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IHK-Fachforum

Veranstaltung: Komplexe Ströme

Solaranlage_wim_nov_2016 © Thinkstock.com/tzahiV

Unternehmen, die regenerativ erzeugten Strom selbst verbrauchen, müssen zahlreiche Regelungen beachten.

Betreiber von Photovoltaik-Anlagen und von Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) erhalten immer geringere Vergütungen für den Strom, den sie in das öffentliche Netz einspeisen. Hinzu kommt die Unsicherheit über die künftigen Strompreise. Deshalb erscheint es gerade für Unternehmen attraktiv, den produzierten Strom auch selbst zu nutzen. Allerdings ist der gesetzliche Rahmen für die Eigenerzeugung und den Eigenverbrauch sehr kompliziert, wie Dr. Sebastian Bolay, Energiereferent des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), bei einem Fachforum der IHK Nürnberg für Mittelfranken betonte.

Wie bereits im EEG 2014 (Erneuerbare-Energien-Gesetz) verankert, wird die Eigenversorgung durch Neuanlagen grundsätzlich mit der vollen EEG-Umlage belastet, die an die Übertragungsnetzbetreiber zu zahlen ist. Bei neuen EE- und hoch effizienten KWK-Anlagen reduziert sich die EEG-Umlage auf 40 Prozent. Im Vorteil ist die Eigenversorgung mit bestehenden Anlagen: Sie sind von der EEG-Umlage ausgenommen, sofern sie nicht wesentlich modernisiert werden. Eine wesentliche Modernisierung wäre beispielsweise der Einbau eines neuen Generators, wodurch eine 20-prozentige EEG-Umlage fällig wäre.

Besser sieht es für Selbstversorger ohne Netzanschluss aus: Das bedeutet, dass der Erzeugerstandort, also beispielsweise die Photovoltaikanlage auf dem Firmendach, dauerhaft vom Netzanschluss abgeklemmt sein muss. Es dürfen kein Bezug aus dem Netz und auch keine Einspeisung in das Netz möglich sein. Doch auch hier gibt es Grenzfälle: Bolay nennt als Beispiel Betriebe, deren Flächen durch eine Straße oder einen Fluss getrennt sind. Hier werden wohl die Gerichte die Streitfrage klären müssen, ob der „unmittelbare räumliche Zusammenhang“ gestört ist. Denn die räumliche Einheit ist Voraussetzung dafür, dass keine EEG-Umlage fällig wird. Ein weiterer Sonderfall: Wenn sich der Stromerzeuger vollständig selbst versorgt und den überschüssigen Strom in das öffentliche Netz einspeist, wird dann keine EEG-Vergütung fällig, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Der Erzeuger bezieht keinen Fremdstrom und nimmt für den überschüssigen, in das öffentliche Netz eingespeisten Strom keine Vergütung nach dem EEG in Anspruch. Unter dem Strich sei die Eigenversorgung aber eine kostensparende Lösung, weil dabei nur die EEG-Umlage anfällt, aber keine weiteren Steuern und Umlagen.

Die Eigenversorgung mit Blockheizkraftwerken (BHKW) ist laut Marco Wagner von der Hamburger Pe Projects Energy GmbH wirtschaftlich, wenn die Anlagen passend für den jeweiligen Betrieb dimensioniert sind. Als Beispiel nannte er ein Gas-BHKW mit einer elektrischen Leistung von 240 Kilowatt und mit 5 500 Vollbenutzungsstunden. Diese Anlage amortisiere sich bereits nach gut drei Jahren und erziele eine hohe Eigenkapitalrendite.

Ein zentraler Erfolgsbaustein ist die Regeltechnik des BHKW, so Achim Scheidl von der Nürnberger Messtechnik-Firma Scheidl GmbH und Arno Friedrich von der Regensburger Optimus Meine Energie GmbH. Mit dem sogenannten Scheidl-Multi-Datalogger lassen sich über Dutzende Sensoren Temperaturen, Strom und Klima messen und die Anlage zugleich stationär oder über mobile Endgeräte überwachen. Der Energiemanager erkennt, auch unter Berücksichtigung der Wetterprognosen, wie viel Strom und Wärme tatsächlich gebraucht wird und regelt aktiv bis zu sechs BHKW oder Kessel. So lässt sich die tatsächliche Laufzeit reduzieren und das Betriebsergebnis steigern, erklärten die Experten. Ralf Hansen von der Schwabacher Wärme-Strom-Gemeinschaft eG bestätigt dies in seinem Praxisbericht: Mit diesem Energiemanagement wird zum einen der Strombedarf für die angeschlossenen Wohn- und Gewerbeeinheiten gemessen, zum anderen werden die drei KWK-Anlagen nach einer definierten Kaskade gesteuert und geregelt. Hansens Fazit fällt eindeutig aus: Die Jahreslaufzeit und die Wartungskosten wurden reduziert. Der produzierte Strom wurde fast vollständig selbst verbraucht.

Auch eine optimierte Eigenstromversorgung mit Photovoltaik ist im gewerblichen Bereich immer noch attraktiv, selbst wenn die Einspeisevergütung längst nicht mehr so hoch ist wie früher, führte Thomas Vogel von der Nürnberger FS Frankensolar Projektmanagement GmbH über den Strom aus der Sonne aus. Der selbst erzeugte und verbrauchte PV-Strom sei für Unternehmen schon jetzt deutlich günstiger als der Strom aus dem Netz. Die aktuellen Rahmenbedingungen wirken sich auch auf die Planung der Anlagengröße aus: Früher hat es sich gerechnet, freie Flächen mit PV-Modulen zuzupflastern, um an der Einspeisung des überschüssigen Strom zu verdienen. Heute ist es rentabler, die Anlagengröße rein am Eigenverbrauch auszurichten.

Eine reine Eigenstromversorgung durch PV hält Vogel in der Praxis aber nicht für sinnvoll, da die Erzeugung von Solarstrom je nach Wetter und Tageszeit schwankt. So liefert eine Anlage mit 50 Kilowatt peak (kWp) im Winter ca. 50 Kilowattstunden Strom pro Tag, im Sommer ca. 140 Kilowattstunden. Als Ergänzung ist beispielsweise ein Speicher oder ein BHKW denkbar, damit die Energieversorgung stabil gehalten werden kann. Hierfür ist ein Energiemanagement notwendig, um das BHKW bei Spitzenlasten zuverlässig zuzuschalten bzw. um auf den Speicher zurückzugreifen. Außerdem lassen sich Verbrauchsspitzen kappen, indem Geräte und Maschinen mit hohem Energieverbrauch optimal gesteuert und zeitversetzt genutzt werden.

Schließlich stellte Dr. Claudia Leepa von der Nürnberger N-Ergie AG den Feldversuch „Swarm“ vor – innovative Speicher für PV-Strom als Baustein der Energiewende. Speichertechnologie gilt aus Sicht der Energieversorger als Schlüssel für die Stabilität der Stromnetze, denn im Stromnetz müssen Produktion und Verbrauch trotz des unterschiedlichen Aufkommens an Wind- und Sonnenstrom immer ausgeglichen sein. Bislang werden beispielsweise Erzeuger wie Windräder heruntergeregelt oder abgeschaltet, um die Nennfrequenz von 50 Hertz stabil zu halten. Bei dem Pilotprojekt wurden nun 65 Speichersysteme in Privathaushalten mit PV-Anlagen installiert und zu einem virtuellen Großspeicher mit einem Megawatt vernetzt, um durch Ein- oder Ausspeicherung das Gleichgewicht im Stromnetz sicher zu stellen. Der Feldversuch ist mittlerweile abgeschlossen, das Fazit fällt allerdings durchwachsen aus. Nach Aussage von Leepa vor allem deswegen, weil der ordnungspolitische Rahmen unsicher sei und zentrale und dezentrale Versorgerkonzepte aufeinanderprallen.

Autor/in: 

(tt.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2016, Seite 70

 
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