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Flüchtlinge

Ausbildung auf sicherer Basis

Ausbilder mit Azubine © monkeybusinessimages/Thinkstock.com

Die IHK-Organisation hat eine Vorschlagsliste vorgelegt, um Hürden bei der Ausbildung von Flüchtlingen abzubauen.

Die Politik hat im vergangenen Jahr laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht, um Geflüchteten den Einstieg in Ausbildung und Beschäftigung zu ermöglichen. „Insbesondere die 3+2-Regelung war wichtig, um Sicherheit für Betriebe und Geflüchtete während der Ausbildung und einer anschließenden Beschäftigung zu schaffen“, so der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Achim Dercks. Vor Ort stelle die unterschiedliche Handhabung dieser Ausbildungsduldung, die einen Abschiebeschutz während der dreijährigen Ausbildung und einer anschließenden, zweijährigen Beschäftigung vorsieht, allerdings weiterhin ein Problem dar. Für Bayern bestätigt dies auch Stefan Kastner, der bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken den Fachbereich Berufsausbildung leitet und die IHK-Projekte zur Ausbildung von Flüchtlingen koordiniert: „Wir stellen fest, dass die Vollzugshinweise der Bayerischen Staatsregierung in den einzelnen Regierungsbezirken und Ausländerämtern unterschiedlich angewandt werden.“

In einem Papier macht der DIHK Vorschläge an die Politik, um die Integration von Flüchtlingen in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu erleichtern:

Klarheit über Ausbildungsduldung schaffen: Das Integrationsgesetz sieht mit einer neu eingefügten Regelung eigentlich eine Duldung für Ausländer während der gesamten Ausbildungszeit vor, um Rechts- und Planungssicherheit für Betriebe und Flüchtlinge zu schaffen. Weil diese Regelung jedoch einen weiten Ermessensspielraum zulässt und von den Behörden unterschiedlich umgesetzt wird, fordert die IHK-Organisation eine einheitliche, nachvollziehbare und transparente Handhabung der Ausbildungsduldung. Deshalb sollte sich die Innenministerkonferenz darauf einigen, wie die Regelung deutschlandweit einheitlich vollzogen wird. Eine solche Regelung sei nicht zuletzt auch für Unternehmen wichtig, die Standorte in mehreren Bundesländern unterhalten.

Keine zusätzlichen Meldepflichten: Wenn ein geduldeter Flüchtling nicht zur Ausbildung antritt oder diese abbricht, muss dies der Ausbildungsbetrieb der zuständigen Ausländerbehörde innerhalb einer Woche mitteilen. Der DIHK plädiert dafür, diese mit einem Bußgeld bewehrte Meldepflicht nicht länger den Unternehmen aufzubürden. Sachgerechter und effektiver wäre es, wenn dies von den Sozialversicherungsträgern erledigt würde, die von den Unternehmen sowieso über den Abbruch einer Ausbildung informiert werden.

Einheitlicher Prozess beim Abschluss eines Ausbildungsvertrages: In aller Regel werden Ausbildungsverträge schon sechs bis zwölf Monate vor Beginn der Ausbildung abgeschlossen. Bei Flüchtlingen, die nur den Status der Duldung haben, ergibt sich deshalb die Frage, ab wann die sogenannte Ausbildungsduldung erteilt werden sollte. Der DIHK plädiert dafür, dass in ganz Deutschland die Duldung bereits sechs Monate vor dem Beginn der Ausbildung ausgesprochen wird, wenn ein unterschriebener Ausbildungsvertrag vorliegt.

Kontinuierliche Begleitung der Flüchtlinge vor und während der Ausbildung: Junge Flüchtlinge benötigen in aller Regel verlässliche Begleitpersonen, die sie individuell beim Übergang in die Ausbildung betreuen. In Bund, Ländern und Kommunen gibt es zahlreiche Programme, um dies zu gewährleisten. Nach Auffassung des DIHK müssen sie aber besser aufeinander abgestimmt werden, damit diese Betreuung auch wirklich ohne Unterbrechung stattfinden kann. In Bayern sind solche Angebote im Vergleich zu anderen Bundesländern schon sehr weit ausgebaut (z. B. assistierte Ausbildung).

Sicherheit vor Abschiebung auch bei Einstiegsqualifizierung (EQ): Meist bringen Flüchtlinge noch nicht die notwendigen Voraussetzungen für eine Ausbildung mit. Daher wird oftmals eine betriebliche Einstiegsqualifizierung (EQ) vorgeschaltet, um die Flüchtlinge an eine Ausbildung im Betrieb heranzuführen. Allerdings ist für EQ bislang kein gesicherter Aufenthalt vorgesehen. Die IHK-Organisation fordert, den Abschiebeschutz auch dafür zu gewähren, denn nur so lasse sich der Übergang in eine reguläre Ausbildung sicher gestalten und planen.

Berufsschulunterricht während der Einstiegsqualifizierung: Junge Flüchtlinge benötigen während einer EQ – parallel zum praktischen Unterricht in den Betrieben – einen intensiven sprachlichen und fachtheoretischen Unterricht. An den Berufsschulen sollten deshalb flexible Lösungen gefunden werden, um während der EQ auch einen Berufsschulunterricht für junge Flüchtlinge anbieten zu können. Sollten eigene EQ-Klassen für Flüchtlinge aus Kostengründen nicht finanzierbar sein, könnten sie gegebenenfalls in Klassen der Berufsvorbereitung lernen. In Bayern ist dies bereits weitgehend Realität: Die Jugendlichen gehen während des EQ in aller Regel in die Schule und können auch zusätzlichen Sprachunterricht erhalten.

Flexibilität und Mobilität trotz Wohnsitzauflage: In einigen Branchen wie der Bauwirtschaft wird auch von den Azubis eine hohe Mobilität erwartet. Wenn ein zeitweiser Umzug nötig wird, weil der Einsatzort wechselt, sind klare und unbürokratische Regelungen und eine enge Zusammenarbeit der zuständigen Ausländerbehörden gefragt.

Kein Umzug wegen Volljährigkeit: Wenn Flüchtlinge während der Ausbildung volljährig werden, müssen sie in eine Gemeinschaftsunterkunft umziehen. Erfahrungsgemäß hat dieses veränderte Umfeld (z. B. Lärm, Enge, fehlender Rückzugsraum zum Lernen) oft einen negativen Einfluss auf die Leistung in der Ausbildung. Der DIHK fordert deshalb, dass die Volljährigkeit nicht automatisch die Pflicht zum Umzug nach sich ziehen soll.

Arbeitsmarktprüfung schneller durchführen: Bei der Beschäftigung von Nicht-EU-Ausländern prüft die Bundesagentur für Arbeit in der Regel die Arbeitsbedingungen, damit Ausländer nicht zu ungünstigeren Bedingungen beschäftigt werden (insbesondere bezüglich Arbeitsentgelt und Arbeitszeit). Die Betriebe können dabei innerhalb von zwei Wochen mit einer Antwort rechnen. Wenn es um die Beschäftigung von Flüchtlingen geht, dauern die Rückmeldungen allerdings häufig vier bis acht Wochen. Auch für sie sollte die gängige Frist von zwei Wochen gelten, so der DIHK.

Deutschlandweite Standards für Sprachzertifikate: Flüchtlinge, die eine Ausbildung beginnen wollen, sollten mindestens Deutschkenntnisse auf dem Sprachniveau B1 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen vorweisen. Bei anspruchsvolleren Berufen ist B2 die Voraussetzung, um von Beginn an ein effektives Lernen in Betrieb und Berufsschule zu gewährleisten. Zahlreiche Betriebe haben sich allerdings gegenüber den IHKs darüber beklagt, dass die Zertifikate einiger Bildungsanbieter nicht verlässlich Auskunft über das tatsächliche Sprachniveau der Ausbildungsbewerber gäben. Deshalb fordert der DIHK eine Qualitätssicherung für die Sprachzertifikate und die zugrundeliegenden Tests. Die fördernden Institutionen sollten daher nur solche Sprachdienstleister auswählen, deren Tests nachweislich die Kriterien des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllen.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2017, Seite 58

 
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