Telefon: +49 911 1335-1335

Genossenschaftsverband

Scharfe Kritik an EU-Bankenaufsicht

Prof. Stephan Götzl, seit 2005 Präsident des Genossenschaftsverbandes Bayern, ist in den letzten Wochen und Monaten viel unterwegs gewesen – bei deutschen und europäischen Bankengremien ebenso wie bei Politikern in Brüssel, Berlin und München. An allen Orten kämpft er gegen die Bankenunion, die in der Euro-Zone alle 6 000 Banken und Geldinstitute unter europäische Aufsicht stellen soll.

Ursprünglich war der 1. Januar 2013 als Start vorgesehen, doch ist die praktische Umsetzung auf dem EU-Gipfel im Oktober nach hinten verschoben worden – und damit auch der Zeitpunkt des Praxiseintritts für die kleinen und mittleren Institute wie die deutschen Genossenschaftsbanken und Sparkassen.

Götzl vertritt die Auffassung, dass der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission von machtpolitischem Kalkül motiviert sei: Die Kompetenzen für Brüssel sollen demnach verstärkt, der Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) dagegen Entscheidungsbefugnisse entzogen werden. Damit einher gehen würden Wettbewerbsvorteile für die grenzüberschreitenden Großbanken, die nach Worten Götzls die Finanzkrise ausgelöst hätten – zu Lasten der regionalen Geldhäuser, die sich in der Vergangenheit als stabilisierend erwiesen hätten. Für Götzl, der sich im Rahmen eines Pressegesprächs in Nürnberg äußerte, ist das die reinste Willkür. Denn es wäre ausreichend, diejenigen Institute zentral zu beaufsichtigen, die ein tatsächliches Risiko für die Solidität des Finanzsystems darstellen. Die Zuständigkeit für Genossenschaftsbanken und Sparkassen solle dagegen weiterhin bei den nationalen Behörden angesiedelt bleiben.

Durch die zentrale Einlagensicherung im Zuge der Bankenunion sieht Götzl die fatalen Anreize für ein übersteigertes Risikoverhalten noch verstärkt: „Mittel, die heute dem Schutz von Kunden deutscher Kreditgenossenschaften dienen, würden zweckentfremdet, die genossenschaftliche Institutssicherung in Deutschland müsste für Haftungsansprüche von Anlegern im europäischen Ausland aufkommen.“

Als Folge einer Europäisierung der Einlagensicherung sind laut Götzl jene Institute mit riskanten Geschäftsmodellen im Vorteil, die ihren Kunden höhere Verzinsungen versprechen: „Konkret könnte dies dazu führen, dass deutsche Anleger zunehmend Gelder bei ausländischen Instituten mit zweifelhafter Bonität anlegen. Diese Einlagen würden insbesondere den Regionalbanken zur Refinanzierung des deutschen Mittelstands – mit allen daraus erwachsenden volkswirtschaftlichen Konsequenzen – fehlen.“

Im Rahmen des Pressegesprächs prophezeite Götzl vor dem Hintergrund der verhaltenen Konjunktur und des niedrigen Zinsniveaus, dass die Betriebsergebnisse der Genossenschaftsbanken im Geschäftsjahr 2012 „unterhalb des Niveaus der letzten Jahre“ liegen dürften. Darauf wollen die Banken mit der Verschlankung interner Abläufe und einer umfassenden Internet-Strategie reagieren, aber auch mit der Verringerung von Durchlaufzeiten, wie der mittelfränkische Verbandspräsident Manfred Geyer aus Ansbach ergänzte. So sollen Kreditzusagen künftig innerhalb weniger Tage möglich werden. Verhaltene Freude zeigte er über ein deutliches Plus beim Firmenkundengeschäft, das zum Teil auch dem Umstand zu verdanken sei, dass sich Großbanken aus der Fläche zurückgezogen hätten. Götzl: „Es wird von den Unternehmenslenkern wieder mehr Wert auf eine örtliche Beziehung gelegt.“

Autor/in: 

ug.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2012, Seite 58

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick