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EU-Patent

Innovation europaweit

Ein Durchbruch wurde beim einheitlichen Patentschutz innerhalb der Europäischen Union erzielt: Am 11. Dezember 2012 hat das Europäische Parlament das sogenannte „EU-Patentpaket“ verabschiedet.

Das „Paket“ enthält drei wichtige Entscheidungen zu den Themen einheitlicher Patentschutz, anzuwendende Übersetzungsregelungen und einheitliches Patentgericht. Von den 27 EU-Staaten werden lediglich Spanien und Italien nicht an der Reform des Europäischen Patentsystems teilnehmen. Sollten sie ihre ablehnende Haltung aufgeben, können die beiden Länder aber jederzeit beitreten.

Die Neuregelung zum „Patent mit EU-weiter Erstreckung“ bedeutet, dass EU-Patente automatisch in 25 Mitgliedsstaaten wirksam werden. „Das bringt erhebliche Vorteile gegenüber dem bisher geltenden Verfahren“, erläutert Dr. Elfriede Eberl, Referentin für Innovationsmanagement und Technologietransfer bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken. Bis dato müssen europäische Patente nämlich in nationale Patente konvertiert werden – was Erfindern erheblichen Aufwand und hohe Kosten beschert: Wer seine Produkte und Verfahren europaweit schützen lassen will, muss sie bislang beim Europäischen Patentamt (EPA), einer zwischenstaatlichen Einrichtung der Europäischen Patentorganisation, zum Patent anmelden. Sind die einschlägigen Voraussetzungen erfüllt, erteilt das EPA das sogenannte Europäische Patent.

Nationale Umsetzung erforderlich

Anders als diese Bezeichnung vermuten lässt, ist es jedoch nicht automatisch in den einzelnen Mitgliedsstaaten wirksam, sondern muss für jeden einzelnen Staat validiert werden. So fallen für jedes Land Übersetzungs- und Verwaltungskosten an: Der Patentschutz für die gesamte EU kann im Durchschnitt mit bis zu 36 000 Euro zu Buche schlagen; mit rund 23 000 Euro geht dabei der Löwenanteil auf das Konto der obligatorischen Übersetzungen. Dazu kommen noch die Gebühren, die jährlich für die Aufrechterhaltung des Patents zu zahlen sind – und zwar in jedem Land separat.

Die beschlossene Neuregelung des Europäischen Patentsystems soll dieses aufwändige und kostspielige Verfahren vereinfachen: Patente mit EU-weiter Erstreckung werden automatisch in allen EU-Staaten – ausgenommen in Spanien und Italien – validiert. Die Anträge zur Erteilung dieses einheitlichen EU-Patents können auf Englisch, Französisch oder Deutsch eingereicht werden. Anträge in anderen Sprachen sind in eine dieser drei Sprachen zu übersetzen. Die Übersetzungskosten für kleine und mittlere Unternehmen, gemeinnützige Organisationen, Universitäten und öffentliche Forschungseinrichtungen will die EU erstatten.

Das einheitliche EU-Patent wird die Ausgaben für den Schutz von Erfindungen erheblich senken. Sobald das neue System voll funktionstüchtig ist, könnte nach Angaben der EU-Kommission ein EU-Patent nur circa 4 00 Euro kosten. Vor diesem Hintergrund bezeichnete Bernhard Rapkay, Berichterstatter des EU-Parlaments für die Hauptverordnung zur Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes, die Entscheidung des EU-Parlaments als „gute Nachricht“ für die EU-Wirtschaft und insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. „Geistiges Eigentum darf nicht an der Grenze aufhören. Der Weg zur Einführung des EU-Patents war lang und schwierig, aber es hat sich letztendlich gelohnt“, so der Abgeordnete.

Der Anfang dieses Wegs liegt bereits in den 1960er Jahren, aber die Einführung eines supranationalen Systems gewerblicher Schutzrechte stieß immer wieder an Hindernisse. Die EU-Kommission unternahm seit 2000 mehrere Anläufe, ein einheitliches EU-Patent einzuführen. Sie scheiterten unter anderem am Übersetzungsproblem, denn die Auswahl der zulässigen Sprachen für die Patentanmeldung blieb strittig.

Läuft alles nach Plan, können die ersten Patente mit EU-weiter Erstreckung im Jahr 2014 erteilt werden. Das internationale Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Patentgerichts wird am 1. Januar 2014 in Kraft treten, oder sobald die Ratifizierung durch 13 Vertragsstaaten (darunter Großbritannien, Frankreich und Deutschland) erfolgt sein wird.

Nachdem die legislativen Hürden genommen sind, soll das „EU-Patentpaket“ frischen Schwung in die europäische Innovationspolitik und für die Wettbewerbsfähigkeit bringen. Bei einer rein quantitativen Betrachtung der Patentanmeldungen, die als ein Indikator für die Innovationsleistung gelten, landet Europa in der globalen Statistik nämlich hinter den anderen Schwergewichten der Weltwirtschaft: 2011 wurden in den USA 224 000 Patente erteilt, in China 172 000, in Europa dagegen nur 62 000.

Bürokratische Hürden sinken 

Ob die Einführung des EU-Patents diese Relation grundlegend ändern wird, bleibt fraglich. Unstrittig ist jedoch, dass die bürokratischen Hürden beim länderübergreifenden Schutz des geistigen Eigentums deutlich sinken. „Insofern ist die Einführung des EU-Patents ein wichtiger Schritt“, unterstreicht Dr. Elfriede Eberl. Gleichzeitig warnt die Expertin für Innovationsmanagement davor, die Erwartungen an die Neuregelung des Europäischen Patentsystems zu hoch zu schrauben. Auch nach der Vereinfachung des bislang komplexen Verfahrens dürften die Patentanmeldungen von kleinen und mittleren Unternehmen in Europa nicht sprunghaft ansteigen – dafür seien die Ursachen, die gerade den Mittelstand von den Patentämtern fernhält, zu vielschichtig. Bei der Entwicklung neuer Produkte und Technologien gelte der Mittelstand zwar als Innovationsmotor, dennoch sei diese Gruppe in der Patentstatistik unterrepräsentiert.

Elfriede Eberl sieht dafür mehrere Gründe: „Zum einen entscheiden sich Unternehmen bewusst für die Geheimhaltung des eigenen Know-hows. Zum anderen wird möglicherweise die Bedeutung des gewerblichen Rechtschutzes unterschätzt bzw. nicht für eigene Wettbewerbsvorteile eingesetzt und genutzt.“ Hier sei ein Umdenken nötig: Die Globalisierung erfordere eine stärkere Sensibilisierung für den Schutz des eigenen Know-how. Stand früher bei den Überlegungen zum Für und Wider einer Patentanmeldung für ein Unternehmen die Frage „Was bringt es?“ im Vordergrund, geht es jetzt immer mehr um die Frage „Was schadet es, wenn ich es unterlasse?“ Der Präventionsgedanke spiele heute eine weit stärkere Rolle, fasst die IHK-Referentin diesen Trend zusammen. Deshalb sollten sich nicht nur Großunternehmen mit dem strategischen Patentmanagement auseinandersetzen.

Autor/in: 
aw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2013, Seite 12

 
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