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Einzelhandelsflächen

Weniger auf die grüne Wiese?

Die Nürnberger City gehört für Investoren zu den interessantesten Lagen in ganz Deutschland. Das erhöht den Druck auf die traditionellen Geschäfte im Umland. Welche Auswirkungen hat das für den Immobilienmarkt?

Starke Umbrüche, von denen besonders traditionelle Familienbetriebe betroffen sind, kennzeichnen die aktuelle Lage des Einzelhandels: Der Online-Handel legt rasant zu, der demografische Wandel setzt sich fort, aber auch Finanzkrise und Energiewende werden Spuren in der Handelslandschaft hinterlassen. Damit einher gehen ein Wachstum der Handelsflächen und zugleich ein Konzentrationsprozess bei den Standorten.

Im Großraum Nürnberg addiert sich die Ladenfläche nach Berechnungen des Bezirksverbandes Mittelfranken des Handelsverbandes Bayern auf rund 2,5 Mio. Quadratmeter. Davon entfallen auf Erlangen 199 000, auf Fürth 270 000 und auf Nürnberg rund 1,06 Mio. Quadratmeter. In Nürnberg hat sich die Verkaufsfläche damit in den letzten zehn Jahren um mehr als ein Viertel erhöht. Mit gut 2,1 Quadratmetern Ladenfläche pro Kopf liegt Nürnberg deutlich über München (1,18) oder Hamburg (1,4) , im Bundesdurchschnitt sind es 1,4 Quadratmeter pro Kopf. Aus Sicht von Uwe Werner, Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern in Mittelfranken, besteht ein „deutlicher Flächenüberbesatz, der sich negativ auf die Produktivität pro Quadratmeter“ auswirke.

Gefragter Standort

Der statistische Durchschnitt sagt aber noch wenig über das Stadt-Land-Gefälle aus. „Der Handel in der Nürnberger Innenstadt brummt“, erklärt Werner. Ähnlich sieht es Herbert Winter, Nürnberger Niederlassungschef des Maklerkonzerns Engel & Völkers Commercial: „Hier wird gut verdient.“ Gerade für Filialisten aus dem Modebereich ist Nürnberg einer der wichtigsten Expansionsstandorte in Deutschland. So suchen beispielsweise die Modellabels TK Maxx oder Willy Bogner laut Winter händeringend 3 500 Quadratmeter ebenerdige Ladenfläche. Das US-Modeunternehmen Urban Outfitters eröffnet demnächst in der geschlossenen Hugendubel-Filiale in der Fußgängerzone.

Besonders begehrt bei Handelskonzernen ist die Karolinenstraße, die die Lorenzkirche mit dem Ludwigsplatz verbindet. Gemäß einer quantitativen Passantenzählung in der Nürnberger Innenstadt von Engel & Völkers zählt diese Ladenstraße in Deutschland zu den Top 20-Lagen. Zusammen mit den anderen Shopping-Straßen verfüge Nürnberg über die „größte zusammenhängende Fußgängerzone in Europa“.

Die Standortattraktivität macht der Engel & Völkers-Mannschaft und den anderen Maklern mit Handelsimmobilien das Leben schwer. Denn praktisch ist kaum eine leere Fläche zur weiteren Vermietung zu bekommen. Interessierte Filialisten, so weiß Winter aus der Praxis, kämen zu ihm und wollen ganz konkret ein Objekt in der Karolinenstraße und sagen auch die Hausnummer. Oftmals ist dann bei vermieteten Objekten eine Stange Geld im Spiel: „Geht ein Mieter freiwillig raus, kann dieser dafür eine ordentliche Abschlagszahlung extra bekommen.“ Hoffnungen setzt Engel & Völkers auf die Nebenstraßen der 1A-Lagen und auf das weitgehend verwaiste Quartier Maximum. Dort sei eine Revitalisierung angedacht, aber spruchreif sei dies noch nicht.

Immerhin ist die Zahl der Geschäfte im Nürnberger Stadtgebiet seit Anfang der 90er Jahre von 2 600 auf 3 000 gestiegen. Für das Wirtschaftsrathaus ist damit aber noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Bis zum Jahr 2020 könnten weitere 30 000 bis 60 000 Quadratmeter dadurch hinzukommen, dass der geschlossene Kaufhof in der Südstadt oder das verwaiste Quelle-Areal zu neuen Handelsstandorten entwickelt werden. Noch nicht mitgezählt seien mögliche neue Einkaufsmöglichkeiten am Nürnberger Flughafen.

Die Sogwirkung der Nürnberger Innenstadt auf nationale und internationale Anbieter begründet Uwe Werner mit der regionalen Insellage. Dort ließen sich Handelskonzepte testen, zur Marktreife weiterentwickeln oder wieder einstampfen. Darüber hinaus sei in der Nürnberger City auch gut zu verdienen. Die Einzelhandelszentralität des Nürnberger Marktforschers GfK gibt an, wie viel zusätzliche Kaufkraft, etwa durch Einkäufer aus dem Umland und Touristen, vorhanden ist. Liegt der Zentralitätswert bei 100 ist kein zusätzlicher Umsatz auszumachen, liegt er darunter, fließt sogar Kaufkraft ab. Für Nürnberg hat wurde der laut GfK sehr gute Wert von 132 berechnet. Zum Vergleich: Berlin schneidet laut der aktuellen GfK-Studie zur Einzelhandelszentralität mit einem mittelmäßigen Zentralitätswert von 106 ab.

Kaufkraft wandert ab

Vielfach hört der Handelsverband Klagen von Mitgliedsfirmen aus dem Umland, dass die Nürnberger Innenstadt Umsätze aus dem Umland „wie ein Staubsauger“ ansauge. Als mögliche Perspektive für den Handel im ländlichen Raum sieht er nur die Spezialisierung, etwa auf Land- und Trachtenmode oder Massivmöbel. Statt von ganz billig bis ganz teuer brauche es ein starkes Profil und eine klare Positionierung.

Weitere Probleme der Händler in den kleinen Städten und Gemeinden: Manchem inhabergeführtes Geschäft fällt es schwer, mit alten Sortimentstraditionen zu brechen und modischer und zeitgemäßer zu werden. „Mit Innovationen tut man sich oft schwer“, hat Immobilienspezialist Markus Machatschke, Chef der Nürnberger Dr. Machatschke Immobilien, beobachtet. Deshalb greift er auch bei Angeboten außerhalb des Städtedreiecks nicht sofort zu. „Wir überlegen vorher genau, ob und was man darauf machen kann.“

Zumal neue Nahversorgungszentren dem gewachsenen Handel oftmals schwer zusetzen. In Gunzenhausen wird etwa über die Ansiedlung von Lebensmittelmärkten eine Kaufkraftbindung in diesem Handelssegment von 180 erzielt. Für Werner ist das „Kannibalismus pur“ und für ein Mittelzentrum „nicht angemessen“.

Auch die Stadt Roth hat zurzeit mit ihren Einzelhandelsflächen zu kämpfen. Auf dem freien Gelände neben der Rothmühl-Passage soll sich den aktuellen Plänen zufolge ein Vollsortimenter ansiedeln und damit auch die Lücke wieder schließen, die der geschlossene Marktkauf hinterlassen hat. Das größere Problem sieht Werner in der Innenstadtbelebung. Dort sei zu wenig Frequenz, weil man „zu viel verkehrsberuhigt“ habe. „Wenn die Umsätze aber erst einmal erodieren, lässt sich das schwer aufhalten.“ Hilfe könnte von der Valentin-Passage kommen, deren Verbindungsfunktion zwischen Innenstadt mit Marktplatz und Rothmühl-Passagen restrukturiert und ausgebaut werden soll. Die Nürnberger Küspert & Küspert Immobilien hat ein Vermietungsmandat von der Frankfurter Internos bekommen, die das Objekt wiederum seit Jahresbeginn für den luxemburgischen Eigentümer Invista European Real Estate Trust Sicaf managt.

Immerhin hat Michél Giesche, Senior-Immobilienberater und Leiter Einzelhandel bei Küspert & Küspert, bereits Interessenbekundungen namhafter Filialisten vorliegen, mit konkreten Informationen rechnet er aber nicht vor Ende Oktober. Dann soll auch über Umbaumaßnahmen entschieden werden, um die einstige Marktkauf-Fläche an die Anforderungen der Filialisten anzupassen.

Generell sieht Küspert & Küspert, die bundesweit großflächigen Handelsobjekte betreuen, ländlich geprägte Regionen mit einem hohen Saldo an Auspendlern unter Druck. Denn Güter des kurzfristigen Bedarfs werden nicht mehr wohnraumnah eingekauft, sondern zunehmend arbeitsplatznah bzw. auf dem Weg von der Arbeit nach Hause erledigt. Für Giesche ist daher klar, dass die Innenstädte in ländlichen Unter- und Mittelzentren zukünftig „viel mehr an ihrem Erlebnis-Shopping arbeiten müssen, um den Konsumenten nicht auch noch beim Bummeln zu verlieren“.

In Erlangen gibt es zufriedene Gesichter, zumal die Stadt nicht den „Fehler einer Handelsansiedlung in Stadtrandlage“ gemacht habe, diagnostiziert Harald Bretting von der städtischen Wirtschaftsförderung. Stattdessen sorge der Einkaufstempel Arcaden für eine gut gefüllte Innenstadt mit dem „Kaufkraft zurückgewonnen“ worden sei.

Auch in Erlangen zeichnet sich eine Konzentration auf Top-Lagen ab, während alteingesessene Inhabergeschäfte zunehmend unter Druck geraten, wenn sie sich nicht durch ein besonderes Sortiment und kontinuierliche Investitionen positionieren. Mit zwei verkaufsoffenen Sonntagen soll die Kauflaune gerade in diesen Geschäften stimuliert werden. Das wird gerade für Textilanbieter nötig sein, denn der Hamburger Investor B&L Gruppe baut derzeit auf dem Areal der Grande Galerie gegenüber der Fußgängerzone Nürnberger Straße. Der dreigeschossige Neubau mit 50 Meter Schaufensterfront wird insgesamt ca. 9 000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche für drei bis vier Mieter bieten. Die Fertigstellung ist für den Herbst 2013 vorgesehen.

Neues Zentrum in Fürth

Für ein neues Einkaufszentrum mitten in Fürth rollen im nächsten Monat die Bagger an, um mit ersten Abbrucharbeiten Platz zu schaffen. Investor ist die MIB Immobilien und Beteiligungen, die entlang der Rudolf-Breitscheid-Straße mit dem Objekt Neue Mitte Fürth gut 12 000 Quadratmeter Verkaufsfläche schaffen will. Das Objekt, dass 2014 bezugfertig sein soll, hat bereits drei Mietverträge in der Tasche, darunter der Fashionfilialist s.Oliver. Größter Mieter wird die Textilkette C&A sein, die sich über 3 200 Quadratmeter gesichert hat.

Die Neue Mitte ist für Fürth besonders wichtig, da es mit der Komplettsanierung des in die Jahre gekommenen City-Centers nicht richtig vorangeht. Die komplizierte Struktur mit 351 Eigentümern ist das eine, das andere der – vermeintliche – neue Eigentümer TKN. Vermeintlich deshalb, weil TKN bereits Ende 2010 den Erwerb bekannt gab und für das letzte Frühjahr eine Neueröffnung prognostizierte. Hintergrundinformationen zufolge ist trotz eines unterschriebenen Vertrags der kolportierte Kaufpreis von 20 Mio. Euro noch nicht geflossen, zu veranschlagen sind außerdem noch einmal 50 Mio. Euro für die Sanierung. Dazu kommt eine immer wieder verschobene endgültige Schließung. Wegen dieser Unsicherheiten haben sich mehrere Ladeninhaber aus dem City-Center verabschiedet und im Umfeld der Innenstadt ein neues Domizil gesucht, andere verkaufen einfach weiter.

Hinter den Kulissen wird angeblich schon mit anderen Investoren verhandelt, um das Dauerdrama doch noch bis Jahresende 2012 in trockene Tücher zu bekommen. Immerhin geht es hier um über 26 000 Quadratmeter Ladenfläche, das ist die Hälfte der Geschäftsfläche in der Fürther Innenstadt. Immer wieder fällt in diesem Zusammenhang – wie übrigens auch bei der Nürnberger Handelsbrache Quelle – der Name ECE, die Nummer 1 der Einkaufscenter in Deutschland und in den Händen der Hamburger Versandriesen-Familie Otto. Doch in Hamburg winkt man auf Nachfrage ab, es gebe „leider derzeit keine Stellungnahme“. Allerdings sehe sich die ECE „grundsätzlich Standorte an, zu denen wir ein realistisches Center-Einzugsgebiet von über 200 000 Menschen berechnen“. Damit ist zwar kein Wort über Fürth gefallen, die Stadt mit rund 100 000 Einwohnern verfügt allerdings laut Handelsverband Bayern über ein Einzugspotenzial von rund 224 000 Einwohnern.

Neue Mitte und City-Center in Fürth oder das Nürnberger Quartier Maximum scheinen für einen neuen Trend in der Handelslandschaft zu stehen: Die Handelsforscher vom Kölner EHI Retail Institute erklären in ihrem „Shopping-Center 2012 Report“, dass „Revitalisierungen bestehender, meistens innerstädtischer Flächen“ aktuell hoch im Kurs stünden. Bundesweit sei zuletzt nur noch wenig in große Einkaufszentren auf der grünen Wiese investiert worden. Stattdessen gehe es in die Herzen der Einkaufsstädte oder in die Stadtteile oder in mittelgroße Städte. Außerdem begnügten sich die neu entstandenen Center mit einer vergleichsweise bescheidenen Größe von 10 000 bis 20 000 Quadratmetern.

Die flächenmäßige Bescheidenheit resultiert aus einer gewissen Vorsicht der Investoren, die nach der Finanzkrise und in der aktuellen Euro-Krise zurückhaltender agieren. Zudem gelten die mit der Energiewende immer schneller wachsenden Energiekosten als zusätzliche Belastung für die relativ dünne Ertragslage im Handel. Zudem stehen erhebliche Investitionen in die Effizienz vor allem von Beleuchtung sowie Kühl- und Klimatechnik an.

Herausforderungen im Internet

Die International Council of Shopping Centers (ICSC) – die internationale Dachorganisation der Einkaufszentrum-Branche – hat den stark steigenden Online-Handel als größte Herausforderung für die Branche ausgemacht. Die Einzelhändler müssten deshalb Wege finden, um den Internet-Handel und die Präsenz vor Ort gewinnbringend zu kombinieren. Dem Einzelhandel prognostiziert der ICSC zunehmend kompaktere Formen mit insgesamt weniger Verkaufsfläche.

Diese Entwicklung ist in den USA bereits fortgeschritten und wird für Deutschland erwartet. Auch der Handelsverband Bayern sieht den stationären Einzelhandel einem „harten Verdrängungswettbewerb“ durch den Online-Vertriebsweg ausgesetzt. Zuletzt sprang das Shopping per Mausklick in Bayern erneut um rund zehn Prozent auf rund 4,7 Mrd. Euro.

Außerdem mahnt der Handelsverband erneut, dass sich die Händler aktiver dem demografischen Wandel stellen müssten. Gefragt seien neue Gestaltungen der Geschäfte, neue Sortimente sowie verbesserte Serviceleistungen für die Generation „50plus“. Die Klassifizierung mit dem verbandseigenen Qualitätssiegel „Generationenfreundliches Einkaufen“ bestätigt anhand eines Kriterienkataloges den barrierearmen Einkauf auch für Menschen mit Kinderwagen, Rollator oder Rollstuhl. Insbesondere der Seniorenmarkt ist laut Branchenexperten einer der wenigen Märkte, die in der Zukunft wachsen werden.

Bei einem künftigen Flächenmanagement für den Einzelhandel setzt Giesche von Küspert & Küspert etwa auf City-Manager, um in Innenstadtlagen „verschiedene Eigentümer zur Zusammenlegung von kleinteiligen Ladenflächen“ zu bewegen. Auf diese Weise könnten entsprechend große Flächen geschaffen werden, die für Filialisten interessant seien. In Stadtteilzentren sollte das Thema Markenbildung, wie z.B. die Marke „GoHo“ für den Nürnberger Stadtteil Gostenhof, durch sogenannte „Business Improvement Districts“ (BID) unterstützt werden.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2012, Seite 60

 
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