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Archivierung von Belegen

Papier oder digital?

Die digitale Kopie eines Papierbelegs könnte in Zukunft grundsätzlich genügen, um in einem Streitfall zu seinem Recht zu kommen. Dies ist das Resultat einer Simulationsstudie, die die Universität Kassel gemeinsam mit der Datev eG durchgeführt hat. Von Dr. Michael Seyd

Zwei Tage lang wurden in Nürnberg für diese juristische Studie insgesamt 14 Gerichtsverhandlungen simuliert. In der Mehrzahl der Fälle entschieden die Richter, dass eine elektronische Kopie als Beweis ausreicht, wenn sie richtig eingescannt und je nach Dokumentenklasse eventuell noch digital signiert ist.

Vor dem Hintergrund dieser richterlichen Entscheidungen kann das Relikt Papierablage in Zukunft hoffentlich bald über Bord geworfen werden. Zu diesem Fazit kam Prof. Alexander Roßnagel, Direktor des Forschungszentrums für Informationstechnik-Gestaltung sowie Leiter der „Projektgruppe Verfassungsverträgliche Technikgestaltung“ (Provet) bei der Präsentation der vorläufigen Ergebnisse.

Für Millionen von Unternehmen, insbesondere für kleine und mittlere Betriebe, bedeutet das künftig eine enorme Entlastung bei der Einhaltung der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen. Denn bislang hatte – zumindest in der juristischen Betrachtung – in der Regel das Papier den höheren Beweiswert. Deshalb mussten die „Papier-Originale“ zusätzlich archiviert und vorgehalten werden, selbst wenn schon mit digitalen Belegen gearbeitet wurde.

Beitrag zum Bürokratieabbau

Die volkswirtschaftlichen Kosten dieser pa-rallelen Archivierung können z.B. allein für die Ablage von Papierrechungen auf 3,2 Mrd. Euro beziffert werden. Dazu kommen noch (Archiv-)Raumkosten der Betriebe und Behörden. Es wird in Massen Papier archiviert, das nie wieder gebraucht wird und nach bestimmten Fristen unbesehen in den Schredder geht.

Deshalb ist die fortschreitende Digitalisierung ein geeignetes Mittel zum Bürokratieabbau und wird auch vom Gesetzgeber angestrebt. Im Sommer 2013 haben mit dem E-Government-Gesetz und dem E-Justice-Gesetz gleich zwei Bundesgesetze das sogenannte Ersetzende Scannen als politisches Ziel benannt und Hinweise zur Umsetzung gegeben. Ein solcher Hinweis ist die Richtlinie „Resiscan“ des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), die im ersten Quartal 2013 veröffentlicht wurde. Sie steht dafür, was Richter bei einer Beweiswürdigung als „Stand der Technik“ interpretieren würden.

Rechtliche Unsicherheit überwinden

Wie aufwändig es ist, sich nach einem Scanvorgang tatsächlich vom Papier zu trennen, es also zu vernichten, hängt von diversen Faktoren ab – zunächst etwa von branchenspezifischen Vorgaben. Hier ist eine Patien-tenakte im Krankenhaus natürlich grundsätzlich anders zu bewerten als z.B. eine Papierrechnung, die eingescannt wird. Papierdokumente mit Unterschrift sind wiederum anders zu sehen als unterschriftslose Dokumente.

Es gibt also eine Reihe differenzierter Vorgaben, die sich in unterschiedlichen Gesetzen und Richtlinien finden. Daneben ergibt sich das juristische Hauptproblem für den Beweiswert ersetzend gescannter Dokumente daraus, dass nach dem ersetzenden Scannen nicht mehr auf die Originalurkunde zurückgegriffen und so kein Urkundsbeweis geführt werden kann. Die Simulationsstudie hat nun gezeigt, dass es für die meisten Belegtypen – insbesondere die, die die große Masse ausmachen – unproblematisch sein dürfte, ausschließlich die Belegkopie aufzubewahren.

Kein Rechtsnachteil bei digitalen Kopien

Interessant in diesem Zusammenhang könnte insbesondere das Fazit von Ulrich Schwenkert, Vorsitzender Richter am Finanzgericht Berlin-Brandenburg, sein, der im Rahmen der Studie die finanzgerichtlichen Streitfälle zu klären hatte. Er kam zu dem Schluss, dass im Regelfall selbst die eigenhändig ohne besondere Vorkehrungen eingescannten Belege nicht zu einem Rechtsnachteil führen dürften. In der finanzgerichtlichen Praxis werde sehr häufig mit Belegkopien gearbeitet, ohne dass die Vorlage des Originals gefordert sei. Dies müsse nach Meinung von Schwenkert auch für eine gescannte Datei gelten. Schließlich ist sie nichts anderes als eine digitale Kopie des Originals. Sie sollte daher auch nicht anders behandelt werden.

Bei einem sorgfältigen Umgang und entsprechender organisatorischer Gestaltung ist es also künftig möglich, zumindest unterschriftslose Belege nach einem sicheren Scan und sicherer elektronischer Archivierung zu vernichten, ohne dabei den Beweiswert zu beschneiden. Problematisiert wird das gescannte Dokument nur bei Zweifeln. Misstrauisch dürften Gerichte jedoch in der Regel erst werden, wenn weitere Umstände auf eine Manipulation der gescannten Belege hindeuten, wie etwa Abweichungen im Schriftbild oder ein unterschiedliches Aussehen von Rechnungen des gleichen Rechnungsausstellers.

Dann prüft das Gericht, wer mit welchem plausiblen Motiv und mit welchen Mitteln das Originaldokument hätte fälschen oder verfälschen können bzw. mit welchen Verfahren das Dokument gescannt wurde und welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung dabei berücksichtigt wurden.

Wurden beim Scan Maßnahmen zur Qualitätssicherung durchgeführt (z.B. Verfahrensvorgaben, Verantwortungszuweisungen, stichprobenartige Sichtkontrollen), erhöht dies den Beweiswert. Zusätzliche elektronische Sicherungsmittel (Zeitstempel, Signaturen) können je nach Qualität die Zweifel erschüttern oder sogar widerlegen. Der organisatorische und technische Aufwand für ein solches rechtssicheres ersetzendes Scannen ist überschaubar, aber nicht unerheblich. Daher kann es für Unternehmen mitunter günstiger sein, das Scannen auf professionelle Unternehmen oder auf ihren steuerlichen Berater zu übertragen, die nach anerkannten Vorgaben scannen.

Schutz vor Manipulation

Für Richter und Rechtsanwälte ist der Umgang mit elektronischen Belegen inzwischen kein Problem mehr. Ob ein Fall gewonnen oder verloren wird, hängt nicht an der Frage, ob das Beweismittel digital oder in Papierform vorliegt. Wichtiger als der Scan selbst ist die Vor- und Nachbereitung, also die Frage, mit welchen Mitteln der Beleg vor Manipulation geschützt wird.

Um für zivilrechtliche Streitfälle gerüstet zu sein, in denen um Verträge, Rechnungen oder Quittungen gestritten wird, empfiehlt sich ein entsprechendes Verfahren in jedem Fall. Wenn etwa Vertragsoriginale vernichtet werden, sollte die elek-tronische Kopie zumindest eine automatisch erstellte elektronische Signatur enthalten.

Eine umfassende Rechtssicherheit kann die Simulationsstudie zwar nicht schaffen, doch alle Beteiligten erwarten, dass die aus ihr hervorgegangenen Referenzurteile Vorbildwirkung entfalten. Da sie in der Fachwelt ernst zu nehmende Einschätzungen dafür sind, ob das jeweils zugrunde liegende Verfahren als rechtssicher zu bewerten ist, bilden die Urteile einen wichtigen Beitrag für eine juristische Beurteilung zum Ersetzenden Scannen.

Autor/in: Dr. Michael Seyd, ist Mitglied der Geschäftsleitung der Datev eG in Nürnberg (www.datev.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2013, Seite 38

 
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