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Sklaverei und Menschenhandel

Keine Ausbeutung in der Lieferkette

Mit dem Modern Slavery Act sagt Großbritannien der Sklaverei den Kampf an. Betroffen sind auch deutsche Unternehmen.

Sklaverei ist keine historische Erscheinung, sondern noch heute für 25 bis 35 Mio. Menschen weltweit bittere Realität. Nach Schätzung der International Labor Organization (ILO), einer Unterorganisation der Uno, wird jährlich ein Gewinn von rund 150 Mrd. US-Dollar durch die Ausbeutung von Arbeitssklaven erzielt. Dem will Großbritannien mit dem Modern Slavery Act Einhalt gebieten, der verschiedene Formen moderner Sklaverei verbietet. Darüber hinaus verpflichtet das Gesetz Unternehmen zu einer jährlichen Veröffentlichung, welche Maßnahmen es gegen moderne Formen von Sklaverei unternommen hat. Betroffen von dem britischen Gesetz, das einen Vorgeschmack auf das zum Jahresende fällige Gesetz zur Umsetzung der sogenannten CSR-Richtlinie (2014/95/EU) gibt, sind auch zahlreiche deutsche Firmen.

Nach § 54 des Modern Slavery Act muss ein Wirtschaftsunternehmen jährlich erklären, welche Maßnahmen es unternommen hat, um sicherzustellen, dass Sklaverei und Menschenhandel weder in seiner eigenen Organisation noch in seinen Lieferketten stattfindet. Unabhängig vom Sitz des Unternehmens gilt diese Veröffentlichungspflicht für alle Unternehmen, die

  • Güter oder Hilfsleistungen anbieten,
  • Geschäfte im Vereinigten Königreich betreiben (wenn auch nur teilweise) und
  • einen Umsatz von 36 Mio. Pfund weltweit erzielen (derzeit ca. 45 Mio. Euro).

Welchen Inhalt die Erklärung haben muss, ist im Gesetz nicht vorgeschrieben. Dort wird lediglich vorgeschlagen, die Erklärung solle sich beziehen auf die

  • Struktur des Unternehmens und seine Lieferketten,
  • seine Richtlinien in Bezug auf Sklaverei und Menschenhandel,
  • seine Prüfprozesse hinsichtlich moderner Sklaverei,
  • die insoweit besonders riskanten Unternehmensbereiche,
  • vorbeugende Schritte gegen Sklaverei und Menschenhandel,
  • die Wirksamkeit dieser Schritte und
  • diesbezügliche Schulungen der Mitarbeiter.

Die Erklärung muss von der Geschäftsleitung genehmigt, von einem Organ unterzeichnet und an prominenter Stelle auf der Website veröffentlicht werden. Die Konzernmutter darf die Erklärung zentral für ihre Töchter abgeben, sofern die Maßnahmen jeder Tochter beschrieben werden.

Das Gesetz sieht keine Sanktionen wie etwa Strafen oder Geldbußen für den Fall fehlender oder unzureichender Erklärungen vor. Die britische Regierung kann die Firma lediglich per einstweiliger Verfügung eines Gerichts verpflichten lassen, eine entsprechende Erklärung zu veröffentlichen. Aus derzeitiger Sicht erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass die Regierung gegen deutsche Unternehmen derart vorgeht. Die „Musik“ des Gesetzes, also seine eigentliche Brisanz, spielt auf einem anderen Feld: der Öffentlichkeit. Es geht vor allem um Rufschäden, die dem Unternehmen bei Verbrauchern, gewerblichen Kunden und der Zivilgesellschaft entstehen, zumal wenn Aktivisten auf entsprechende Defizite des Unternehmens hinweisen.

Prozessrisiken in den USA

Darüber hinaus – und das ist der riskanteste Teil des Gesetzes – drohen gerade aus den erhöhten Transparenzpflichten unabsehbare Prozessrisiken in den USA. Dort werden viele Unternehmen wegen behaupteter Menschenrechtsverletzungen in ihrer Lieferkette verklagt. Beispiele aus 2015 betreffen namhafte Unternehmen wie Costco, Hershey, Mars, Mitsubishi, Mitsui, Nissan und Procter & Gamble. Weitere Branchen im Fokus der Sammelkläger sind die Schokoladen-, Getränke-, Kaffee-, Gentechnik-, Palmöl-, Technologie- und Fischindustrie sowie der Einzelhandel.

In einem sogenannten „Leading Case“ in Kalifornien haben drei ehemalige Kinderarbeiter aus der Elfenbeinküste drei weltweit führende Schokoladenkonzerne verklagt. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagten (a) Kakao von Bauern aus der Elfenbeinküste erwarben, (b) diesen Bauern finanzielle und technische Hilfe leisteten und (c) durch Besuche vor Ort von der Kindersklaverei dort wussten. Die Kläger schlossen von Pressemitteilungen der Konzerne auf entsprechende Kenntnis, das Gericht folgte dieser Klägerlogik und ließ die Klage zu. Somit sehen sich die drei Unternehmen einem umfassenden Gerichtsverfahren ausgesetzt, das in diesen Wochen beginnt. In einem zweiten Gerichtsprozess in Delaware klagt derzeit ein Pensionsfonds, der als Aktionär an Hershey beteiligt ist, auf Einsicht in Hersheys Bücher, um angebliches Fehlverhalten in Bezug auf Kinderarbeit zu belegen. Damit soll ein behaupteter Schaden durch Wertverlust der Aktie erwiesen werden. Auch bei der Zulassung dieser Klage schloss das Gericht aus den besonderen Nachhaltigkeitsbemühungen von Hershey auf deren Kenntnis von den Menschenrechtsverletzungen vor Ort. Nicht hilfreich für Hershey war insbesondere eine Pressemitteilung, in der das Unternehmen „bis 2020 Produkte frei von Kinderarbeit“ zusagt.

Die gesetzlich geforderten Transparenzpflichten bergen somit erhebliche Prozessrisiken in den Vereinigten Staaten. Bei der Entscheidung, ob und inwieweit man diesen Pflichten nachkommen soll, sind somit die Prozessrisiken maßgeblich zu berücksichtigen.

  • Der Erklärung zu Sklaverei und Menschenhandel, die die Unternehmen dem Gesetz zufolge vorlegen müssen, kann u.a. durch folgende Aspekte Genüge getan werden: Erwartungen an Zulieferer in einem Zulieferer-Kodex normieren
  • Unterrichtung der Zulieferer hierüber
  • jährliche Bewertung der Zulieferer
  • Risikoprofile der Zulieferer erstellen
  • Zertifizierung von Zulieferern verlangen
  • Verstöße sanktionieren
  • Meldesystem errichten
  • Schulung der Mitarbeiter, gegebenenfalls auch der Zulieferer

Alternativ zur Erklärungspflicht über die Schutzmaßnahmen des Unternehmens bietet das Gesetz auch die Möglichkeit eines sogenanntes Negativattests: Demnach kann das Unternehmen erklären, es habe keinerlei Schritte zur Verhinderung von Sklaverei und Menschenhandel unternommen. Ein solches Negativattest ist jedoch schon wegen der negativen Wirkung in der Öffentlichkeit nicht anzuraten.

Autor/in: 

Dr. Mark Zimmer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, ist Partner bei Gibson, Dunn & Crutcher LLP in München (MZimmer@gibsondunn.com). Er berät und vertritt Unternehmen in arbeitsrechtlichen und Compliance-Fragen.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2016, Seite 26

 
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