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Straßeninfrastruktur

Zeit ist Geld

Illu_WiM_2015_03 © Anton Atzenhofer

Für eine Reihe von Straßenprojekten in Nordbayern sind alternative Finanzierungsformen im Gespräch. Von Thomas Tjiang; Illustration: Anton Atzenhofer

Zu den wichtigsten Autobahnprojekten in Bayern gehört der sechsstreifige Ausbau der A3, die überlastete Verbindungsachse von Nürnberg über Würzburg nach Frankfurt. Der Abschnitt zwischen der Anschlussstelle Aschaffenburg und dem Autobahnkreuz Biebelried soll bis 2019 durchgehend ausgebaut sein. Für den weiteren Abschnitt zwischen den Autobahnkreuzen Biebelried und Fürth/Erlangen laufen die Planungen des über 900 Mio. Euro teuren Ausbaus auf Hochtouren. Bis Ende 2015 soll auf der gesamten Strecke Baurecht bestehen. Um bei der Realisierung mehr Tempo auf die Strecke zu bringen, sieht Bayerns Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) als das „Mittel der Wahl“. Herrmann schließt sich damit angesichts „sehr guter Erfahrungen beim Ausbau der A8“ den Überlegungen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt an, weitere Verkehrsinfrastrukturprojekte im Rahmen von ÖPP zu realisieren.

Für das Bundesverkehrsministerium gibt es allerdings keinen typischen ÖPP-Vertrag im Bereich der Bundesfernstraßen. Bisher wurden drei unterschiedliche Arten entwickelt, auf deren Grundlage konkrete Verträge ausgearbeitet werden: Beim A-Modell (Ausbaumodell) plant und baut der Auftragnehmer den sechsstreifigen Ausbau einer bestehenden, hoch belasteten Bundesautobahn, zudem erhält und betreibt er den gesamten Streckenabschnitt, wie etwa beim 400 Mio. Euro teuren Ausbau der A8. Hierfür erhält der Auftragnehmer vom Staat eine Vergütung auf Basis der Lkw-Maut, die von der Verkehrsmenge abhängig ist.

Beim V-Modell (Verfügbarkeitsmodell) plant, baut, betreibt und erhält der ÖPP-Auftragnehmer einen bestimmten Streckenabschnitt. Hierfür zahlt der Bund ein „Verfügbarkeitsentgelt“, das vom Verkehrsaufkommen unabhängig ist und sich nach Umfang und Qualität des bestimmten Streckenabschnittes richtet. Das Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz-Modell (F-Modell) sieht einen privaten Betreiber vor, der selbst baut, betreibt und erhält. Zur Refinanzierung kann er von allen Nutzern selbst eine Maut erheben.

Letztlich geht es für die Wirtschaft vor allem um die beiden Aspekte Zeit und Geld, unterstreicht Ulrich Schaller, Verkehrsreferent der IHK Nürnberg für Mittelfranken. Für mehr Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur spricht, dass der volkswirtschaftliche Schaden durch Staus sehr hoch ist. Zudem hat die öffentliche Hand angesichts der aktuell niedrigen Zinsen einen größeren finanziellen Spielraum.

Allerdings montierte der Bundesrechnungshof in seinem Gutachten zu Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei ÖPP-Projekten, dass das Bundesverkehrsministerium bisherige ÖPP-Projekte bislang nicht systematisch mit konventionell realisierten Straßenbauprojekten verglichen habe. Darüber hinaus seien qualitative Nutzeneffekte nicht nachprüfbar. Das Gutachten rät daher, sich beim Vergleich der beiden Beschaffungsvarianten möglichst auf eindeutige und belastbare Zahlen zu beschränken.

Der Autobahnknoten im Großraum Nürnberg hat aber noch mehr Bedarf. Der sechsstreifige Ausbau zwischen der Landesgrenze Baden-Württemberg/Bayern und dem Autobahnkreuz Nürnberg-Ost mit einer Länge von 88 Kilometern bleibt ein Dauerbrenner. Sechs Kilometer zwischen Roth und dem Autobahnkreuz Nürnberg-Süd sind bereits sechsstreifig ausgebaut. Nun steht der 63 Mio. Euro teure und knapp sechs Kilometer lange Ausbau zwischen dem Autobahnkreuz Nürnberg-Süd und dem Autobahnkreuz Nürnberg-Ost an.

Weiterer Schwerpunkt laut des Bedarfsplans für Bundesfernstraßen ist der sechsstreifige Ausbau der A73 zwischen der Anschlussstelle Forchheim-Süd und dem Autobahnkreuz Fürth/Erlangen mit einer Länge von 19 Kilometern und zwischen der Anschlussstelle Nürnberg-Hafen-Ost und dem Autobahnkreuz Nürnberg-Süd mit einer Länge von sechs Kilometern.

In Planung ist zudem der Umbau des häufig überlasteten Autobahnkreuzes Nürnberg-Ost. Kernstück der Planung ist eine zweistreifige Rampe (sogenannter Overfly) in Fahrtrichtung Heilbronn – Berlin. Erst mit diesem Umbau wird der sechsstreifige Ausbau der A6 seine verkehrliche Wirksamkeit entfalten. Bislang kommt es am Autobahnkreuz Nürnberg-Ost in beiden Fahrtrichtungen regelmäßig zu Rückstauungen auf die A6 und die A9. Nach der Genehmigung soll bis Ende des Jahres das Planfeststellungsverfahren beantragt werden.

Ausbau der Bundesstraßen

Laut Schaller drängt die Wirtschaft auch auf eine Verbesserung der Bundesstraßen. Erfreulich sei der Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau der B14 Nürnberg – Sulzbach-Rosenberg zwischen der A9-Anschlussstelle Lauf/Hersbruck und der Staatsstraße 2236 Richtung Speikern. Gut gehe es auch bei der B2 zwischen Roth und Weißenburg voran. Gerade der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen müsse besser an das Fernstraßennetz angebunden werden: Deshalb rücke die B13 stärker ins Blickfeld. Durch einen konsequenten Ausbau der B13 Ansbach – Ingolstadt würde eine Querachse nach Ingolstadt sowie über die A6 nach Stuttgart entstehen, von der die regionalen Kfz-Zulieferer mit Geschäftsbeziehungen zu Audi profitieren würden.

Beim kommunalen Straßenbau gilt der kreuzungsfreie Ausbau des Frankenschnellwegs in Nürnberg als bayernweit größtes Projekt. Doch das Vorhaben mit einem Volumen von 450 Mio. Euro ist wie viele Verkehrsgroßprojekte in der Warteschlaufe. Denn die für Mai geplanten vorbereitenden Bauarbeiten werden angesichts einer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss in das nächste Jahr verschoben.

Hoffnungen auf einen Geldsegen für Verkehrsprojekte knüpfen sich an den EU-Investitionsplan für Infrastruktur, Forschung und Entwicklung, den EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vorgeschlagenen hatte. Der „Investitionsplan für Europa“ ist zwar selbst nur mit 21 Mrd. Euro ausgestattet, soll aber private Investitionen von rund 315 Mrd. Euro anschieben. Für die Auswahl der Projekte soll ein Investitionsausschuss zuständig sein. Noch nicht sagen lässt sich, ob von der Initiative auch europäische Straßen- und Schienenverkehrsachsen profitieren, die durch die Metropolregion Nürnberg verlaufen.

Unklar ist aktuell auch, ob es bei der Bundesregierung zu einem radikalen Systemwechsel bei Planung, Bau und Unterhalt von Autobahnen kommt. Einem Zeitungsbericht zufolge ist eine Art „Bundesfernstraßengesellschaft“ im Entstehen. Dieser Tochterbetrieb des Staates soll nur mit Maut-Einnahmen, also ganz ohne Steuermittel arbeiten, dafür aber offen für Großinvestoren wie Versicherungen sein. Als Vorbild gilt die staatliche Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (Asfinag) in Österreich. Laut IHK-Experte Schaller ist es viel zu früh, die Realisierungschance dieser Idee zu kommentieren, zumal dafür u.a. die Zuständigkeit der Bundesländer beschnitten werden müsste. Prinzipiell hält Schaller aber eine Nutzerfinanzierung der Bundesfernstraßen für denkbar. Wichtiger als alle Modell-Konstruktionen wäre allerdings eine Neuzuordnung der Einnahmen. „Aus dem Straßenverkehr nimmt der Bund schon heute über 50 Mrd. Euro jährlich ein, er steckt aber nur knapp 23 Mrd. Euro in den Verkehr“, so Schaller.

Autor/in: 

Thomas Tjiang

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2015, Seite 31

 
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