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Überwachung am Arbeitsplatz

Big Brother im Betrieb?

Wenn der Arbeitgeber das Verhalten oder die Leistung seiner Mitarbeiter überwachen will, sind ihm sehr enge Grenzen gesetzt. Denn auch im Unternehmen gelten Persönlichkeitsrechte und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Von Sandra Voigt

Die meiste Zeit des Tages verbringt ein Beschäftigter an seinem Arbeitsplatz. Oft ist da die Versuchung groß, während der Arbeitszeit mal schnell die privaten E-Mails zu checken, auf Facebook einen neuen Eintrag zu posten oder ein kurzes Privattelefonat zu führen. Dagegen interessiert den Arbeitgeber, ob seine Angestellten ihre Arbeit auch ordnungsgemäß erledigen. Doch berechtigt das den Chef, seine Mitarbeiter während der Arbeitszeit ständig zu überwachen?

Grundsätzlich gilt: Dem Arbeitgeber steht kein permanentes Überwachungsrecht zu. Auch wenn sein Interesse nachvollziehbar ist, zu erfahren, was die Angestellten während der Arbeitszeit so treiben, dürfen diese nicht ständig beobachtet oder kontrolliert werden. Denn das würde gegen ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen. Damit die Angestellten wissen, was sie dürfen und was nicht, sollten die Rechte und Pflichten explizit in einem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder Dienstvereinbarung festgeschrieben werden. Auch eine betriebliche Übung kann dazu führen, dass den Beschäftigten gewisse Rechte, wie z.B. die private Internet-Nutzung, zustehen. Eine betriebliche Übung entsteht, wenn der Chef ein bestimmtes Verhalten seiner Mitarbeiter nicht ausdrücklich verboten, sondern es vielmehr über einen längeren Zeitraum geduldet hat.

Verstößt ein Beschäftigter jedoch gegen ein explizites Verbot, kann der Arbeitgeber in der Regel eine Abmahnung und im schlimmsten Fall sogar die Kündigung aussprechen. Doch häufig erfährt er erst durch eine Kontrolle von der Pflichtverletzung. Demgegenüber fühlt sich der Mitarbeiter schnell überwacht und kontrolliert. Um daher sowohl den Interessen des Chefs als auch seiner Angestellten gerecht zu werden, müssen bei der Überwachung der Mitarbeiter einige Regeln beachtet werden.

Internet und E-Mails

Erlaubt oder duldet der Chef die Privatnutzung von Internet und E-Mail, ist er gemäß § 3 Nr. 6, 10 TKG (Telekommunikationsgesetz) Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen. Er muss daher u.a. das Fernmeldegeheimnis nach § 88 TKG beachten und mit technischen oder sonstigen Mitteln dafür sorgen, dass z.B. personenbezogene Daten sowie das Fernmeldegeheimnis geschützt werden. Eine Überwachung dergestalt, wie häufig der Mitarbeiter welche Internet-Seiten besucht hat, ist somit grundsätzlich nicht zulässig.

Ferner darf der Chef private Mails nicht einsehen. Ist es aber möglich, die dienstlichen E-Mails von den privaten abzugrenzen, darf der Chef bei Bedarf auf die beruflich veranlassten Nachrichten zugreifen. So können z.B. unterschiedliche E-Mail-Accounts eingerichtet oder die persönlichen Nachrichten mit „Privat“ im Betreff gekennzeichnet werden. Wird bei der Archivierung nicht zwischen privaten und dienstlichen E-Mails unterschieden, ist eine Einsichtnahme in der Regel lediglich nach Einwilligung des betroffenen Mitarbeiters zulässig.

Anderes gilt nur, wenn der konkrete Verdacht des Missbrauchs besteht oder eine E-Mail trotz Abwesenheit des Mitarbeiters dringend benötigt wird (Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Februar 2011, Aktenzeichen 4 Sa 2132/10). Übrigens: Verletzt der Arbeitgeber das Fernmeldegeheimnis, macht er sich nach § 206 StGB (Strafgesetzbuch) strafbar.

Wurde eine private Nutzung von E-Mail und Internet explizit untersagt, darf der Arbeitgeber stichprobenartig Kontrollen durchführen, um zu überprüfen, ob sich die Angestellten an das Verbot halten.

Telefon

Private und dienstliche Telefonate der Angestellten dürfen vom Chef weder heimlich abgehört noch aufgezeichnet werden. Anderenfalls macht er sich wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 StGB strafbar. Das gilt jedoch nicht, wenn die Personen, deren Telefonate abgehört bzw. aufgezeichnet werden sollen, ihre Einwilligung dazu erteilen. Dann darf der Arbeitgeber mithören, z.B. geschäftliche Gespräche neuer Mitarbeiter während der Einarbeitungsphase im Rahmen der Qualitätskontrolle. Hat der Arbeitgeber Privattelefonate in geringem Umfang erlaubt und führt der Beschäftigte daraufhin ständig lange Privatgespräche bzw. verursacht er besonders hohe Telefonkosten, rechtfertigt das eine außerordentliche Kündigung (Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 2. Februar 2010, Aktenzeichen 5 K 1390/09).

Videoüberwachung

Verdeckte Videoüberwachung ist grundsätzlich verboten, denn damit wird erheblich in die Persönlichkeitsrechte des Beschäftigten eingegriffen. Schließlich wird er auf Schritt und Tritt beobachtet. Das Bundesarbeitsgericht lässt aber in engen Grenzen eine heimliche Videoüberwachung zu. Voraussetzung ist allerdings, dass der Arbeitgeber einen Mitarbeiter konkret einer Straftat oder einer anderen schweren Verfehlung ihm gegenüber verdächtigt. Hinzu kommt, dass die Videoüberwachung das einzige Mittel sein muss, um den Verdacht bestätigen zu können. Sie darf ferner nicht unverhältnismäßig sein (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Juni 2012, Aktenzeichen 2 AZR 153/11). So ist es z.B. niemals erlaubt, in Umkleidekabinen oder Toiletten eine Kamera zu installieren.

Ansonsten ist eine Videoüberwachung etwa bei besonderem Sicherheitsbedürfnis zulässig und wenn die Betroffenen z.B. durch Aushänge an der Eingangstür auf die Videoüberwachung hingewiesen werden und/oder ausdrücklich ihre Einwilligung dazu erklären.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Überwachungsmöglichkeiten, sei es etwa über ein unternehmensinternes Chat-Protokoll, ein GPS-System (z.B. bei Lkw-Fahrern) oder eine „Durchsuchung“ des Schreibtischs des Mitarbeiters. Auch hier gilt grundsätzlich, dass die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten nicht verletzt werden dürfen und eine dauerhafte, systematische Überwachung stets unzulässig ist.

Einbindung des Betriebsrates

Existiert im Unternehmen ein Betriebsrat, hat dieser bei der Einführung technischer Einrichtungen sowie der Klärung der näheren Modalitäten ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 6 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz). Das gilt zumindest, wenn die technischen Einrichtungen dazu bestimmt sind, Verhalten und Leistung der Angestellten zu überwachen. Hierbei ist irrelevant, ob der Arbeitgeber die technische Einrichtung (z.B. Kamera, E-Mail-Programm, Internet Explorer oder Büro-Software) nicht zur Kontrolle seiner Mitarbeiter nutzen will. Es zählt vielmehr, ob die Einrichtung eine Überwachung objektiv ermöglicht. In einer Betriebsvereinbarung kann festgelegt werden, unter welchen Voraussetzungen eine Überwachung erlaubt ist. Zu beachten ist hierbei lediglich, dass die Betriebsvereinbarung nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen darf. Hierzu gehört unter anderem der Schutz der freien Entfaltung der Persönlichkeit der Beschäftigten nach § 75 II BetrVG.

Autor/in: Sandra Voigt,ist Redakteurin bei der anwalt.de Services AG in Nürnberg, die das Anwaltsverzeichnis www.anwalt.de betreibt (redaktion@anwalt.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2013, Seite 44

 
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