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Noris Inklusion

Eine Perspektive bieten

Noris-Inklusion_2017tt_00810 © Thomas Tjiang

Geschäftsführer Christian Schadinger in der Schaltermontage.

Das Sozialunternehmen beschäftigt seit knapp 40 Jahren Menschen mit Behinderung, die kaum eine Chance im ersten Arbeitsmarkt haben.

Bei der Unternehmensform „Sozialunternehmen“ ist, wie der Name schon sagt, das Soziale ein entscheidender Aspekt. Ziel dieser Einrichtungen ist es, zur Lösung eines gesellschaftlichen Problems beizutragen und soziale oder ökologisch nachhaltige Veränderungen zu schaffen. In Deutschland handelt es sich bei diesen – anders als im angloamerikanischen Raum – ausschließlich um Non-Profit-Organisationen. Dazu zählt auch die von der Stadt Nürnberg betriebene Noris Inklusion gGmbH. Für deren Geschäftsführer Christian Schadinger ist klar: „Als Sozialunternehmen müssen wir wirtschaftlich arbeiten, auch wenn der Bezirk Mittelfranken für die finanzielle Grundversorgung als überörtlicher Sozialhilfeträger mit zuständig ist.“ Bei Noris Inklusion haben etwa 80 Prozent der Mitarbeiter eine geistige Behinderung, 15 Prozent psychische Beeinträchtigungen und fünf Prozent körperliche Behinderungen.

Vorläufer der Noris Inklusion waren die Versehrtenwerkstätten der Nachkriegszeit. 1980 gründete die Stadt dann die Werkstatt für Behinderte der Stadt Nürnberg (kurz: WfB), die seit 2013 unter dem Namen Noris Inklusion firmiert. Schadinger, der ein Jahr zuvor Chef des kommunalen Sozialunternehmens geworden war, wollte damit nicht einfach nur ein frisches Image. Vielmehr sollte der neue Name die Vision einer vollen und selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Behinderung transportieren. Der Sozialpädagoge und Betriebswirt sieht darin aber zugleich eine „Hypothek“, kontinuierlich bessere Angebote für Inklusion zu schaffen. Noris Inklusion zeigt bei den Wohn- und Freizeitangeboten und vor allem in ihren Werkstätten, wie Inklusion im Alltag gelingt.

Die Mitarbeiter erzielten im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 17 Mio. Euro. Die Einnahmen kommen fast ausschließlich aus den Werkstätten, in denen für Unternehmen und teils auch für Verbraucher im Großraum gearbeitet wird. Gut die Hälfte stammt aus der Sparte Industriemontage und Recycling, also der Demontage etwa von Elektrogeräten. Rund 20 Prozent der Einnahmen generiert das Segment Verpackung und Konfektionierung, der Rest entfällt auf Metallverarbeitung, Drucken und Daten. Schadinger stellt klar: „Wir bekommen von den Auftraggebern keinen Sozialbonus.“ Stattdessen müsse man wie jeder andere Zulieferer auch die geforderten Standards liefern. Daher hat man sich beispielsweise die Fertigungsqualität nach DIN ISO 9001 zertifizieren lassen, in diesem Jahr steht die Zertifizierung nach DIN ISO 9001-2015 an. Auf der Kundenliste finden sich Unternehmen aus den Sparten Blitzschutz, Elektrogeräte, Metall, Kfz-Zulieferung, Schreibgeräte oder Energiemanagement.

Auch Noris Inklusion hat den Strukturwandel der Metropolregion zu spüren bekommen. Einstige Großauftraggeber wie TA, AEG, Quelle oder Grundig sind vom Markt verschwunden oder haben ihre Produktion verlagert. Heute werden weniger große Unternehmen beliefert, dafür konnte man langfristige Aufträge akquirieren. Für Schadinger sind diese besonders wichtig, denn um „termingerecht mit hoher Qualität“ liefern zu können, müssen die mechanischen Prozessschritte in den Werkstätten vorbereitet werden. „Wir sind Spezialist für die Zergliederung von Arbeit, der Mensch müsse sich nicht dem Arbeitsprozess anpassen, sondern umgekehrt.“ Dieser Weg erlaubt dem Sozialunternehmen die Beschäftigung vieler körperlich oder geistig beeinträchtigter Menschen. Gleichwohl sei man bei zahlreichen Großunternehmen als „A-Lieferant gelistet“. Um den Anforderungen konstant gerecht werden zu können, wird etwa die Materiallogistik inklusive Wareneingangskontrolle in verschiedene Schritte zerlegt, die Montage unterteilt und schließlich werden Qualitätsprüfung, Konfektionierung und Vorbereitung des Versands an weiteren Stationen vorgenommen. In manchen Fällen baut das Sozialunternehmen eigens auf die Mitarbeiter angepasste Werkzeuge.

Die Werkstatt im Nürnberger Stadtteil Langwasser ist mit 250 Arbeitsplätzen der größte und älteste Betriebsteil, es folgt die Werkstatt im Norden von Nürnberg mit 125 Arbeitsplätzen. Der Druckereibetrieb, der jüngste Betriebsteil der Noris Inklusion, verfügt über 60 Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung. Neben Druck und Versand werden dort auch Akten gescannt, digital archiviert oder zertifiziert vernichtet. Außerdem gibt es noch die Sparte Gartenbau mit 90 Mitarbeitern, die beim Nürnberger Marienpark Zierpflanzen und Kräuter für Großabnehmer und Privatkunden produziert. Dazu gehören beispielsweise Biokräuter für Bio-Supermärkte. Ein Verkaufsgewächshaus für Verbraucher soll nächstes Jahr eröffnen. Außerdem können sich Gärtner und Obstliebhaber ihre eigenen Säfte aus Äpfeln, Birnen oder Quitten über den Saftladen von Noris Inklusion pressen lassen. Weitere Angebote sind etwa Brennholz oder Dienstleistungen für Imker. Eine erfolgreiche Aktion des Sozialunternehmens ist „Rent-A-Huhn“, bei der 300 Hühnern Bio-Eier für 200 Verbraucher legen. Die momentane Wartezeit für die Aktion beträgt mindestens 18 Monate.

Sachkundige Dienstleister

Neu im Portfolio ist das im Außendienst agierende Team „e-Checker“, das in Praxen, Kleinbetrieben oder Schulen die Prüfung von Elektrogeräten nach der DGUV-Vorschrift 3 und DIN VDE 0701/0702 vornimmt. Jedes Unternehmen ist gesetzlich dazu verpflichtet, seine elektrischen Betriebsmittel der Sicherheitsprüfung zu unterziehen. Die e-Checker bringen auf den Geräten das gesetzliche Prüfsiegel an und erstellen Dokumentation und Bericht. Das bringe die Inklusion voran, denn der Mitarbeiter ist „nicht der Behinderte, sondern der Sachkundige“. Auch wenn es länger dauern sollte, Kunden brauchen nur einen Festpreis zu zahlen. Manchmal gelingt es, Mitarbeiter in reguläre Beschäftigung zu bringen, der Prozess kann allerdings lange dauern. Im vergangenen Jahr nahmen drei Menschen mit Behinderung Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt an – „das ist viel“ kommentiert Schadinger.

Autor/in: 

tt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2017, Seite 76

 
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