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Bayerisches Reinheitsgebot

Gott erhalt’s

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Seit 500 Jahren soll in Bayern nur Hopfen, Gerste, Hefe und Wasser ins Bier kommen.

Es gibt wohl kein Gesetz, das so ausgiebig gewürdigt und gefeiert wird, wie das „Bayerische Reinheitsgebot“, das einst im Rahmen einer bayerischen Landesordnung am 23. April 1516 in Ingolstadt erlassen wurde. Demnach soll allein Gerste (Malz), Hopfen und Wasser genutzt werden (die Hefe wurde dabei nicht eigens erwähnt), um die Qualität des weit verbreiteten Getränks zu sichern, von dem Martin Luther einst sagte: „Wer kein Bier hat, hat nichts zu trinken.“ Es ist das älteste, schriftlich niedergelegte Lebensmittelgesetz, unterstreicht Gerhard Ilgenfritz, Chef der Landwehr-Bräu im mittelfränkischen Steinsfeld und zugleich Verbandschef der Privaten Brauereien Bayerns. 1906 übernahm das Deutsche Reich mit dem Reichsgesetz für die Bierherstellung im Wesentlichen die Regelungen des Bayerischen Reinheitsgebotes.

Die gesetzlichen Aktivitäten vor einem halben Jahrtausend sollten die Bürger vor minderwertigen oder gar giftigen Zusätzen schützen. Außerdem versuchte die damalige Regelung, einen Preis von einem Pfennig Münchener Währung für eine bayerische Maß festzuschreiben. Schließlich sollten Nahrungsmittelknappheit und Hunger dadurch bekämpft werden, dass Weizen nicht von den Brauern, sondern nur von den Bäckern für ihr Brot genutzt werden durfte.

Auf lokaler Ebene, so der Verband der Privaten Brauereien, gab es in Sachen Bier noch ältere, ähnliche Regelungen. In Nürnberg beschloss 1293 der Stadtrat, dass nur noch Gerste zum Brauen verwendet werden darf. Auch Augsburg (1156), Weimar (1348), München (1363) oder Weißensee (1434) hatten vergleichbare Vorschriften.

Ilgenfritz hält das Reinheitsgebot „nach wie vor für ganz wichtig“, Verbraucher schätzten es als Qualitätssiegel. Es gebe dem deutschen Bier in der Welt ein Alleinstellungsmerkmal, das den Export für eine wachsende, bierdurstige Weltbevölkerung unterstützt. Konservierungsstoffe, künstliche Aromen oder Schaumstabilisatoren sind in deutschen Sudkesseln tabu. Der Verbandschef erklärt aber auch, dass sich mancher deutsche Brauer auf dem Reinheitsgebot ausgeruht habe, ohne die Möglichkeiten an Geschmack auszureizen.

Auch bei der Qualität habe sich der eine oder andere Brauer nicht ausreichend engagiert. In letzter Zeit hätten zudem Rückstände des Pflanzenschutzmittels Glyphosat im Bier die Verbraucher irritiert. Hier gibt Ilgenfritz aber zumindest für die Region Entwarnung und verweist dabei auf eine Untersuchung von Bieren aus dem Nürnberger Großraum: „Regionale Brauereien arbeiten verantwortungsvoll.“ Er sieht in punkto Qualität die großen „Fernsehbiere“ in der Pflicht, die sich unter dem Dach globaler Konzerne mit einem zentralen Rohstoffeinkauf eher an Preis und Menge orientierten. Seine Brauerei habe dagegen – wie andere Berufskollegen auch – eine Erzeugergemeinschaft gegründet, um die Qualität vor Ort kontrollieren zu können und dem Verbrauchertrend zu regionalen Produkten entgegenzukommen.

Regionale Biere legen zu

Die Vorliebe für Regionales lässt sich auch an der Statistik ablesen: Während im letzten Jahr der Umsatz von nationalen Pilsmarken, Handelsmarken und Billigbieren um rund 2,5 Prozent zurückging, legte das Geschäft mit regionalen Bieren um über drei Prozent zu. Die 288 nordbayerischen Brauer konnten ihren Umsatz sogar um fast sechs Prozent steigern. In Mittelfranken ist die Zahl der Betriebe dem Verband zufolge stabil geblieben: 65 Brauereien beschäftigen durchschnittlich 15 Mitarbeiter. Bei einigen mittelfränkischen Kollegen sieht Ilgenfritz aber Ertragsprobleme. Die Branche setze deshalb zunehmend auf qualitative Aspekte, wozu u.a. auch gentechnikfreie Rohstoffe gehören.

Wichtigster Trend auf dem Biermarkt sind die überall aus dem Boden sprießenden Klein- und Kleinstbrauereien, die sich unter dem Schlagwort Craft Beer einem handwerklichen Brauprozess und großer Experimentierfreude verschrieben haben. In Nürnberg ist beispielsweise gerade die Bier-Manufaktur Eppelein & Friends an den Start gegangen, die lediglich bis zu 6 000 Flaschen pro Biersorte und Jahr abfüllen will.

Schon die Klassiker der Bierrohstoffe Gerste, Hopfen und Wasser bieten immer noch viele, nicht ausgereizte Möglichkeiten, um eine besondere Geschmacksvielfalt zu erreichen. Gerstenmalz und Hopfen bieten ein schon fast unübersehbares Spektrum. Der European Beer Star, der jährlich in Nürnberg anlässlich der Fachmesse BrauBeviale verliehen wird, berücksichtigte zuletzt 55 verschiedene Kategorien. Auf dem Vormarsch sind auch Varianten, die ausländische Kleinbrauer mit Früchten oder Kräutern als weitere Zutaten produzieren. Kirsch- oder Rhabarberbier sind außerhalb des Reinheitsgebots schon Normalität, selbst in Deutschland ist es mit einer Sondergenehmigung möglich, solche Biere zu produzieren.

Die Anbieter von Braumaschinen haben auf diese Entwicklung mit Mini-Anlagen reagiert. Glashersteller bringen immer ausgefallenere Formen auf den Markt, um der Vielfalt an Bieren gerecht zu werden. Im Getränkehandel positionieren sich neue Anbieter – in Anlehnung an die Vinotheken – als Fachgeschäfte, z.B. die Bamberger Franchisekette Bierothek mit Geschäften in Nürnberg, Fürth und Erlangen. In Nürnberg preist außerdem das Bier Kontor auch ein dänisches Himbeerbier oder ein japanisches Real Ginger Ale mit frischem Ingwer an.

Veranstaltungen zum Jubiläum

Zum 500-jährigen Jubiläum des Reinheitsgebotes gibt es eine Vielzahl von Veranstaltungen und touristischen Angeboten in Nordbayern. So empfiehlt der Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) den „Fünf-Seidla-Steig“, einen Brauereiwanderweg in der südlichen Fränkischen Schweiz, um sich über die Geschichte des Bieres zu informieren und fränkische Brauereien kennenzulernen. Die Stadt Nürnberg hat unter der Überschrift „Kulinarik“, auch Biergeschichte, Handwerk und Braukunst ins Blickfeld der Stadtbesucher gerückt. Der Tourismusverband Franken verweist auf die großen Traditionsfeste wie die Erlanger Bergkirchweih und das Fränkische Bierfest in Nürnberg.

Für das Bierfest (www.bierfest-franken.de) wird im Jubiläumsjahr eigens ein „MinneSeidla“ von der Schlossbrauerei Ellingen eingebraut, nach dem Vorbild jener Biere, die es vor 500 Jahren in Franken gab. Es enthält acht verschiedene Getreidearten sowie historische Hefe- und Hopfensorten. Einen Überblick über fränkische Brauereien, typische Bierspezialitäten, erlebnisreiche Biertouren und vieles mehr hat der Tourismusverband Franken auf der Website „Franken – Heimat der Biere“ gebündelt (www.franken-bierland.de).

Viel Wissenswertes über die Biergeschichte entdeckt man auch bei einem Besuch der Ausstellung „500 Jahre Reinheitsgebot – Bier im Lieblichen Taubertal“, die bis Oktober zunächst in Bad Mergentheim und anschließend in Tauberbischofsheim, Rothenburg o.d. Tauber und Wertheim zu sehen ist. Auch die Landesausstellung in Kloster Aldersbach im Passauer Land widmet sich bis Ende Oktober unter der Überschrift „Bier in Bayern“ der Kulturgeschichte von „Bayerns fünftem Element“ (www.hdbg.de/bier). Und das Bier- und Hopfenmuseum „HopfenBierGut“ in Spalt (www.hopfenbiergut.de) bietet zum Jubiläumsjahr unter der Überschrift „Reine BierLust 2016“ Braukurse und Bierseminare an.

Autor/in: 

tt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2016, Seite 34

 
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