihnen kündigen sich körperliche Veränderungen als Anzeichen des Älterwerdens an, sie brauchen Hilfsmittel wie Brille, Stock oder Rollator. Geschäfte und Dienstleister, die ihre Räumlichkeiten barrierefrei gestalten, werden diese wichtige und kaufkräftige Zielgruppe auf Dauer an sich binden.

Verbunden mit dem Älterwerden ist heute der Anspruch und Wunsch vieler, möglichst lange unabhängig von fremder Hilfe zu leben. Aber viele ältere Menschen werden auch gezwungen sein, sich im Alter um vieles selber zu kümmern. Sei es, weil sie sich aus finanziellen Gründen keine Hilfsperson leisten können oder weil ihre Angehörigen nicht am selben Ort leben. Dabei muss diese erzwungene Selbstständigkeit nicht unbedingt von Nachteil sein, denn der Einkauf oder der Gang zum Friseur haben auch eine wichtige soziale Komponente. Sie bringen ältere Menschen dazu, die eigenen vier Wände zu verlassen, sich zu bewegen und Kontakte zu pflegen.

Hier setzt die ökonomische Dimension der Barrierefreiheit an: Denn um die Dinge des täglichen Bedarfs eigenständig regeln zu können (z.B. Einkauf beim Bäcker, Friseurbesuch, Arzttermin, Gespräch beim Steuerberater, Buchung im Reisebüro), müssen Erreichbarkeit, Nutzbarkeit und Ausstattung der Örtlichkeiten für ältere Menschen stimmen. Daraus resultiert langfristig ein Vorteil für diejenigen Unternehmen, die entsprechende Möglichkeiten oder Büros anbieten. Denn ältere Menschen, aber auch Mütter mit Kinderwagen werden dorthin gehen, wo es ihnen leicht fällt, sich entsprechend zu bewegen.

Um für diese Kundengruppen die richtigen Bedingungen zu schaffen, sind vor allem folgende Punkte zu beachten:

  • Zur Erreichbarkeit gehört, dass ein Laden, eine Agentur oder Ähnliches einen schwellenlosen Zugang hat. Bereits eine oder zwei Stufen können für ältere Menschen, aber auch für Eltern mit Kinderwagen ein unangenehmes oder sogar ein unüberwindbares Hindernis sein.
  • Türen müssen ausreichend breit sein. Konkret: Sie brauchen einen mindestens 90 Zentimeter breiten Durchgang und sie dürfen vor allem nicht schwergängig sein.
  • Ausreichende Bewegungsflächen müssen vorhanden sein. Das ist beispielsweise wichtig, um mit dem Rollator zwischen Regalen wenden oder um Türen richtig bedienen zu können.
  • Bei allen Menschen lässt im Alter die Sehkraft nach. Deswegen müssen gefährliche Glastüren oder die Kanten von Stufen markiert werden. Die richtige Ausleuchtung der Räume und der angebotenen Produkte sowie die Lesbarkeit von Hinweisen oder Preisschildern tragen ebenfalls zur besseren Orientierung bei.
  • Waren sollten so präsentiert werden, dass sie für einen älteren Menschen, der sich beispielsweise auf den Stock stützt, gut und sicher zu greifen sind.
  • Kassenausgänge sollten so breit sein, dass sie problemlos von Rollstuhlfahrern oder Kinderwagen passiert werden können.
  • Eine rollstuhlgerechte Toilette, aber auch von Sitzmöglichkeiten zum Ausruhen runden ein gutes barrierefreies Angebot ab.

Die Bayerische Bauordnung verlangt in Art. 48 für Verkaufsstätten Folgendes: “Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den Bereichen, die dem allgemeinen Besucherverkehr dienen, von Menschen mit Behinderung, alten Menschen und Personen mit Kleinkindern barrierefrei erreicht und ohne fremde Hilfe in der allgemein üblichen Weise zweckentsprechend genutzt werden können.“ Dies gilt beim Neubau, problematischer ist dagegen der Umbau im Bestand, bei dem sich nicht immer alles normgerecht realisieren lässt. Doch auch durch kleine Maßnahmen wie das Anbringen einer Rampe, um eine Stufen zu überwinden, kann ohne großen Investitionsaufwand die Situation verbessert werden.

Wie Barrierefreiheit im Detail richtig ausgeführt wird, ist in der DIN Norm 18040 - Teil 1 „Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude“, die 2010 erschienen ist, ausführlich dargestellt.

Dass Barrierefreiheit ein Thema von großer Brisanz ist, beweist auch eine Initiative des deutschen Einzelhandels. Unter der Trägerschaft des Handelsverbands Deutschland (HDE) und mit Unterstützung von „Wirtschaftsfaktor Alter“ (eine Initiative des nordrhein-westfälischen Familienministeriums und des niedersächsischen Sozialministeriums) wurde ein Projekt für „Generationenfreundliches Einkaufen“ entwickelt. In diesem Projekt werden bundesweit Geschäfte ausgezeichnet, die Kriterien für generationenfreundliches Einkaufen erfüllen. Seit Projektbeginn im März 2010 sind schon mehr als 2 000 Einzelhandelsunternehmen bundesweit nach diesen Kriterien zertifiziert worden. Ist ein Laden barrierefrei, trägt das zur langfristigen Kundenbindung bei, denn die Kundenzufriedenheit steigt. Geschäfte und Agenturen können sich somit Wettbewerbsvorteile schaffen, aber auch ihr Image als zukunftsoffenes Unternehmen für neue Generationen darstellen. Denn sie reagieren bewusst auf Veränderungen der gesellschaftlichen Trends und auf die Ansprüche, die die Kunden an den Handel stellen. Wichtig ist an dieser Initiative auch, dass sie mit der irrigen Auffassung aufräumt, dass Barrierefreiheit nur etwas mit behinderten Menschen zu tun hat. Barrierefreiheit bedeutet vielmehr für alle einen Gewinn.

Autor/in: Silke Stadler, ist Diplom-Wirtschaftsingenieurin und Vereidigte Sachverständige der Regierung von Oberbayern für barrierefreies und rollstuhlgerechtes Bauen und Wohnen (stadler@officekoncept.de, www.officekoncept.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2012, Seite 86

 
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