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Fachforum „Produktsicherheit“

Veranstaltung: Vorsicht bei der Einfuhr

Elektrogeräte Einfuhr © goir - ThinkstockPhotos.de

Importeure und Händler werden durch zwei neue EU-Richtlinien stärker in die Pflicht genommen.

Bei Produktsicherheit und CE-Kennzeichnung sind die Unternehmen im Prinzip gut aufgestellt, es ist allerdings eine betriebliche „Daueraufgabe“, unterstrich Dr. Elfriede Eberl, Expertin der IHK Nürnberg für Mittelfranken, bei einem IHK-Fachforum. Der Fokus lag deshalb auf den überarbeiteten EU-Richtlinien zur Elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV; 2014/30/EU) und zur Niederspannung (2014/35/EU). Beide müssen zwingend seit dem Stichtag 20. April 2016 beachtet werden.

Generell sind nun die Anforderungen und Aufgaben an Hersteller sowie Bevollmächtigte, Importeure und Händler wesentlich deutlicher formuliert. Jetzt müssen auch die Importeure, die Waren in die EU einführen, und auch die Händler über die notwendigen Dokumente etwa zur Einhaltung der EMV-Vorgaben verfügen und für die Konformität mit Verantwortung übernehmen.

Prinzipiell bleibt die Pflicht der grundlegenden Schutz- und Sicherheitsanforderungen beim Hersteller, der nach Konformitätsverfahren die CE-Kennzeichnung auf seinem Produkt anbringt, wie Edwin Schmitt von der Nürnberger TÜV Rheinland Consulting ausführte. Außerdem sind die Waren mit einer Typen-, Chargen-, Modell- oder Seriennummer zu versehen. Auch Gebrauchsanweisung und Sicherheitsinformationen sind Bestandteile einer korrekten CE-Kennzeichnung. Bestimmte Aufgaben kann ein vom Hersteller schriftlich beauftragter Bevollmächtigter im EU-Raum übernehmen.

Die „größte Revolution“ sieht Schmitt bei den Pflichten des Importeurs in die EU. Er wird nun dafür in die Pflicht genommen, dass er nur konforme Produkte einführt und gewährleistet, dass der Hersteller seine Aufgaben sachgerecht durchgeführt hat. Außerdem bringt er seinen „(Handels-)Namen mit Kontaktanschrift“ an und führt gegebenenfalls selbst stichprobenartig eigene Prüfungen durch. Denn die Marktaufsicht wendet sich im Zweifelsfall nicht an einen Hersteller in Fernost, sondern an den Importeur. Kommt ein Produkt als eigene Marke eines in Europa ansässigen Unternehmens auf den Markt, ist eine eigene Konformitätserklärung notwendig. Einzelhändler sind „Quasi-Hersteller“, so Schmitt weiter, wenn sie direkt in Fernost bestellen – mit dem latenten Risiko, dass nur etwa die Hälfte der CE-Auszeichnungen seriös sei.

Schritte der CE-Kennzeichnung

Für die eigentliche CE-Kennzeichnung gelten vier Schritte: Erstens Produkt definieren und Richtlinien identifizieren, zweitens die Risikobeurteilung, drittens das Konformitätsverfahren (inklusive technische Dokumentation, Betriebs- und Montageanleitung sowie gegebenenfalls Einholung einer EG-Baumusterbescheinigung und Hinzuziehung einer notifizierten Stelle). Viertens muss als letzter Schritt die Konformitätserklärung vom Hersteller ausgestellt und das CE-Kennzeichen am Produkt angebracht werden. Bei einer Serienfertigung ist zusätzlich eine Überwachung der Produktion durch ein geeignetes Qualitätsmanagementsystem, wie etwa nach ISO 9001, geboten. Darüber hinaus gehört es zum kontinuierlichen Prozess, Änderungen der gesetzlichen Vorschriften laufend zu beachten.

Schmitt illustriert das am Beispiel reiner Funkempfänger, wie Radios, Bluetooth- oder RFID-Geräte. Sie fallen nicht mehr unter die EMV-Richtlinie, sondern unter die neue Funkanlagen-Richtlinie (2014/53/EU) und benötigen bis Mitte 2017 eine entsprechende Konformitätserklärung. Die geeignete Risikoanalyse und -bewertung wurde sowohl bei der Niederspannungsrichtlinie als auch bei der EMV-Richtlinie „nur mit einen Halbsatz“ im jeweiligen Anhang neu eingeführt, hob Stefan Rost vom TÜV Rheinland hervor. Hierzu kann die Methodik vorhandener Normen zur Risikobeurteilung herangezogen werden, etwa die ISO 12100 zur Sicherheit von Maschinen. Der schematische Prozess zur Risikobeurteilung beginnt zunächst mit der Risikoanalyse. Hier werden die Grenzen des Produkts festgelegt, sachgemäße Anwendung und Gefährdungen sowie eine Risikoeinschätzung getroffen. Im nächsten Schritt wird für die Risikobeurteilung eine Risikobewertung vorgenommen. Ist die mögliche Gefährdung ausreichend gering, endet der Prozess mit der Dokumentation. Ansonsten ist das Risiko vom Konstrukteur zu verbessern sowie entsprechende Aktivitäten vom Benutzer, durch Schutzausrüstung oder Training, zu treffen.

Waren bisher die Regularien normenorientiert, sollen nun „die Hersteller selbst überlegen“, welche verbindlichen Rechtsvorschriften, sogenannte Essential Safety Requirements (ESR), für die Risikoanalyse zu berücksichtigen sind. Für die zutreffenden ESRs ist der Nachweis der Produktkonformität gefordert, der dann zur Konformitätsvermutung führt. Für die neue Niederspannungs-Richtlinie sind also mögliche Gefährdungen zu identifizieren. Aus dem Ausmaß eines möglichen Schadens für Personen, Sachen und Umwelt sowie der Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadens ergibt sich das Risiko. Für die Einschätzung der Risiken kann laut Rost etwa der Cenelec Guide 32 dienen, der Herstellern eine ausführliche Anleitung zur Risikobewertung von Niederspannungsprodukten gibt – „leider nur auf Englisch, dafür aber kostenlos“.

Für die neue EMV gebe es dagegen wenig Literatur. Rost sieht sie „als erstmal nicht sicherheitsrelevant“, vielmehr geht es um die Begrenzung der Störaussendung und die Gewährleistung der Störfestigkeit. Für die Konformitätsvermutung sind vom Hersteller relevante EMV-Phänomene zu identifizieren und deren elektromagnetische Verträglichkeit zu bewerten und nachzuweisen. Nach dem gleichen Prinzip wie bei der Niederspannungsrichtlinie sind für die Risikobewertung das Ausmaß eines möglichen Schadens mit deren Eintrittswahrscheinlichkeit zu kombinieren und gegebenenfalls zu reduzieren.

Die Marktaufsicht überwacht die Einhaltung und fordert bei Bedarf Dokumentation und Konformitätsunterlagen an. In manchen Fällen hält der Zoll bei Verdacht Waren beim Import in die EU zurück und informiert die Marktaufsicht. IHK-Innovationsberater sowie Dienstleister wie TÜV Rheinland Consulting unterstützen Unternehmen bei diesen Fragen.

Autor/in: 

(tt.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2016, Seite 76

 
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