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USA

Land of the Free?

Die Vereinigten Staaten sind der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Doch nach der Präsidentenwahl sind deutsche Unternehmen verunsichert.

Der Ausgang der US-Präsidentenwahl mit dem Sieger Donald Trump hat die deutsche Politik und die Wirtschaft überrascht. Mehr noch als nach dem Brexit-Votum der Briten herrscht seitdem große Verunsicherung, zumal der Kurs des künftigen Präsidenten unklar bleibt. Trumps Wahlslogan „America First!“ und seine Kritik an internationalen Handelsabkommen weckt Befürchtungen, dass seine Regierung eine protektionistische Wirtschaftspolitik betreiben könnte. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit will Trump das Transpazifische Handelsabkommen TPP mit den Pazifik-Anrainerstaaten aufkündigen, das Freihandelsabkommen Nafta zwischen den USA, Kanada und Mexiko will er noch einmal aufschnüren. Damit könnte auch das geplante Handelsabkommen von EU und USA (TTIP) in die Ferne rücken. Nach einem mit extremer Härte geführten US-Wahlkampf herrscht nun auch in der Wirtschaft eine gewisse Ratlosigkeit. „Keiner weiß derzeit, was von den Ankündigungen in der kommenden Zeit tatsächlich umgesetzt wird“, sagte Dr. Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).

Die exportstarken deutschen Unternehmen könnte es hart treffen. Waren im Wert von 174 Mrd. Euro wurden im vergangenen Jahr zwischen Deutschland und ihrem wichtigsten Handelspartner USA gehandelt. Der deutsche Export in die USA schnellte 2015 auch wegen eines schwächelnden Euro-Kurses, der die Waren für amerikanische Abnehmer günstiger machte, auf rund 114 Mrd. Euro hoch. Für das zu Ende gehende Jahr wird ein Minus von etwa sieben Prozent erwartet. Für das neue Jahr unter einem Präsidenten Donald Trump sind die Prognosen nicht viel besser. „Dessen außenwirtschaftliches Programm macht keinen Mut, denn er hat sich wiederholt für neue Zölle ausgesprochen“, fasst Volker Treier, Außenwirtschaftschef des DIHK, die Sorgen der Exportwirtschaft zusammen.

Aus Bayern gingen laut dem Landesamt für Statistik im Jahr 2015 Waren im Wert von 23 Mrd. Euro in die USA, dies entspricht knapp 13 Prozent der bayerischen Ausfuhren. Mehr als ein Drittel des Exportwertes im Handel mit den Vereinigten Staaten wurde mit Autos erzielt, gefolgt von Maschinen sowie Zulieferprodukten wie z. B. Fahrgestelle, Karosserien, Motoren und Zubehör. Aus Mittelfranken hatten zuletzt 775 IHK-Mitgliedsunternehmen Kontakte mit Geschäftspartnern in den USA. Von diesen sind über 300 dauerhaft jenseits des Atlantiks engagiert, etwa in Form von Produktionsstätten, Niederlassungen oder Joint-Ventures.

„Betriebe mit US-Engagement sollten jetzt erst einmal einen kühlen Kopf bewahren und nichts überstürzen“, rät Armin Siegert, Leiter des IHK-Geschäftsbereiches International. Er diagnostiziert bei den Mitgliedsbetrieben ein unterschiedliches Stimmungsbild: Manche gehen in Wartestellung, um zu sehen, was passiert. Andere berichten von nach wie vor guten Geschäften in den USA. Siegert erinnert daran, dass eine Abschottung auch den USA selbst schaden würde. Erfahrungsgemäß sinken dadurch Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft, die Verbraucherpreise in den USA würden nach oben getrieben. Außerdem würden Handelsbeschränkungen Gegenmaßnahmen provozieren. Schließlich zwingen die riesigen Devisenreserven in China – viele davon in Form von US-Staatsanleihen – auch die neue US-Regierung zur Besonnenheit. Denkbar sei aber auch ein sogenannter „Russland-Effekt“, erklärt Siegert. Dort hätten sich die Auslandsinvestitionen nach der Einführung der westlichen Sanktionen deutlich erhöht, um quasi als Inlandsunternehmen Produkte vor Ort anbieten zu können. Der Außenhandelsexperte will auch für deutsche Unternehmen nicht nur schwarz malen: Er sieht in der aktuellen Phase eine Chance für eine neue wirtschaftspolitische Strategie und für ein stärkeres Engagement im asiatisch-pazifischen Raum.

Das Interesse mittelfränkischer Unternehmen an weiterhin engen Kontakten mit den Vereinigten Staaten wurde einige Tage nach der Präsidentschaftswahl auch beim IHK-Workshop „USA – wichtigster Handelspartner Deutschlands“ deutlich. In dem Land mit seinen über 320 Mio. Einwohnern und einer Fläche, die mehr als doppelt so groß wie die der Europäischen Union ist, zeigt die IHK-Organisation seit jeher eine starke Präsenz: Die Deutsch-Amerikanische Handelskammer (AHK) ist mit drei eigenständigen Niederlassungen in Atlanta, Chicago und New York aktiv, hinzu kommen die vier Außenstellen in Detroit, Houston, Philadelphia und San Francisco.

Michaela Schobert, Leiterin des Bereiches Consulting der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer USA-Süd mit Sitz in Atlanta, beschrieb die Stimmung der Wirtschaft in den USA als positiv: Sie sei geprägt durch eine gute Geschäftslage und eine geringe Arbeitslosigkeit. Allerdings sollten Neulinge in den USA beim Vertriebsstart „nicht mit der Gießkanne“ durch das Land ziehen, warnte die Expertin. Der US-Markt bestehe schon aufgrund seiner schieren Größe aus „1 000 Nischenmärkten“. Beim Aufbau einer eigenen Produktion sollte man nicht unbedingt auf den Bundesstaat mit den meisten Vergünstigungen (z. B. kostenloses Bauland und zinslose Kredite) setzen, denn häufig seien dort die notwendigen Fachkräfte nicht vorhanden – dies sei ohnehin eines der größten Probleme für deutsche Unternehmen in den USA.

Andere Rechtsphilosophie

Ein weiterer wichtiger Erfolgsbaustein ist die Einhaltung des US-Rechtes, das sich etwa durch spezifische Regelungen bei der Vergütung oder beim Thema Antidiskriminierung auszeichnet. Der gebürtige Amerikaner Carlos Galaniuk von der Nürnberger Kanzlei Galaniuk Law erinnerte daran, dass das US-Recht auf dem „Common Law“ basiert – einem Fallrecht, das sich wie ein Flickenteppich aus Gerichtsurteilen und Präzedenzfällen zusammensetze. Entsprechend sollten Unternehmen dort anders als in Deutschland möglichst alle möglichen Szenarien in einem Vertrag regeln. In Vertriebsverträgen müssten beispielsweise die Vertriebsregion und die Dauer des Vertrages genau festgelegt werden. Eine weitere Besonderheit: Bei einer Zusammenarbeit mit einem „Sales Agent“ oder Vertragshändler „gehören“ die Kunden nach US-Recht zunächst einmal diesem Partner. Auch Vertragsabschlüsse funktionieren laut Galaniuk in den USA etwas anders. Dort könne man sich nicht auf das aus Deutschland bekannte, schlüssige bzw. konkludente Verhalten verlassen. Entsprechend wichtig sei es, beispielsweise bei einer Auftragsannahme auf die eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) inklusive Gerichtsstand zu verweisen und diese auch als Vertragsbestandteil beizufügen. Bei Tochtergesellschaften müssen die Rechtsverhältnisse zur deutschen Mutter klar geregelt sein, um etwa eine Durchgriffshaftung auf die Muttergesellschaft oder den Verlust gewerblicher Schutzrechte zu verhindern. Doch Galaniuk wollte nicht entmutigen, sondern im Gegenteil deutlich machen, dass sich die Unterschiede beherrschen lassen.

Das unterstrich auch Arnold Servo, Managing Partner der Rödl & Partner-Niederlassung in Houston: „Sie wollen in den USA ja Geschäfte machen und kein Rechtsexperte werden.“ Viele von Servos Mandaten kommen nicht an den USA vorbei, weil sie mehr oder weniger gezwungen waren, dem Ruf ihrer Kunden dorthin zu folgen. Grundsätzlich sei gerade beim Markteintritt zu empfehlen, sich von einem Vertriebspartner oder einem eigenen US-Büro beraten zu lassen. Denn Fallstricke können schon bei geringen Anlässen lauern: Wenn ein Unternehmen eine Maschine in die USA liefert, sie dort von drei Facharbeiten und Ingenieuren aufbauen und die Mitarbeiter des Kunden schulen lässt, hat man möglicherweise unbewusst schon eine Betriebsstätte gegründet und ist damit voll steuerpflichtig. Bei der Wahl der Rechtsform rät Rödl & Partner je nach Situation zur Limited Partnership (LP), vergleichbar mit der deutschen KG. Hier haftet der Limited Partner (Kommanditist) grundsätzlich nicht persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, sondern der General Partner (Komplementär) unbeschränkt mit seinem Vermögen. Als Komplementär in Deutschland biete sich dafür eine GmbH & Co. KG an.

Das amerikanische Steuersystem ähnelt zwar dem deutschen, der Aufwand für eine Deklaration ist allerdings sehr hoch – geprüft wird nur selten. Wenn aber etwas fehlt oder falsch ist, drohen drakonische Strafen – schon ein fehlendes Formular werde mit einer Geldstrafe von 10 000 Dollar geahndet, wie Servo berichtet. Auch die Ausgestaltung der Steuern ist alles andere als einheitlich. Die Sales & Use Tax (SUT), vergleichbar mit der deutschen Umsatzsteuer bzw. Mehrwertsteuer, wird nicht auf US-Bundesebene erhoben, sondern von den einzelnen Bundesstaaten, die diese Steuer unterschiedlich haben. Zusätzlich können auch Regierungsbezirke (Counties) und Städte eine SUT bei den Endverbrauchern einziehen. Insgesamt gibt es in den USA ca. 7 500 Stellen, die zur Erhebung der Steuer berechtigt sind.

Autor/in: 

tt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2016, Seite 22

 
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