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Verhaltensbedingte Kündigung

Was ist zumutbar?

Kündigung Entlassung Mitarbeiter © vadimguzhva - ThinkstockPhotos

Selbst wenn ein Mitarbeiter ein schweres Fehlverhalten gezeigt hat, muss eine Kündigung genau begründet werden. Von Prof. Dr. Rolf Otto Seeling

Die verhaltensbedingte Kündigung gehört zu den klassischen Themen des Arbeitsrechts: Sie kommt immer dann zum Tragen, wenn ein Fehlverhalten des Mitarbeiters zugrunde liegt. Man spricht rechtlich von einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers – er ist also für sein Tun selbst verantwortlich. Im Gegensatz dazu liegt bei der personenbedingten Kündigung der Kündigungsgrund zwar ebenfalls beim Arbeitnehmer, es handelt sich aber um ein nicht steuerbares Verhalten (z.B. eine Krankheit). Bei der betriebsbedingten Kündigung stammt der Kündigungsgrund aus der Sphäre des Arbeitgebers: Er kann dem Arbeitnehmer kündigen, wenn er diesem kein ausreichendes Arbeitsvolumen mehr anbieten kann.

Wenn ein steuerbares Fehlverhalten des Arbeitnehmers vorliegt, muss sich der Arbeitgeber für eine von mehreren Reaktionsmöglichkeiten entscheiden: Er kann von einer Reaktion gänzlich absehen oder – am anderen Ende des Spektrums – eine außerordentliche und fristlose Kündigung aussprechen. Bei der verhaltensbedingten Kündigung wird unterschieden zwischen der außerordentlichen und fristlosen Kündigung auf der einen Seite und der ordentlichen und fristgerechten Kündigung auf der anderen Seite.

Außerordentliche Kündigung

Die außerordentliche und fristlose Kündigung ist in § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Es muss ein „wichtiger Grund“ für die unfristgemäße Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegen. In Betracht kommen schwerwiegende Pflichtverletzungen, z.B. Straftaten zulasten des Arbeitgebers oder Verstöße gegen das bestehende Wettbewerbsverbot. Ein weiteres Kriterium ist, dass es dem Arbeitgeber angesichts der Schwere des Verstoßes nicht zuzumuten ist, den Mitarbeiter bis zur nächsten ordentlichen Beendigungsmöglichkeit (ordentliche Kündigung oder Ablauf einer Befristung) weiter zu beschäftigen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, muss der Arbeitgeber im Einzelfall jeweils genau prüfen, damit die Entscheidung notfalls auch einer Prüfung vor dem Arbeitsgericht standhält.

Zu beachten ist insbesondere die Interessenabwägung, die das Gesetz vorschreibt und die von den Arbeitsgerichten stets überprüft wird: Für den Arbeitgeber müssen sämtliche mildere Reaktionsmöglichkeiten (z.B. fristgerechte statt fristlose Kündigung oder Abmahnung statt Kündigung) unzumutbar sein. Das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Aufrechterhaltung werden gegenübergestellt.

Bei der Abwägung der Interessen kann im jeweiligen Einzelfall eine Vielzahl von Kriterien ins Spiel kommen, z.B. die „Sozialdaten“ des Arbeitnehmers (Beschäftigungsdauer, Lebensalter, Unterhaltspflichten etc.), das Maß des beschädigten Vertrauens, der Grad des Verschuldens oder die Folgen der Pflichtverletzung. Mit einbezogen in die Betrachtung wird zudem, ob das Arbeitsverhältnis bislang störungsfrei verlaufen ist oder ob es schon häufiger Grund zur Klage über den Mitarbeiter gegeben hat.

Mit der bekannten Emmely-Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Jahr 2010 nochmals deutlich hervorgehoben, welche Bedeutung die Interessenabwägung im Rahmen einer Kündigung beziehungsweise eines Kündigungsschutzprozesses spielt. In dem damals behandelten Fall wurde die fristlose Kündigung einer Verkäuferin, die sich rechtswidrig zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro angeeignet hatte, als unverhältnismäßig erklärt. Besonderen Wert maß das Gericht dabei dem langjährigen und störungsfreien Verlauf des bisherigen Arbeitsverhältnisses zu.

Das bedeutet für die rechtliche Praxis, dass die Arbeitgeber Störungen des Arbeitsverlaufes genau dokumentieren sollten, um später eine mögliche verhaltensbedingte Kündigung begründen zu können. Während Abmahnungen vor der Emmely-Entscheidung nach Ablauf von zwei bis drei Jahren regelmäßig aus der Personalakte zu entfernen waren, dürfen sie nunmehr unbegrenzt in der Personalakte verbleiben. Damit soll der Arbeitgeber in einem eventuellen Rechtsstreit die Möglichkeit haben, auch ältere Abmahnungen vorzulegen und damit zu dokumentieren, dass der Verlauf des Arbeitsverhältnisses bislang nicht störungsfrei gewesen ist. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil aus dem Jahre 2012 als Konsequenz der Emmely-Entscheidung festgestellt.

Ordentliche Kündigung

Eine ordentliche und fristgerechte verhaltensbedingte Kündigung kommt in aller Regel nur dann in Betracht, wenn sich ein Fehlverhalten wiederholt, das bereits einschlägig abgemahnt worden ist. Einschlägig ist eine Abmahnung dann, wenn der Kündigungsgrund und die bereits abgemahnte Pflichtverletzung vergleichbar sind. Eine völlige Übereinstimmung ist nicht erforderlich. Auch hier ist eine Interessenabwägung nötig, bevor die Kündigung ausgesprochen werden kann.

Verdachtskündigung

Für die Praxis hat auch die sogenannte Verdachtskündigung große Bedeutung. Sie ist nicht gesetzlich geregelt, sondern hat sich im Zuge der Rechtsprechung herausgebildet. Die Verdachtskündigung stützt sich auf den ernsthaften und dringenden Verdacht (große Wahrscheinlichkeit), dass der Mitarbeiter eine strafbare Handlung oder eine schwere Pflichtverletzung begangen hat. Dieser Verdacht muss zu einem Bruch des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geführt haben. Der Ausspruch einer Verdachtskündigung ist geboten, wenn der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter die Pflichtverletzung nicht 100-prozentig nachweisen kann. Dies ist in der Regel der Fall, wenn der Mitarbeiter die Verfehlung nicht einräumt und der Arbeitgeber nicht über absolut zwingende Beweismittel verfügt.

Zwingend notwendig für eine Verdachtskündigung ist – im Gegensatz zu einer Kündigung wegen eines eindeutig beweisbaren Verhaltens – eine Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber muss den beanstandeten Sachverhalt genau ermitteln, dem Mitarbeiter die Ergebnisse dieser Ermittlung mitteilen und ihm umgehend Gelegenheit zur Rechtfertigung geben. Erst wenn die Anhörung abgeschlossen ist und der Arbeitnehmer dabei den ernsthaften und dringenden Verdacht nicht ausräumen oder zumindest relativeren kann, darf der Arbeitgeber eine Verdachtskündigung aussprechen.

Die Verdachtskündigung wird normalerweise in der Form der außerordentlichen und fristlosen Kündigung ausgesprochen. Sie ist keine eigenständige Kündigungsform, sondern bildet nur einen eigenständigen Kündigungsgrund, an den die Rechtsprechung mit der Anhörung des Betroffenen eine besondere Voraussetzung knüpft.

Prüfung durch Arbeitsgerichte

Die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung entscheidet sich oft weniger an der Frage, ob eine entsprechende Pflichtverletzung vorliegt, als vielmehr daran, wie die Interessenabwägung zugunsten oder zulasten des Arbeitnehmers ausfällt. Die Arbeitsgerichte prüfen sehr genau, ob die Interessenabwägung ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Wenn auch nur der geringste Zweifel daran besteht, dass dem Arbeitnehmer die Pflichtverletzung tatsächlich zu beweisen ist, muss der Arbeitgeber eine Verdachtskündigung aussprechen, wenn er vor Gericht bestehen will. Er kann dann seine Kündigung also nicht auf eine angeblich begangene Pflichtverletzung stützen, sondern auf einen entsprechenden ernsthaften und dringenden Verdacht.

Autor/in: 

Rechtsanwalt Prof. Dr. Rolf Otto Seeling ist Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie für Handels- und Gesellschaftsrecht bei der Kanzlei Thorwart Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer Partnerschaft mbB in Nürnberg. Zudem lehrt er Wirtschaftsrecht an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Nürnberg (www.thorwart.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2015, Seite 12

 
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