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Digitales Marketing

Verbotene Früchte?

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Im weltweiten Netz können Werbetreibende ihre Zielgruppen so exakt ansprechen wie noch nie. Doch wie steht es um den Datenschutz? Von Jonas Müllenmeister

Für viele Marketing-Experten sind die Möglichkeiten des modernen Online-Marketings wie ein Paradies. Verglichen mit den Einsatzmöglichkeiten von „Ads“ (kurz für Advertisement, also Werbung) im Internet erscheinen Plakate, Zeitungsanzeigen oder Spots kompliziert und unflexibel. Hinzu kommt die sinkende Reichweite von Zeitung und Co, die ganze Bevölkerungsteile kaum noch erreichen. Während klassische Werbung mit Streuverlusten zu kämpfen hat, locken die Betreiber von sozialen Netzwerken die Werbetreibenden hingegen mit süßen Früchten vom Baum der Erkenntnis: umfangreichen Informationen über Benutzer und Zielgruppen.

Noch nie war es so einfach, die Empfänger („Targets“) von geschalteter Werbung im Netz so passgenau mit Werbung zu erreichen („Targeting“). Und noch nie war es so einfach, diese Werbung auf den Weg zu bringen. Während die Gestaltung von Print-Anzeigen oder die Produktion von Werbespots vergleichsweise viel Zeit und Geld kostet, stellen die meisten Online-Werbeanbieter überaus komfortable Werkzeuge zur Verfügung, um Anzeigen im Handumdrehen zu erstellen.

Geringe Streuverluste, automatische und detaillierte Berichte über den Erfolg bestimmter Kampagnen und komfortable Einrichtung bzw. Änderung von Anzeigen zu jedem beliebigen Zeitpunkt sind die größten Vorteile des Marketings in der digitalen Sphäre. Daher ist es kaum verwunderlich, dass das Budget für Online-Marketing seit Jahren im zweistelligen Prozentbereich zunimmt und in diesem Jahr laut Prognosen der Agenturgruppe Zenithoptimedia erstmals die Ausgaben für Zeitungsanzeigen übersteigt. Ein Ende des Trends ist nicht in Sicht.

Formen des Online-Marketings

Klassische Online-Werbung: Der Werbetreibende gestaltet Banner, Pop-Ups oder Layer-Ads (Anzeigen, die sich über den Inhalt einer Seite legen) und bezahlt entweder Betreiber von Webseiten oder ein Werbenetzwerk dafür, die Werbung zu zeigen. Dabei gibt es immer mehr Möglichkeiten, die Zielgruppen genauer zu treffen. Einerseits, indem direkt gesteuert wird, auf welchen Seiten die Anzeigen erscheinen, andererseits durch Algorithmen (z.B. Texterkennung) oder die Analyse von Benutzerinteressen, wie sie beispielsweise das Werbenetzwerk von Google anbietet. Besonders interessant für Online-Händler ist das „Retargeting“: Benutzer, die sich bestimmte Webseiten auf der eigenen Homepage (z.B. ein Produkt) ansehen, werden durch das Setzen eines Cookies oder durch den Einbau eines Codes markiert. Schließen sie den Kauf im Online-Shop nicht ab, wird ihnen später auf anderen Seiten Werbung für das angesehene Produkt präsentiert.

Social Media Marketing (SMM): Bei keiner anderen Marketingform sind die Möglichkeiten, eine präzise Nutzergruppe anzusprechen, so groß wie beim Social Media Marketing. Wichtigste Plattform ist Facebook, das nach Nutzerzahlen und Werbeumsatz größte Netzwerk. Die Optionen, die der amerikanische Konzern bietet, sind äußerst umfangreich. So lässt sich Werbung an Nutzergruppen schicken, die bestimmte Kriterien erfüllen („Frauen, wohnhaft im Umkreis von Ansbach, interessiert an Mode…“). Welche Kriterien zur Auswahl stehen, verändert sich laufend. Eine andere Option sind „Custom Audiences“: Werbeanzeigen können an einen Personenkreis geschickt werden, der dem Werbetreibenden bereits bekannt ist. Zum Beispiel kann dazu eine Liste mit E-Mail-Adressen hochgeladen werden. „Custom Audiences“ können aber auch Nutzer sein, die eine Unternehmens-App verwenden oder die Internet-Seiten eines Unternehmens besuchen. Wie beim Retargeting wird der Nutzer dazu über einen Code identifieziert. In Kombination sind diese Werkzeuge besonders mächtig. Ein Unternehmen könnte beispielsweise die E-Mail-Adressen von Nutzern, die ein bestimmtes Produkt im Webshop gekauft haben, an Facebook schicken – und anschließend Werbung an Nutzer schicken, die den bisherigen Käufern ähnlich sind („Lookalike Audiences“).

Mit diesen Angeboten drängt Facebook in den Markt. Auf großen Veranstaltungen wie der „Facebook Pro“ in München sollen Unternehmen davon überzeugt werden, (mehr) Geld in Facebook-Werbung zu investieren. Dabei verweist das Unternehmen auf die Erfolge, die über die Plattform auch in Deutschland bereits erzielt werden: Einer Deloitte-Studie zufolge ermöglichte Facebook zwischen Oktober 2013 und Oktober 2014 weltweit wirtschaftliche Aktivitäten in Höhe von 227 Mrd. Dollar, auf Deutschland entfielen davon sieben Mrd. Dollar. Außerdem sollen in Deutschland etwa 84 000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt durch Facebook entstanden sein.

Suchmaschinen-Marketing (SEM): Auf das Suchmaschinen-Marketing entfällt momentan in Deutschland der Löwenanteil des Online-Werbebudgets. Dabei werden bestimmte Suchworte bzw. Suchwortkombinationen gewählt, für die Anzeigen erscheinen sollen (z.B. „Eisdiele Nürnberg“). Wenn mehrere Werbetreibende um den Anzeigenplatz konkurrieren, erhält derjenige den Zuschlag, der Google mehr Geld einbringt. Das ist im Normalfall derjenige, der mehr Geld pro Klick zahlt. Für regionale Unternehmen bietet das Suchmaschinen-Marketing sehr gute Möglichkeiten: Wer sich bei der Wahl von Suchbegriffen Mühe macht und eine aussagekräftige Anzeige schreibt, kann Google-User (und wer ist das nicht?) einfach und kostengünstig auf die eigene Webseite locken.

Affiliate-Marketing: Affiliate-Marketing kann aus allen angesprochenen Marketingformen bestehen. Unternehmen schalten allerdings nicht selbst Werbung, sondern beauftragen Affiliate-Anbieter damit, bestimmte Ziele zu erreichen, und bezahlen diese Anbieter mit Provisionen.

Mobile-Marketing: Laut Studie von Zenithoptimedia ist der Bereich des Mobile-Marketing der größte Wachstumstreiber für das Online-Marketing. Die Vision von der passgenauen Werbung für den potenziellen Kunden exakt in dem Moment, in dem er am Geschäft vorbeigeht, ist nicht neu. Was für Händler eine Utopie ist, schockiert einige Smartphone-Nutzer, die sich verfolgt und ausgespäht fühlen.

Problemfeld Datenschutz

Viele Online-Marketing-Formen sind für Datenschützer ein Sündenfall. Insbesondere die beiden „Datenkraken“ Google und Facebook (aufgrund der marktbeherrschenden Stellung ohnehin unter besonderer Beobachtung) stehen im Fokus der Kritik. „Personenbezogene Daten dürfen für Online-Marketing nur erhoben und genutzt werden, wenn es eine Rechtsgrundlage gibt oder der Nutzer explizit einwilligt“, erläutert das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA). Unternehmen könnten sich absichern, indem sie Nutzer klar darauf aufmerksam machen, welche Daten zu welchen Zwecken erhoben werden, Einverständniserklärungen einholen und Widerspruchsmöglichkeiten anbieten. Zusätzlich sollten Informationen zur Nutzung erhobener Daten für den Nutzer schnell erreichbar sein.

Werden auf einer Webseite Cookies oder Codes eingesetzt, um Nutzer zu identifizieren, müssen die Nutzer darüber und über Widerspruchsmöglichkeiten aufgeklärt werden. Den Einsatz der „Custom-Audiences“ ohne Einwilligung hält das Amt für besonders problematisch, da offenbar keine Anonymisierung der Daten erfolgt. Eine unzulässige Nutzung personenbezogener Daten kann nach Aussage der Behörde je nach Sachlage ein Bußgeld von bis zu 300 000 Euro nach sich ziehen. Zusätzlich zu Datenschutzbestimmungen müssen Unternehmen außerdem das Wettbewerbsrecht (z.B. belästigende Werbung) und das Telemediengesetz beachten.

Neben Datenschützern wehren sich auch Nutzer gegen die als aufdringlich empfundene Werbung. Wer technisch versiert ist, greift auf Ad-Blocker zurück, deaktiviert Cookies oder surft anonymisiert im Netz.

Nicht zuletzt hat das Thema Online-Marketing auch marktwirtschaftliche Auswirkungen: Die beiden größten Anbieter in diesem Bereich (Google und Facebook) haben ihren Sitz im Ausland und unterhalten allenfalls Tochterfirmen in Europa, oft in Steueroasen. Wenn Werbebudgets von regionalen Medien ins Netz abwandern, gehen also auch Steuereinnahmen und Investitionen in Deutschland verloren. Auch Arbeitsplätze werden kaum geschaffen: Facebook beschäftigt weltweit nur rund 3 200 Mitarbeiter, für die DACH-Region sind es lediglich 150 Mitarbeiter. Wie viele davon in Deutschland arbeiten, ist unklar.

Auch wenn viele Unternehmen noch immer klassische Werbung bevorzugen, die man in der Hand halten, im Radio hören oder auf dem Bildschirm sehen kann, wird das Budget für Online-Marketing weiter wachsen. Zu vielfältig sind die Einsatzmöglichkeiten der neuen Werbeformen und zu groß das Potenzial für Unternehmen. Fraglich bleibt, wie sich kleine Firmen gegen die großen Marken im Kampf um begrenzte Werbeplätze durchsetzen können und wie die Entwicklung im Bereich des Mobile-Marketing weitergeht.

Autor/in: 

Jonas Müllenmeister ist Online- und Social-Media-Redakteur bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken (jonas.muellenmeister@nuernberg.ihk.de, 0911 1335-310)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2015, Seite 44

 
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