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Berufliche Ausbildung

Auf Herz und Nieren geprüft

Den kaufmännischen Auszubildenden werden in den Zwischen- und Abschlussprüfungen deutschlandweit dieselben Aufgaben gestellt. Entwickelt werden sie in einem streng festgelegten Verfahren von der AkA-Aufgabenstelle in Nürnberg.

Bundeseinheitliche Prüfungen an den allgemeinbildenden Schulen sind Zukunftsmusik, ein Zentralabitur für ganz Deutschland ist nicht in Sicht. Anders in der beruflichen Bildung: Seit vielen Jahren bearbeiten die kaufmännischen Auszubildenden in den IHK-Zwischen- und Abschlussprüfungen der einzelnen Ausbildungsberufe von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen zur selben Zeit dieselben schriftlichen Aufgaben.

Insgesamt legen derzeit pro Jahr etwa 360 000 Teilnehmer ihre Abschlussprüfung vor den Industrie- und Handelskammern ab, davon über 300 000 mit zentral erstellten schriftlichen Prüfungsaufgaben. Dass jeder Kandidat am Tag X eine DIN A4-Mappe mit dem richtigen Aufgabensatz vor sich liegen hat, setzt eine starke Institution hinter den Kulissen voraus. Verantwortlich für die „Bereitstellung von schriftlichen Prüfungsaufgaben für kaufmännisch und kaufmännisch-verwandte Ausbildungsberufe“ ist die „Aufgabenstelle für kaufmännische Abschluss- und Zwischenprüfungen“ (AkA), die bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken angesiedelt ist. Von den 158 200 Nachwuchskaufleuten, die am 6. und 7. Mai ihre Abschlussprüfungen schrieben, saßen etwa 142 000 über Aufgaben aus der Feder der AkA, die übrigen Teilnehmer erhielten ihre Fragen von der ZPA Nord-West, der Zentralstelle für Prüfungsaufgaben in Köln.

Die AkA wurde 1974 von den Industrie- und Handelskammern in Bayern und Hessen als „Gemeinschaftseinrichtung zur überregionalen Aufgabenerstellung“ gegründet. Die Geschäftsführung und Vertretung der AkA wurden der IHK Nürnberg für Mittelfranken übertragen. Zum AkA-Verbund gehören inzwischen die 45 IHKs der Bundesländer Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Die Liste der Berufe, die in die Zuständigkeit der AkA fallen, umfasst derzeit 27 Einträge, von A wie Automobilkaufmann/-frau bis V wie Verkäufer/Verkäuferin. Den Großteil der Prüflinge stellen die „Klassiker“ unter den kaufmännischen Ausbildungsberufen wie Bürokaufleute, Industriekaufleute, Kaufleute für Bürokommunikation und Bankkaufleute. Insgesamt liefert die AkA pro Jahr rund 350 000 Aufgabensätze für Abschlussprüfungen und etwa 165 000 Aufgabensätze für Zwischenprüfungen aus, die jeweils an zwei Terminen im Sommer und Winter bzw. im Frühjahr und Herbst abgehalten werden.

40 Jahre nach ihrer Gründung hat die AkA dasselbe Leitziel wie zu Beginn: „Die lernortübergreifenden IHK-Prüfungen müssen handlungsorientiert und praxisnah sein und zuverlässig den Leistungsstand der Auszubildenden feststellen“, betont Geschäftsführer Dr. Wolfgang Vogel. Die 17 hauptamtlichen und über 750 ehrenamtlichen Mitarbeiter der AkA stehen vor der Herausforderung, dass die Aufgaben anspruchsvolle Kriterien erfüllen müssen. Objektiv und inhaltlich valide sollen die Fragestellungen die Lernziele abprüfen, die in den Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrplänen vorgeschrieben sind. Verlässlichkeit und Trennschärfe sind ebenfalls gefordert: „Die Prüfungsaufgaben müssen zuverlässige Ergebnisse liefern, die mit größtmöglicher Genauigkeit gute und weniger gute Kandidaten unterscheiden“, betont Vogel. Außerdem müssen die Aufgaben justiziabel sein, also auch einer gerichtlichen Überprüfung standhalten.

Komplexes Verfahren

Dieses Anforderungsprofil zeigt, wie hoch die Messlatte für die Prüfungsaufgaben liegt. Dementsprechend komplex ist das Verfahren für deren Erstellung, Überprüfung und Auswahl. Dies ist die zentrale Aufgabe der AkA-Fachausschüsse, denen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter sowie Lehrer angehören. Voraussetzung für die Aufnahme in einen Fachausschuss ist u.a. die Mitwirkung in einem örtlichen IHK-Prüfungsausschuss. Derzeit gibt es in der AkA 22 Fachausschüsse für Abschlussprüfungen, 13 für Zwischenprüfungen sowie vier gemeinsame Fachausschüsse mit insgesamt fast 750 Mitgliedern aus der gesamten Bundesrepublik, die alle ehrenamtlich tätig sind und mindestens einmal pro Jahr zu Sitzungen nach Nürnberg reisen. Vom ersten Entwurf einer Aufgabe im Fachausschuss bis zur Fertigstellung eines Prüfungssatzes vergehen in der Regel zwei Jahre mit zahlreichen Fachausschusssitzungen sowie mehreren fachlichen und testpsychologischen Lektoraten.

Strenge Geheimhaltung

Hat der Fachausschuss einen Aufgabensatz verabschiedet, durchläuft das Manuskript noch einmal mehrere Korrekturschleifen, ehe es die Druckfreigabe erhält. Der Druck und die Auslieferung der Prüfungsaufgaben sind sensibel, denn Pünktlichkeit der Lieferung und absolute Diskretion sind K.o.-Kriterien. Würde auch nur ein Päckchen mit Aufgaben irgendwo zu früh geöffnet, wären die Aufgabensätze an allen anderen Prüfungsstandorten Makulatur. „Deshalb sind unsere Sicherheitsvorkehrungen fast so streng wie in einer Gelddruckerei“, erklärt Vogel. Oberste Geheimhaltungsstufe gilt nicht nur beim Druck der Prüfungsaufgaben, sondern für alle Phasen der Vorbereitung. Die Beteiligten unterliegen einer strengen Schweigepflicht, regelmäßig wird durch ein externes Audit überprüft, ob die Sicherheitsvorkehrungen lückenlos eingehalten werden.

Wolfgang Vogel ist ein engagierter Verfechter des Systems bundeseinheitlicher Prüfungen: Für den promovierten Diplom-Kaufmann spielen die zentral gestellten Aufgaben eine Schlüsselrolle, um den hohen Standard der dualen Berufsausbildung in Deutschland sicherzustellen: „Wir prüfen nicht nur die Prüflinge, sondern die Qualität der Ausbildung.“ Die einheitliche Fragestellung sei ein entscheidender Beitrag zur Qualitätssicherung und Transparenz. „Egal vor welcher IHK die schriftliche Prüfung abgelegt wurde – die Noten haben immer dieselbe Aussagekraft.“ Unternehmen können die Leistungen von Bewerbern aus verschiedenen Bundesländern bzw. Kammerbezirken besser einschätzen. Und auch die Nachwuchskräfte erhalten dank der Statistik ein ungeschminktes Bild ihrer relativen Stärken und Schwächen. Jeder Prüfungsteilnehmer kann seine Ergebnisse mit dem Durchschnitt im IHK-Bezirk, im jeweiligen Bundesland und in Gesamtdeutschland vergleichen.

Feedback nach den Prüfungen

Zur Qualitätssicherung gehört auch das zentrale Kritikverfahren: Die AkA befasst sich mit jeder Beschwerde, die Prüfungsteilnehmer zu einzelnen Aufgaben bei ihren IHKs äußern. „Sowohl die hauptamtlichen Mitarbeiter als auch die Mitglieder der Fachausschüsse setzen sich mit diesem Feedback intensiv auseinander“, erklärte Vogel. Ist eine Kritik berechtigt, wird diese auch bei der Auswertung berücksichtigt und zum Beispiel eine weitere Lösung zugelassen, eine Frage ganz aus der Wertung genommen oder Rundungsdifferenzen zugelassen. Die Punkte werden dann allen betroffenen Prüflingen entsprechend gut geschrieben. Allerdings kommt dies nur in sehr vereinzelten Fällen vor. Auch wenn keine Reklamationen vorliegen, spielt die Rückkopplung der Prüfungsergebnisse für die Aufgabenerstellung eine wesentliche Rolle. Die Fachausschüsse können so überprüfen, ob sie den Schwierigkeitsgrad ihrer Fragen vor der Prüfung zutreffend eingeschätzt haben. In der Datenbank der AkA sind über 50 000 Prüfungsaufgaben erfasst, und zwar akribisch mit allen teststatistischen Parametern.

Neben der Qualitätssicherung sieht Bildungsexperte Vogel einen weiteren Vorteil zentraler Prüfungen: Sogenannte Referenzgruppeneffekte werden vermieden, weil von außen gesetzte Standards sicherstellen, dass sich die Aufgabenstellungen und die Korrektur von Prüfungen nicht am Niveau der jeweiligen Berufsschulklasse oder Ausbildungsgruppe orientieren. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass die Ergebnisse den Leistungsstand des Einzelnen möglichst objektiv abbilden. Außerdem haben zentral erstellte Prüfungen das Potenzial, die Beziehung zwischen Ausbildern und Lehrlingen positiv zu verändern, wie Vogel erklärt: „Es entwickelt sich eher eine Lerngemeinschaft, die auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet ist: Alle Beteiligten sind stark motiviert, bei der externen Prüfung gut abzuschneiden. So übernimmt der Ausbilder häufig die Rolle eines Coachs.“

IHK-Prüfungen in der Weiterbildung

Nicht nur in der Ausbildung, sondern auch in der Weiterbildung tragen die IHKs durch vergleichbare und transparente Prüfungsstandards zur Qualitätssicherung bei. Die IHK-Organisation hat ein dreistufiges System der Aufstiegsfortbildung entwickelt: Die erste Ebene bildet der Fachberater. In Bereichen mit vielen „Quereinsteigern“ wird eine erste formale Qualifikation angeboten. Auf der zweiten Ebene bilden sich die Teilnehmer zu Fachwirten/Fachkaufleuten und Meistern fort. Die höchste Ebene der Weiterbildung ist die Qualifizierung zum (Technischen) Betriebswirt.

Für alle drei Stufen führen die IHKs öffentlich-rechtliche Prüfungen gemäß dem Berufsbildungsgesetz durch. Die Angebotspalette umfasst rund 125 Weiterbildungsprofile, von denen etwa drei Viertel nach bundeseinheitlichen Standards geprüft werden. Für die anderen rund 30 Weiterbildungsprofile legt die jeweils zuständige IHK die Prüfungsinhalte in einer Verordnung fest.          

Autor/in: 
aw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2013, Seite 14

 
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