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Mexiko

Geht die Fiesta weiter?

Innenstadt von Guanajuato.

Das Land ist ein aufstrebender Industriestandort, aber Korruption und Kriminalität wirken abschreckend auf Investoren.

Die zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas rückt zunehmend in den Fokus der deutschen Außenwirtschaft. Die Nähe zu den USA, die positive Haltung gegenüber dem Freihandel und die gute Diversifizierung der Volkswirtschaft machen Mexiko zu einem attraktiven Standort für Handel und Investitionen. Dies schlägt sich auch in den aktuellen Zahlen nieder: Im vergangenen Jahr erreichten die deutschen Exporte nach Mexiko ein Volumen von rund elf Mrd. Euro, was ein Plus von 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutete. Mexiko hat damit Brasilien als wichtigstes Zielland für deutsche Ausfuhren in Lateinamerika abgelöst.

Seit 1994 ist Mexiko Mitglied des nordamerikanischen Freihandelsbündnisses Nafta, zu dem auch die USA und Kanada gehören. Der ungehinderte Waren- und Dienstleistungsverkehr insbesondere mit den USA hat seitdem stark zugenommen und die Industrialisierung Mexikos vorangetrieben, so der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Mexiko ist außerdem Gründungsmitglied der 2012 gegründeten Pazifik-Allianz. Durch die Mitgliedschaft in beiden Wirtschaftsbündnissen nimmt das Land eine Sonderrolle innerhalb des amerikanischen Kontinents ein. Wer in Mexiko fertigt, kann mit fast allen großen Volkswirtschaften des Kontinents frei und ungehindert Handel betreiben.

Im Jahr 2000 wurde zudem ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union unterzeichnet. Seither haben beide Seiten die Zölle auf sämtliche Industrie- und auf einige Landwirtschaftsprodukte abgeschafft. Mit der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) nimmt Mexiko an einem weiteren Integrationsprozess im Welthandel aktiv teil. Das Abkommen wurde Anfang Februar 2016 von den zwölf beteiligten Staaten unterzeichnet, die Ratifikation steht allerdings noch aus.

Nahezu ohne Hindernisse können Industrieprodukte von Mexiko aus in 45 Staaten der Welt mit zusammen 1,1 Mrd. Einwohnern exportiert werden. Deshalb und insbesondere auch wegen des offenen nordamerikanischen Markts haben sich in Mexiko viele Unternehmen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern angesiedelt, die sehr exportorientiert sind. Trotzdem sieht sich das Land unter Druck: Mit dem Inkrafttreten des Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA würde ein wesentlicher Standortvorteil Mexikos gegenüber den nördlichen Nachbarn wegfallen. Denn dann hätten Unternehmen auch einen freien Marktzugang nach Europa, wenn sie direkt in den USA investieren.

Um seine Vorreiterrolle weiter auszubauen, strebt Mexiko deshalb an, sein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union noch vor der Unterzeichnung von TTIP zu erweitern und zu modernisieren. 2015 trafen sich Mexikos Wirtschaftsminister Ildefonso Guajardo und EU-Kommissarin Cecilia Malmström in Brüssel. Sie sind sich einig darüber, dass neben der Einbeziehung weiterer Zolllinien insbesondere die Vereinheitlichung von Normen und Standards zum weiteren Abbau von Handelshemmnissen beitragen kann.

Boom der Automobilindustrie

Wichtigster Sektor der mexikanischen Exportwirtschaft ist neben dem derzeit schwachen Öl-und Gassektor die Automobilindustrie. Mexiko ist der siebtgrößte Automobilhersteller der Welt. Die Zulieferindustrie wächst seit 2008 um jährlich sieben Prozent und konnte bis 2015 ihre Umsätze nahezu verdoppeln. Drei Viertel davon entfallen auf den Export, 90 Prozent davon wiederum auf die USA.

Volkswagen ist seit über 50 Jahren im Land und betreibt in Puebla seine zweitgrößte Produktionsstätte nach dem Stammwerk in Wolfsburg. Audi beginnt in seinem neu errichteten Werk mit der Produktion des Q5 für den Weltmarkt. Bei BMW sollen ab 2019 im Bundesstaat San Luis Potosí Autos vom Band rollen, und Mercedes-Benz baut gemeinsam mit Nissan ein Werk im benachbarten Bundesstaat Aguascalientes.

Mexiko ist als Gesamtwirtschaft von den niedrigen Ölpreisen nicht so stark betroffen wie andere Länder des Kontinents. Trotzdem steckt der gesamte Öl- und Gassektor in einer tiefen Krise. Der staatliche Ölförderkonzern Pemex hat seit dem Höchststand von 2013 etwa 30 000 Arbeitsplätze abgebaut und jüngst angekündigt, das Unternehmensbudget für 2016 um 20 Prozent zu senken. Pemex ist der größte Arbeitgeber des Landes und beschäftigt immer noch über 120 000 Mitarbeiter, gilt aber als wenig effizienter Staatskonzern.

In der schwierigen Situation liegt nach Einschätzung des DIHK aber auch eine Chance, die begonnene Privatisierung des Öl- und Energiesektors voranzutreiben. Mexiko wird auch ein zunehmend interessanter Standort für erneuerbare Energien, weil die Regierung versucht, die einseitige Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern. Technologisches Know-how von deutschen Unternehmen ist dafür sehr willkommen.

Berufliche Bildung

Durch den hohen Industrialisierungsgrad und die positive Wirtschaftsentwicklung steigt der Bedarf an gut qualifizierten Fachkräften in Mexiko schnell an. Das Land sucht internationale Unterstützung und arbeitet mit zahlreichen Partnern intensiv zusammen, um die Ausbildungssituation zu verbessern. Dabei spielt die duale Berufsbildung nach deutschem Vorbild eine wichtige Rolle: Die großen deutschen Unternehmen vor Ort, insbesondere aus der Automobilbranche, sind mit umfangreichen Pilotprojekten aktiv. Auch die deutsche Auslandshandelskammer (AHK) in Mexiko ist auf dem Gebiet der beruflichen Ausbildung besonders engagiert. Anlässlich des Besuchs von Mexikos Staatspräsident Enrique Peña Nieto in Deutschland haben der DIHK, die AHK Mexiko und der mexikanische Dachverband CCE (Consejo Coordinador Empresarial) im April 2016 in Berlin ein Memorandum of Understanding zur Vertiefung der Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung unterzeichnet.

Mexiko hat in den letzten Monaten allerdings nicht so sehr wegen seiner guten Wirtschaftszahlen für weltweite Schlagzeilen gesorgt, sondern mehr durch Korruptionsskandale und die als kritisch eingestufte Sicherheitslage. Im Korruptionswahrnehmungsindex steht das Land gemeinsam mit Mali und den Philippinen lediglich auf Platz 95 der Welt. Die Kriminalitätsrate ist hoch, was sich negativ auf das Wirtschaftsklima niederschlägt und einen Standortnachteil z.B. gegenüber dem Süden der USA bedeutet. Mexiko müsse den Weg zu mehr institutioneller Stabilität auch im Interesse seiner Wirtschaftsentwicklung konsequent weitergehen, so der DIHK. Hier habe das Land dringenden Handlungsbedarf, um für Investoren weiterhin interessant zu bleiben.

Beim Thema Bürokratieabbau hat Mexiko laut DIHK in den letzten Jahren einige Fortschritte gemacht, dürfe aber in seinen Anstrengungen nicht nachlassen. Deutsche Unternehmen beklagen sich nach wie vor über komplizierte und oft intransparente Verwaltungsvorgänge, z.B. bei öffentlichen Ausschreibungen.

Wenn Mexiko es schafft, seine Schwächen in den Griff zu bekommen, dann wird seine wirtschaftliche Bedeutung innerhalb des amerikanischen Kontinents nach Auffassung des DIHK noch wachsen. Dann kommen die vielen Chancen, die das Land dank seiner guten Wirtschafts- und Industriepolitik bietet, noch stärker zum Tragen – auch für deutsche Unternehmen.

Autor/in: 

(DIHK)

 

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2016, Seite 23

 
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