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Arbeitsrecht

Der dritte Mann

In vielen Betrieben sind Personen beschäftigt, die nicht Arbeitnehmer des eigenen Unternehmens sind - beispielsweise Leiharbeiter, freie Mitarbeiter oder Praktikanten. Was ist beim sogenannten Einsatz von Dritten rechtlich zu beachten? Von Prof. Dr. Rolf Otto Seeling; Illustration: Anton Atzenhofer

Die Leiharbeit ist das bekannteste Beispiel für einen Einsatz „betriebsfremder“ Personen im eigenen Unternehmen. Viele Firmen sehen darin eine geeignete Möglichkeit, Auftragsspitzen flexibel zu bewältigen und den rigiden deutschen Kündigungsschutz etwas abzufedern. Zudem wird die Leiharbeit gerne dazu verwendet, potenzielle neue Mitarbeiter zu erproben. Im Jahr 2011 hat der Gesetzgeber jedoch die Möglichkeiten der Leiharbeit eingeschränkt, in einer Reihe von Branchen brachten zudem neue Tarifverträge Erschwernisse für die Leiharbeit mit sich.

Es gibt neben den Leiharbeitern aber auch noch andere „Dritte“, die im eigenen Betrieb tätig sein können – beispielsweise Selbstständige, Praktikanten oder Mitarbeiter von Geschäftspartnern, mit denen Dienst- oder Werkverträge abgeschlossen wurden. Bei all diesen Beschäftigungsformen droht erhebliches Konfliktpotenzial und es gilt, Rechtsverstöße zu vermeiden.

Dienst- oder Werkverträge

Der Selbstständige ist der Gegenpol zum Arbeitnehmer: Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch (HGB) gilt als selbstständig, wer seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit selbst bestimmen kann. Selbstständige, die regelmäßig für denselben Auftraggeber tätig werden, nennt man auch freie Mitarbeiter. Ein Arbeitnehmer dagegen ist weisungsabhängig von seinem Arbeitgeber und arbeitet fremdbestimmt.

Wenn man einen Selbstständigen im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages beschäftigt, müssen die rechtlichen Vorschriften genauestens eingehalten werden. Denn sonst ist der Selbstständige womöglich rechtlich als Arbeitnehmer anzusehen und es besteht ein verdecktes Arbeitsverhältnis – mit allen Rechten und Pflichten für den Arbeitgeber, der dann auch sämtliche Arbeitnehmerschutzgesetze beachten muss. So muss er beispielsweise statt der Vergütung für eine Dienstleistung oder Werkleistung eine Vergütung für die Arbeitsleistung bezahlen – mit allen Folgen (Sozialversicherung, Lohnsteuer) und auch rückwirkend seit dem Bestehen des Vertragsverhältnisses.

Wie kann nun beurteilt werden, ob der Selbstständige korrekt im Zuge des Dienst- oder Werkvertrages im Betrieb tätig ist oder ob er de facto zum Arbeitnehmer geworden ist? Wichtig ist: Für diese Beurteilung kommt es nicht auf die vertragliche Gestaltung der Parteien an, maßgeblich ist die objektive Gesamtbetrachtung der jeweiligen Tätigkeit. Die Rechtsprechung hat eine Reihe von Kriterien entwickelt, mit denen sich selbstständige und abhängige Tätigkeiten abgrenzen lassen. Folgende Indizien sprechen in aller Regel dafür, dass ein Arbeitsverhältnis vorliegt:

  • Die Tätigkeit wird regelmäßig nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt.
  • Im selben Unternehmen sind „normale“ Arbeitnehmer mit den gleichen Aufgaben beschäftigt wie der vermeintlich selbstständige Auftragnehmer.
  • Der Auftraggeber kann innerhalb eines zeitlich bestimmten Rahmens über die Arbeitsleistung verfügen.
  • Der Auftragnehmer hat nur einen Auftraggeber.
  • Die Arbeit wird vom Auftraggeber „zugewiesen“.
  • Die Tätigkeit des Auftragnehmers wird in einen Dienstplan aufgenommen.
  • Der Auftragnehmer muss sich seinen Urlaub vom Auftraggeber genehmigen lassen.
  • Der Auftragnehmer hat einen eigenen Arbeitsplatz im Unternehmen.

Sollte auch nach der Analyse dieser Kriterien noch ein Zweifel bestehen, wie der Selbstständige einzuordnen ist, kann ein Statusverfahren gemäß § 7 a SGB IV (Sozialgesetzbuch) bei der Deutschen Rentenversicherung Bund angestrengt werden.

Vergleichbare Abgrenzungsprobleme bei Dienst- oder Werkverträgen entstehen, wenn Mitarbeiter des Auftragnehmers im Betrieb des Kundenunternehmens tätig sind. Grundsätzlich ist eine solche Vertragsgestaltung selbstverständlich zulässig. Der beauftragte Unternehmer organisiert selbst die Handlungen, die zur Durchführung des Auftrags notwendig sind, und bedient sich dabei seiner Arbeitnehmer als seiner Erfüllungsgehilfen. Dienst- oder werkvertragliche Anweisungen kann der beauftragende Unternehmer jederzeit erteilen, diese sind sachbezogen oder ergebnisorientiert. Das beauftragte Unternehmen hat selbstverständlich weiterhin das arbeitsvertragliche Weisungsrecht gegenüber seinen Arbeitnehmern, dieses Recht ist personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert.

Wenn die rechtlichen Vorgaben nicht genau eingehalten werden, besteht die Gefahr, dass die Arbeitnehmer dritter Unternehmen juristisch gesehen nicht im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages eingesetzt werden, sondern dass in Wirklichkeit eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Die rechtlichen Konsequenzen sind gravierend: Zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer kommt – gegebenenfalls rückwirkend – ein Arbeitsverhältnis zustande (gemäß § 10 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz AÜG). Der Entleiher haftet auf rückständige Sozialversicherungsbeiträge und nicht abgeführte Lohnsteuer. Verleiher und Entleiher setzen sich der Gefahr aus, Ordnungswidrigkeiten zu begehen (§ 16 AÜG).

Zur Vermeidung von Rechtsverstößen ist also darauf zu achten, dass auch wirklich Dienst- oder Werkverträge abgeschlossen und diese in der Praxis auch als solche durchgeführt werden. Folgende Abgrenzungskriterien, die von der Rechtsprechung entwickelt wurden, sprechen dafür, dass eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vorliegt:

  • Die Mitarbeiter des beauftragten Unternehmens sind fest in die betriebliche Organisation des Auftraggebers eingegliedert.
  • Der Auftraggeber, in dessen Betrieb die Mitarbeiter tätig sind, übt das arbeitsrechtliche Weisungsrecht aus.
  • Der Gegenstand der Leistungen, die im Dienst- oder Werkvertrag festgelegt wurden, kann nicht klar von anderen Tätigkeiten im Betrieb des Auftraggebers abgegrenzt werden.
  • Das Unternehmen, das die Mitarbeiter zur Verfügung stellt, trägt kein Unternehmerrisiko, insbesondere keine Gewährleistung.

Um Schwierigkeiten zu vermeiden, kann es hilfreich sein, wenn der beauftragte Unternehmer über die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt. Ein dem Statusverfahren gemäß § 7 a SGB IV vergleichbares Verfahren gibt es nicht.

Praktikanten

Häufig werden in den Betrieben Praktikanten eingesetzt, die aber voll in die betrieblichen Abläufe integriert sind und eine vergleichbare Arbeit wie die fest angestellten Mitarbeiter leisten. Es ist jedoch nicht Sinn und Zweck eines Praktikums, andere Beschäftigte zu ersetzen. Ein Praktikantenverhältnis im rechtlichen Sinne kommt nämlich nur während des Laufes einer Ausbildung in Betracht, wobei der Ausbildungszweck im Vordergrund stehen muss. Nach abgeschlossener Ausbildung ist ein Praktikum im rechtlichen Sinne nicht mehr möglich. Ein Praktikum, das im Rahmen einer Ausbildung absolviert wird, gilt nicht als reguläres Arbeitsverhältnis – und zwar unabhängig von der Frage, ob die Beschäftigung unentgeltlich oder entgeltlich erfolgt. Leistet dagegen jemand neben seiner Ausbildung entgeltlich Arbeit in einem Unternehmen, etwa zur Finanzierung eines Studiums, handelt es sich um ein normales Arbeitsverhältnis.

Wenn die rechtlichen Vorschriften nicht beachtet werden, besteht die Gefahr, dass ein vermeintliches Praktikum in Wahrheit als Arbeitsverhältnis anzusehen ist – z.B. wenn das vereinbarte Praktikum in der Ausbildung des „Praktikanten“ gar nicht vorgesehen ist. Selbst wenn der „Praktikant“ in einem solchen Fall nur wenige Tage oder gar Stunden (mit-)arbeitet, wird ein Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten begründet. Auch ein „Praktikum“, das nach Abschluss der Ausbildung absolviert wird und für das eine Vergütung gezahlt wird, ist als Arbeitsverhältnis anzusehen. In der Praxis ist dies vielen Unternehmen auch bewusst: Sie bezeichnen diese Mitarbeiter deshalb nur im internen Sprachgebrauch als Praktikanten, führen sie aber korrekterweise als Arbeitnehmer und melden sie auch bei der Sozialversicherung an. Das Problem besteht hier aber darin, dass die Vergütung meist zu niedrig angesetzt ist und damit als sittenwidrig gelten kann. Dies hat zur Folge, dass tatsächlich die ortsübliche Vergütung geschuldet wird und – selbstverständlich auch rückwirkend – eingeklagt werden kann.

Zur Vermeidung von Rechtsverstößen empfiehlt es sich, Personen nach abgeschlossener Ausbildung generell nicht mehr als „Praktikanten“ zu beschäftigen. Soll ein potenzieller neuer Mitarbeiter unentgeltlich Gelegenheit erhalten, sich vor Ort über die in Rede stehende Tätigkeit zu informieren, kommt ein sogenanntes „Einfühlungsverhältnis“ in Betracht. Hierbei ist darauf zu achten, dass der potenzielle Mitarbeiter keinerlei Tätigkeiten verrichtet, sondern lediglich anderen Mitarbeitern zuschaut. Kurzum: Für rechtlich korrekte Praktika gibt es nur einen außerordentlich engen Anwendungsbereich.

Schwarzarbeit

Insbesondere beim Einsatz von Selbstständigen ist darauf zu achten, dass keine Schwarzarbeit vorliegt. Deren Rechtsfolgen sind auch für den Auftraggeber gravierend und werden in aller Regel als Ordnungswidrigkeiten und Straftaten behandelt.

Es sollte vor allem darauf geachtet werden, dass der Vertragspartner seine Tätigkeit ordnungsgemäß bei den zuständigen Behörden und beim Finanzamt angemeldet hat und seine Vergütung ordnungsgemäß versteuert. Es empfiehlt sich, folgende Aspekte zu beachten:

  • Gewerbeanmeldung überprüfen
  • Anmeldung beim Finanzamt überprüfen
  • auf korrekte Rechnungen achten
  • keine Bargeschäfte tätigen

Es lässt sich also festhalten, dass der Einsatz von Dritten im Unternehmen mit hohen Risiken behaftet ist, die durch geeignete Maßnahmen minimiert werden müssen. Scheindienst- oder Scheinwerkverträge führen sowohl bei der Beschäftigung von Selbstständigen als auch bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern Dritter dazu, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem Auftraggeber entsteht. Dieser haftet rückwirkend insbesondere für nicht abgeführte Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge. Wer nicht ausreichend Vorsorge trifft, gerät zudem in Gefahr, unberechtigterweise Praktikanten zu beschäftigen oder sich der Schwarzarbeit schuldig zu machen. Es empfiehlt sich deswegen eine genaue Prüfung, um rechtliche Probleme und finanzielle Nachteile zu verhindern.

Autor/in: 

Rechtsanwalt Prof. Dr. Rolf Otto Seeling

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 ist Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie für Handels- und Gesellschaftsrecht bei der Kanzlei Fries Rechtsanwälte Partnerschaft in Nürnberg. Zudem lehrt er Wirtschaftsrecht an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Nürnberg (www.friesrae.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2013, Seite 22

 
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