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Dialog-Marketing in der Finanzwirtschaft

Leistungen transparent machen

Banken und Versicherungen setzen beim Vertrieb oft zu einseitig auf Social Media. Dabei bieten Geschäftsbriefe und andere klassische Kundenkontakte häufig ungenutzte Chancen, um einen Verkaufsdialog anzustoßen. Von Bernd Lindner, Elmar Herp und Christoph Naucke

Die bestehenden Kunden stellen das vielversprechendste Potenzial für das Neugeschäft dar, so die Erkenntnis in der Finanzwirtschaft. Folgerichtig wird in Kundenbindungsmaßnahmen aller Art investiert, in Marketing- und Sponsorship-Modelle, Social-Media-Auftritte, Werbegeschenke, Veranstaltungen etc. In der Summe wenden die betreffenden Unternehmen häufig substanzielle Beträge auf, über die sie sich manchmal nicht einmal in voller Höhe bewusst sind. Denn das Geld „versteckt“ sich in vielen unterschiedlichen Kostenstellen.

Kundenbindungsmaßnahmen sollten – wie jede andere Unternehmensaktivität auch – vom Ziel her gedacht werden und an ihrer Zielerreichung gemessen werden. Wenn bei dieser Bewertung das Cross-Selling (Vertrieb von sich ergänzenden Produkten) an der Reihe ist, macht sich bei den Anbietern von Finanzdienstleistungen häufig Unzufriedenheit breit. Zu hoch der Aufwand, zu schwach die damit erreichte Marktdurchdringung, also das Kaufverhalten pro Kunde. Das Unbehagen ist berechtigt, wie eine Studie der Universität Regensburg belegt: Versicherer haben nachweislich ein Defizit im Cross-Selling. Der durchschnittliche Privatkunde hätte theoretisch ein Potenzial für sieben Produkte. Die Durchdringung des einzelnen Versicherers liegt jedoch im deutschen Marktdurchschnitt gerade einmal bei 2,3 Produkten pro Kunde.

Oft gelten Direktvertriebsmodelle als probate Lösungsstrategie für dieses Defizit beim Cross-Selling. Laut der GfK-Studie „Finanzvertrieb 2020“ vom Juni 2013 sind 85 Prozent der Vertriebsmitarbeiter von Banken und Versicherungen davon überzeugt, dass sich der Verkauf von Finanzdienstleistungen in den nächsten Jahren grundlegend ändern wird. In der Meldung dazu heißt es, dass nach dieser Erwartung einfache Standardprodukte sehr viel stärker über das Internet (und damit im Direkt-Marketing) vertrieben werden. Die Bedeutung des Internets werde demnach generell zunehmen, auch wenn dieser Vertriebskanal den stationären Vertrieb letztlich nur ergänzen kann. Wenn man jedoch auf den Boden der Realität zurückkehrt, wird deutlich: Darin steckt noch eine große Portion Wunschdenken. Der Branchenverband der Versicherungen GDV weist in seinen letzten Zahlen einen weiterhin sehr geringen Anteil für den Direktvertrieb aus. Er liegt je nach Segment zwischen 2,3 und 6,9 Prozent.

Geschäftskorrespondenz vertrieblich nutzen

Für diese niedrigen Zahlen gibt es vermutlich mehrere Ursachen. Eine davon ist alt bekannt, in vielen Betrieben historisch gewachsen und wirkt nach wie vor lähmend: Kundenkontakte, die aus dem laufenden Betrieb heraus entstehen, liegen oft in der „Hoheit“ der jeweiligen Fachabteilung. Die Wertpapierabrechnung wird von der intern verantwortlichen Stelle produziert und versendet. Die telefonische Schadensmeldung wird von der Abteilung „Schadenregulierung“ aufgenommen und dort auch gleich erledigt. Im besten Fall ist der Regulierungsbrief, den der Kunde erhält, kundenfreundlich formuliert. Eine vertriebliche Nutzung bleibt jedoch aus.

Den Verantwortlichen fällt es schwer, Kundenkorrespondenz, ganz besonders wenn es um gesetzlich reglementierte Inhalte geht, trotzdem auch als „Kontaktpunkte“ im vertrieblichen Sinne zu sehen. Dabei ist die emotionale Affinität des Kunden vermutlich zu keinem Zeitpunkt höher. Wer hier erfolgreicher sein will als seine Wettbewerber, muss lernen, umzudenken und Rücksichten auf interne „Fürstentümer“ und Bereichshoheiten beiseite räumen.

Social Media kein Allheilmittel

Eine zweite Ursache für das Problem ist sehr viel neuer: Die einseitige Fixierung auf alles, was unter dem Titel „neue Medien“ läuft. Natürlich: Das Internet ist nicht mehr wegzudenken. Bloß: Der Facebook-Auftritt, der mit aller Gewalt umgesetzt wird, obwohl alle anderen Kundenkommunikationsprozesse noch ablaufen wie in den 80er Jahren, löst kein Cross-Selling-Problem. Und wenn noch so oft behauptet wird „Print ist tot“: Dies ist ein verbreiteter, aber fataler Irrtum.

Die Gegenbeweise kommen ausgerechnet von den prominenten Playern der Internet-Wirtschaft: Amazon, Payback und Jako-O sind nicht die eindimensionalen „Internet-Geschäftsmodelle“, als die sie oft wahrgenommen werden. Sie sind vielmehr äußerst clevere Geschäftsmodelle, die das Dialog-Marketing durchgängig cross-medial mit Online- und Offline-Elementen umsetzen und vor allem wegen der durchgängigen Planung und Nutzung aller Kundenkontakte so erfolgreich sind. Diese „neuen Distanzhändler“ unterscheiden sich nicht dadurch von den „alten“, dass sie auf Facebook aktiv sind. Sondern vor allem deshalb, weil sie insgesamt die zeitgemäßeren Systeme und Konzepte für das Kundenbeziehungsmanagement (Customer Relationship Management CRM) haben.

Botschaften, Inhalte, Visualisierung, Sprache und Timing: Erfolgreiche Kampagnen nutzen diese und viele weitere Parameter in enger Verzahnung. Oft dienen Printwege wie z.B. Mailings oder Zahlungsvorgänge als Initialanstoß, möglichst mit hoher Individualisierung (z.B. nach den bekannten Vorlieben und Kaufmustern des Kunden). Mit der personalisierten Landing Page setzt sich ein solches Konzept häufig fort. Die Sites, die über QR-Codes erreicht werden, sind optimiert für die Darstellung auf Smartphone und Tablet – denn mit diesen Geräten wird schließlich der QR-Code eingescannt. Anlass, Zeitpunkt und Medien-Mix sind optimal auf den Zielkunden ausgerichtet. Das Merkmal, in dem sich diese Internet-Erfolgsgeschichten von anderen Geschäftsmodellen wesentlich unterscheiden, ist nicht allein der Faktor „Internet“, sondern vielmehr ihr Dialogkonzept insgesamt.

Deshalb ist es für Finanzdienstleister, die ihre Kundendurchdringung und damit ihr Cross-Selling ausbauen wollen, empfehlenswert, solche umfassenden Kommunikationsmodelle in Gänze zu analysieren und sich dabei nicht von einzelnen, besonders schillernden Maßnahmen ablenken zu lassen. Bevor sich allerdings alle Leser aus anderen Branchen zurücklehnen: Gerade das Problem der abgeschotteten, vertrieblich ungenutzten Kundenkontakte kann man quer durch alle Branchen immer wieder beobachten, ob Einzelhandel, Industrie, Telekommunikation oder Kraftfahrzeugbranche. Um es mit der Basketball-Legende Jason Kidd zu sagen: „There is always room for improvement.

Autor/in: Bernd Lindner, Elmar Herp und Christoph Naucke, sind Inhaber von drei Agenturen aus der Region Nürnberg, die sich zur Agenturgruppe Brainworker Creative Group zusammengeschlossen haben (www.brainworker-group.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2013, Seite 54

 
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