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Lieferketten

Fairness beim Einkauf

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Unternehmen profitieren langfristig, wenn sie Verantwortung für die Arbeitsbedingungen bei ihren Zulieferern übernehmen. Von Dr. Nick Lin-Hi

Von Unternehmen wird heute erwartet, dass sie gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und ihre Geschäfte auf faire Art und Weise betreiben. Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen – auch als Corporate Social Responsibility (CSR) bezeichnet – bezieht sich dabei auf sämtliche Wertschöpfungsaktivitäten eines Unternehmens und schließt damit auch Lieferketten mit ein. Unternehmen haben eine Verantwortung für Arbeitsbedingungen bei ihren Zulieferern und müssen daran mitwirken, dass grundlegende Arbeits- und Sozialstandards eingehalten werden. Handlungsbedarf besteht dabei insbesondere bei Produktionsstätten in Schwellen- und Entwicklungsländern, in denen die Arbeitsbedingungen nicht selten mangelhaft sind.

Die Praxis zeigt, dass sich viele Unternehmen schwer damit tun, Verantwortung für ihre Lieferketten zu übernehmen. Bisweilen vertreten sie die Ansicht, dass die Verantwortung für Arbeitsbedingungen bei den Lieferanten selbst oder bei den jeweiligen Nationalstaaten liege. Außerdem wird vorgebracht, dass es an eigenen Möglichkeiten mangele, auf Lieferanten effektiv einzuwirken und diese zu kontrollieren. An manch anderen Unternehmen ist das Thema schlichtweg vorbeigegangen.

Die aktuelle Zurückhaltung bei diesem Thema kann vor allem darauf zurückgeführt werden, dass die Sicherstellung von sozial vertretbaren Arbeitsbedingungen in Lieferketten mit hohem Aufwand verbunden ist. So müssen beispielsweise verlässliche Informationen über Lieferanten eingeholt werden. Hinzu kommen Opportunitätskosten, etwa wenn mit hohem Zeitaufwand nach geeigneten Lieferanten gesucht wird oder wenn sich die Zahl der potenziellen Zulieferer angesichts der selbst gestellten Anforderungen verringert. Außerdem können bessere Arbeits- und Sozialstandards auch zu höheren Einkaufspreisen führen. So betrachtet ist es verständlich, dass Unternehmen die Kontrolle der Arbeitsbedingungen bei ihren Lieferanten häufig als lästige und kostspielige Pflichtaufgabe sehen.

Deshalb ist es lohnenswert, einmal die Perspektive zu wechseln und zu fragen, welche positiven Effekte durch bessere Arbeits- und Sozialstandards geschaffen werden können. Ausgangspunkt ist das in der westlichen Welt empirisch abgesicherte Argument, dass sich bessere Arbeitsbedingungen positiv auf die Einstellungen von Mitarbeitern auswirken und deren Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit erhöhen. Verschiedene Studien zeigen einen positiven Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und Leistungsniveau – dies wurde auch für Produktionsstätten in Schwellen- und Entwicklungsländern nachgewiesen. Beispielsweise wurde im Rahmen von experimentellen Untersuchungen gezeigt, dass die Produktionsmenge pro Zeiteinheit durch verbesserte Arbeitsbedingungen um über zehn Prozent gesteigert werden kann.

Diese positiven Effekte kommen auch den einkaufenden Unternehmen zugute. Häufig gewährleisten Lieferanten mit besseren Arbeitsbedingungen auch eine höhere Produktqualität. Hinzu kommt, dass die Sicherstellung von grundlegenden Arbeits- und Sozialstandards hohe Anforderungen an das Management stellt. Lieferanten, die in der Lage sind, gute Standards sicherzustellen, verfügen daher oft auch über Vorteile in den Bereichen Kundenorientierung, Problemlösung und Flexibilität. Langfristig betrachtet gibt es für Unternehmen insgesamt gute Gründe, sich mit den Arbeitsbedingungen ihrer Zulieferer zu beschäftigen. Anders formuliert: Es macht Sinn, nicht allein auf den Aufwand und die Kosten von guten Arbeitsbedingungen zu schauen, sondern ebenso damit verbundene Vorteile in den Blick zu nehmen.

Unternehmen, die sich dazu entschließen, gute Arbeitsbedingungen bei ihren Lieferanten zu befördern, können dies am besten mit einem partnerschaftlichen Ansatz tun. Im Kern bedeutet dies, Lieferanten bei der Verbesserung der Standards nicht alleine zu lassen, sondern sie aktiv zu unterstützen. Ein zentraler Aspekt ist dabei Fairness beim Einkauf, wozu u.a. langfristige Vertragsbeziehungen und frühzeitige Orderplatzierungen gehören. Verantwortungsbewusste Betriebe machen faire Arbeitsbedingungen zu einem festen Kriterium beim Einkauf und treffen Einkaufsentscheidungen nicht allein auf Basis des Preises. Schließlich ist es logisch, dass die Partner in Schwellen- und Entwicklungsländern nur dann bereit sein werden, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, wenn sie hierdurch keine Nachteile im Wettbewerb haben.

Autor/in: 

Dr. Nick Lin-Hi verwaltet die Professur für Wirtschaft und Ethik an der Universität Vechta und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen. Mit der IHK Nürnberg für Mittelfranken arbeitet der Unternehmensethiker und Strategieforscher seit Jahren bei den Themen CSR und Ehrbarer Kaufmann zusammen (nick.lin-hi@uni-vechta.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2015, Seite 18

 
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