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Crowdfunding für den Mittelstand

Finanzierung im Schwarm

Viele private Anleger unterstützen mit kleineren Beträgen größere Projekte: Diese Art des "Geldsammelns" kann auch für den Mittelstand eine sinnvolle Ergänzung zur klassischen Finanzierung sein. Von Prof. Dr. Sebastian Serfas; Illustration: Anton Atzenhofer

Unternehmen werben bei einer großen Zahl von Anlegern um finanzielle Unterstützung, um ein bestimmtes Vorhaben zu realisieren: Das ist die Grundidee des Crowdfunding (deutsch „Schwarmfinanzierung“), das üblicherweise über eine Online-Plattform abgewickelt wird. Die amerikanische Crowdfunding-Plattform kickstarter.com hat vorgemacht, wie erfolgreich dieses Finanzierungsform eingesetzt werden kann: Mehr als 5,7 Mio. „Unterstützer“ haben bislang rund eine Mrd. US-Dollar zur Verfügung gestellt, um fast 60 000 kreative Projekte zu unterstützen.

Crowdfunding ist eine relativ junge, innovative Finanzierungsform, die in den vergangenen Jahren rasant gewachsen ist. Im internationalen Vergleich hat Deutschland noch Nachholbedarf: Das Volumen, das hierzulande insgesamt durch Crowdfunding zur Verfügung gestellt wird, beläuft sich nach Schätzungen pro Jahr lediglich auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Aber auch in Deutschland gewinnt diese neue Art der Finanzierung an Bedeutung.

Zahlreiche Varianten

Crowdfunding gibt es in zahlreichen Varianten, die sich abhängig von der grundlegenden Konstruktion und der Gegenleistung, die der Unterstützer erhält, grob in drei Kategorien aufteilen lassen:

  • mit Belohnungscharakter (z.B. Crowdfunding über die Plattformen Kickstarter und Startnext): Der Unterstützer erhält keine bzw. nur eine ideelle Gegenleistung (z.B. namentliche Nennung auf der Webseite, Einladung zu einer Veranstaltung) oder das fertige Produkt (z.B. Musik-Album, Brettspiel).
  • mit Kreditcharakter (z.B. über die Plattformen: Auxmoney und Smava): Der Unterstützer erhält eine finanzielle Gegenleistung für das verliehene Geld in Form von Zinsen plus Rückzahlung am Ende der Laufzeit.
  • mit Beteiligungscharakter (z.B. über die Plattformen Seedmatch und Companisto): Der Unterstützer fungiert quasi als Kleininvestor und erhält eine erfolgsorientierte finanzielle Gegenleistung (Anteil an Gewinn und/oder Wertsteigerung während der meist fünf- bis siebenjährigen Laufzeit).

In der öffentlichen Wahrnehmung wird Crowdfunding bisher noch immer fast ausschließlich mit nicht-kommerziellen Projekten (z.B. im Kulturbereich) oder jungen Gründerfirmen assoziiert, selten mit dem klassischen Mittelstand. Dabei bietet Crowdfunding gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen große Chancen und eine Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten.

Anwendung im Mittelstand

Die Einsatzmöglichkeiten für Crowdfunding im Mittelstand sind sehr vielfältig, sowohl im Hinblick auf die finanzielle Größenordnung als auch bezüglich der Art des zu finanzierenden Projektes. Finanziert werden z.B. der Erwerb einzelner Maschinen, die Ausweitung des Produktsortiments, die Erweiterung der Produktionskapazitäten, Infrastruktur-Investitionen, die Expansion in neue Märkte oder Marktsegmente oder der Vorfinanzierung von Produkten. Bei den meisten Projekten geht es um Beträge im fünf- oder sechsstelligen Bereich.

Es gibt auch in Deutschland schon zahlreiche erfolgreiche Crowdfunding-Projekte von kleinen und mittleren Unternehmen. Einige Beispiele:

  • Die Doms Kabel- und Kanalbau GmbH, ein Tiefbauunternehmen aus Leverkusen, sammelte per Crowdfunding 25 000 Euro zum Erwerb eines neuen Baggers.
  • Die Look Außenwerbung GmbH, ein Werbetechnik-Spezialist aus Darmstadt, akquirierte 75 000 Euro zur Erweiterung der Produktionskapazitäten und zum Eintritt in ein neues Geschäftsfeld.
  • Der Brettspiele-Verlag Queen Games GmbH aus Troisdorf nutzte eine Crowdfunding-Kampagne über 100 000 Euro zur (Vor-)Finanzierung einer Erweiterung bzw. für die Sonderedition des mehrfach ausgezeichneten Spiels „Kingdom Builder“.
  • Die KüchenFab Company GmbH, ein Hersteller für Design-Einbauküchen aus Kornwestheim, erweiterte mit 125 000 Euro die IT-Infrastruktur und eröffnete einen neuen Showroom.
  • Einen Rekordbetrag von drei Mio. Euro hat im vergangenen Jahr die Urbanara GmbH aus Berlin eingesammelt. Der Anbieter von Heimtextilien und Wohnaccessoires hatte per Crowdfunding eine Aktien-Privatplatzierung initiiert.
  • Auch aus der Region gibt es Beispiele für erfolgreiches Crowdfunding: Die beEco GmbH in Erlangen hat über eine Plattform 70 000 Euro gesammelt. Das Energietechnik-Unternehmen hat ein System entwickelt, das bei Blockheizkraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung die Betriebskosten senkt. Das junge Unternehmen mit Sitz im Röthelheim-Campus, das u.a. mit der Universität Erlangen-Nürnberg zusammenarbeitet und vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird, will den gesammelten Betrag zur Markterschließung einsetzen.

Die Durchführung eines Crowdfunding-Projektes ist auf den ersten Blick relativ einfach: Das Unternehmen reicht bei einer der inzwischen zahlreichen Plattformen die „Bewerbungsunterlagen“ ein (z.B. Unternehmensinformationen, Ziele des Projektes, Image-Video etc.), diese veröffentlicht das Projekt, sammelt die finanziellen Beiträge der Unterstützer ein und leitet diese bei Erreichen des Finanzierungsziels an das Unternehmen weiter.

Der Teufel steckt jedoch wie so oft im Detail, zumal sich die Plattformen teilweise sehr deutlich unterscheiden. Insbesondere beim Crowdfunding mit Beteiligungscharakter – aus Sicht der Kapitalgeber teilweise auch als „Crowdinvesting“ bezeichnet – werden verschiedene Formen unterschieden, je nachdem wie die erfolgsorientierte Beteiligung der Kapitalgeber umgesetzt wird, z.B. durch partiarische Nachrangdarlehen (Beteiligungsdarlehen), stille Beteiligungen oder Genussrechte.

Diese können sehr unterschiedliche Auswirkungen auf das Unternehmen und das Projekt haben. Bei der Wahl der geeigneten Plattform sollten deshalb deren Bedingungen, Größe und bisherige Erfolgsrate überprüft werden. Die Kosten variieren zwischen den Plattformen, liegen jedoch meist zwischen sieben bis zehn Prozent des eingesammelten Betrags. Auch die Unterstützer sollten die auf den Plattformen vorgestellten Projekte genau prüfen, denn im schlimmsten Fall kann der Totalverlust der Beteiligung drohen, wenn das Unternehmen pleite geht.

Kommunikation und Transparenz

Als „Gegenleistung“ für die finanzielle Unterstützung wird von dem Unternehmen ein gewisses Maß an Kommunikationsbereitschaft und Transparenz erwartet. Dies ist für manche kleine und mittlere Unternehmen anfangs ungewohnt, stellt jedoch einen bedeutenden Erfolgsfaktor dar. Wichtig sind nicht nur professionelle, aussagekräftige Projektinformationen im Vorfeld, sondern auch regelmäßige Informationen und Interaktionen mit den Anlegern während der Finanzierungslaufzeit. Eine Einflussnahme der Anleger in das operative Geschäft müssen die kapitalsuchenden Unternehmen beim Crowdfunding nicht fürchten, da die Unterstützer im Normalfall, abgesehen von den vertraglich vereinbarten Gegenleistungen, keine Ansprüche oder Mitspracherechte haben.

Insgesamt bietet Crowdfunding eine breite Palette an Einsatzmöglichkeiten für den Mittelstand und kann damit für viele Unternehmen eine attraktive und sinnvolle Ergänzung zur klassischen Finanzierung sein. Bisher wird dieses Potenzial jedoch noch kaum wahrgenommen. Deshalb wird in den kommenden Jahren ein rasantes Wachstum im Bereich des Mittelstands-Crowdfunding erwartet.

DIHK-Position Crowdfunding

Im Koalitionsvertrag fordert die neue Bundesregierung einen verlässlichen Rechtsrahmen für das Crowdfunding („Schwarmfinanzierung“). Auch die EU-Kommission denkt über eine neue Regulierung nach. Nach Auffassung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) muss dabei der Spagat gelingen, einerseits das Risiko dieser Finanzierungsform zu begrenzen und andererseits einen unkomplizierten Zugang zum Crowdfunding zu ermöglichen. Es gelte, den produktiven Wettbewerb der Plattformen und Projekte zu erhalten. Die Crowdfunding-Plattformen sollten laut DIHK transparent über alle anfallenden Gebühren informieren, die Zahlungsabwicklung garantieren und die Identität der Projektinitiatoren überprüfen. Eine Verpflichtung der Plattformen, die Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle zu überprüfen, hält der DIHK dagegen für zu aufwändig. Damit würde ein wichtiger Vorteil des Instruments, der unbürokratische Zugang zu einer Finanzierung, untergraben werden.

Autor/in: 

Prof. Dr. Sebastian Serfas

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 lehrt u.a. Rechnungswesen und Finanzierung an der FOM Hochschule in Nürnberg (www.fom-nuernberg.de; sebastian.serfas@fom.de ) und berät Unternehmen bei strategischen und operativen Fragestellungen.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2014, Seite 30

 
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