Telefon: +49 911 1335-1335

700 Jahre Nürnberger Bratwurst

Fast Food des Mittelalters

Die „Nürnberger“ haben es über die Jahrhunderte zum weltweiten Image-Träger der Stadt geschafft. Der Schutzverband wacht darüber, dass die Regeln für die Herstellung der Spezialität genau eingehalten werden.

Der Schutzverband Nürnberger Rostbratwürste e.V. hat im September den 700. Geburtstag der Nürnberger ausgerufen. Das Jubiläum sei „relativ gut gesichert“, kommentiert der frühere Stadtrechtsdirektor Dr. Hartmut Frommer, der auch zweiter Vorsitzende des Schutzverbandes ist. Demnach dürfte im Jahr 1313 der Nürnberger Rat erstmals bestimmt haben, dass allein Schweinelenden-Brät, „das wertvollste Fleisch“, zur Herstellung verwendet werden darf. Das erste Satzungsbuch des Patrizierrates regelte auch, dass ein eigener Fleischbeschauer mit der Dienstbezeichnung „Würstlein“ tagtäglich die Arbeit der spezialisierten Schweinemetzger kontrollieren musste.

Das Fleisch wurde fertig gegart in den Tierdarm gestopft. Das war „eine Konservendose des Mittelsalters“, um in der schlachtfreien Winterzeit für den Sonntag Fleisch zu haben. Außerdem hätten sich Goethe und Jean Paul kaum rohe Bratwürste nach Weimar bzw. Bayreuth schicken lassen können, die wären bis zur Ankunft verdorben.

Im Jahr 1313 entstand neben der Moritzkapelle auf dem heutigen Sebalder Platz das kleine Gasthaus Glöcklein, die Wiege der Bratwurst. Das sei eine Art Fast Food-Betrieb des Mittelalters gewesen, berichtet Frommer, denn um das Glöcklein befand sich damals ein Friedhof, auf dem fast Marktplatzbetrieb geherrscht habe. Über grobes Fehlverhalten und Lebensmittelskandale beim Bratwurstverkauf, bei dem der Henker hätte aktiv werden müssen, ist Frommer nichts bekannt. Wer aber verdorbene Ware verkauft habe, sei mit seinem ungenießbaren Fleisch zum Gespött der Leute durch die Gassen geführt worden.

Geschützte Spezialität

Eine historische Jubiläumsausstellung kündigt Dr. Rainer Heimler, 1. Vorsitzender des 1998 gegründeten Schutzverbands, für das nächste Jahr an. „Wir sind beim Jubiläum nicht stur“, beschreibt Heimler das pragmatische Vorgehen. Ganz penibel ist der hauptberufliche Anwalt allerdings, wenn es um den Schutz der Bratwurst geht. Denn die „Nürnberger“ genießen mit dem im Jahr 2003 verliehenen EU-Siegel den Status als geschützte kulinarische Spezialität. Produkte mit geschützter geographischer Angabe (g.g.A.) müssen in der genannten Region getreu traditioneller Verfahren hergestellt werden.

Das bedeutet konkret eine Bratwurstlänge von sieben bis neun Zentimetern und ein Gewicht von maximal 25 Gramm. Verarbeitet werden darf nur grob entfettetes Schweinefleisch in einer mittelgroben Körnung und Schafsdarm als Hülle, bei der Würze muss traditionell Majoran dominieren. Und nicht zuletzt muss das gute Stück innerhalb der Nürnberger Stadtgrenzen produziert werden.

Abmahnfälle wegen Verletzung des Namensschutzes kommen laut Heimler innerhalb Deutschlands kaum mehr vor, auch im Ausland entdeckt der Nürnberger Hüter der Bratwurstrechte selten Verstöße. Das war zu Beginn der Schutzphase noch anders, damals wurden 100 bis 150 Verstöße pro Jahr geahndet, um den Imageträger Nürnberger Bratwurst zu schützen.

Bratwurstpreis

Zeitgleich mit dem Bratwurstjubiläum hat der Schutzverband auch seinen 10. Bratwurstpreis verliehen, mit dem besonderen Verdienste von Personen oder Institutionen um die würzige Köstlichkeit gewürdigt werden. In diesem Jahr wurden 65 Nürnberger Bratwurstmetzger geehrt, die teils noch in Handarbeit produzieren.

Unter dem Strich wird die Herstellung der Nürnberger allerdings von industrieller Produktion dominiert. Zwar werden die Stückzahlen als Betriebsgeheimnisse gehütet, die Schätzungen gehen aber von einer Mrd. Nürnberger Bratwürsten aus, die jährlich hergestellt werden. Mehr als 1 000 Beschäftigte produzieren in Spitzenzeiten bis zu zehn Mio. Würste pro Tag in rund 150 Fabriken und Metzgereien im Stadtgebiet Nürnberg, darunter die Großen wie HoWe, Wolf, Hans Kupfer oder Schlütter´s Echte. Nürnbergs Traditionsgastwirt Werner Behringer, der im Keller seines Bratwursthäusles das Nürnberger Leibgericht selbst herstellt, schätzt die gesamte Jahresproduktion auf 1,4 Mrd. Stück: „Damit könnte man dreimal den Globus umwickeln.“

Behringer, dessen Gasthaus im Schatten von St. Sebald und dem Rathaus von Touristen und Einheimischen gleichermaßen frequentiert wird, lässt auch keinen Zweifel daran, wie die Nürnberger Spezialität serviert werden muss: Als Rostbratwurst vom Buchenfeuer mit Kraut oder Kartoffelsalat, als Blaue Zipfel gekocht in Weinessig, geräuchert oder als Gehacktes, also als enthäutete Bratwurst oder „Naggerte“ („Nackige“). Und für Stammgäste wird nach alter Tradition auch mal „eine an der Gabel“ gereicht. Die „Drei im Weckla“ (drei Stück im Brötchen), die in vielen Wirtschaften und an unzähligen Ständen verkauft werden, sind laut Frommer allerdings nicht historisch überliefert, sondern eine Erfindung des Marktamtes aus den 1980er Jahren.

Die Stadt selbst hatte sich eine zeitlang schwer mit dem Traditionsgericht getan, weil sie sich zu Unrecht auf das Image „Bratwurst und Butzenscheiben“ reduziert sah. Spätestens seitdem die EU im Jahr 2003 die Nürnberger Rostbratwurst als besonders geschützte Spezialität anerkannt hat, hat sich die Stimmung gedreht. Die Nürnberger Wirtshäuser, darunter die älteste Bratwurstküche Zum Gulden Stern aus dem Jahr 1419, die heute von Martin Hilleprandt geleitet wird, besannen sich mit Stolz auf ihre historische Spezialität.

Weltweiter Siegeszug

Zumal die Miniaturwürste als Exportschlager einen globalen Siegeszug angetreten haben. So findet man an den Frühstücksbuffets guter Hotels in den USA, Dubai oder Shanghai die original Nürnberger, die laut Heimler zunehmend „die ungenießbaren englischen Sausages“ verdrängen. Frommer, der auch einen historischen „Bratwurstspaziergang“ durch Nürnberg anbietet, meint scherzhaft zur „Globalisierung des Frühstücks“: „Isst die Weltbevölkerung zwei original Nürnberger zum Frühstück, wären wir hier alle wirtschaftlichen Sorgen los.“ Über deutsche Discounter finden vorgebrühte Varianten sogar den Weg bis nach Australien. Selbst die Fast Food-Kette McDonalds hat schon Drei im Weckla als „Nürnburger“ kredenzt – mit kräftiger Unterstützung von Uli Hoeneß, der 1985 zusammen mit Werner Weiß die heutige HoWe Wurstwaren KG in Nürnberg gegründet hatte.

Auch wenn die Nürnberger Bratwurstküchen auf das offene Buchenholzfeuer schwören, auf dem sie frische und rohe Würste – weder vorgebrüht, noch in der Friteuse angebraten – grillen, nehmen die kulinarischen Varianten immer mehr zu. Manche kreieren einen Kartoffel-Bratwurstauflauf, andere halten die Rostbratwurst für die ideale Fleischeinlage in der Kartoffelsuppe und wieder andere servieren einen grünen Spargelsalat mit Bratwurst. Der kulinarische Siegeszug scheint auch im 700. Jahr noch nicht zu Ende zu sein.

Autor/in: 
Thomas Tjiang
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2013, Seite 12

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick