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Shenzhen

Chinas Powerhouse

Shenzhen_Skyline © gjp311/Thinkstock.com

Die Skyline von Shenzhen.

Seit 20 Jahren sind die Sonderwirtschaftszone Shenzhen und die Region Nürnberg durch eine Partnerschaft verbunden.

Die Mitglieder der Delegation sind sich darin einig, dass China in atemberaubendem Tempo zu einer Weltwirtschaftsmacht heranwächst.“ Diese Einschätzung war vor 20 Jahren im IHK-Magazin zu lesen, das damals über die Reise einer mittelfränkischen Delegation nach Shenzhen berichtete. Der Anlass war die formelle Besiegelung der Partnerschaft zwischen Mittelfranken und der südchinesischen Metropole, die von der IHK auf Wunsch der Wirtschaft initiiert worden war. Heute hat sich die damals von den Politikern und Wirtschaftsvertretern aus Mittelfranken geäußerte Prognose ebenso als richtig erwiesen wie die Entscheidung, Shenzhen als Partner auszuwählen. Denn heute präsentiert sich diese Region in der Provinz Guangdong als die wirtschaftsstärkste in China. Rund 500 deutsche Unternehmen sind dort ansässig, davon rund zwei Dutzend aus Mittelfranken.

Noch in den 1970er Jahren war die heutige Metropole ein Fischerdorf – gleich gegenüber der britischen Kronkolonie Hongkong gelegen. Die Erfolgsgeschichte begann mit der Politik der wirtschaftlichen Öffnung unter Deng Xiaoping und der Einstufung als Sonderwirtschaftszone im Jahr 1980. Damit wurde eine bis heute anhaltende Dynamik in Gang gesetzt: Derzeit leben 20 Mio. Einwohner in der Metropole, die im vergangenen Jahr eine Wirtschaftsleistung von 270 Mrd. Dollar erreichte, das waren neun Prozent mehr als im Vorjahr. Nach Einschätzung von Wirtschaftsexperten dürfte die Stadt auch in den nächsten Jahren ähnlich hohe Wachstumsraten aufweisen und damit Hongkong bei der Wirtschaftskraft überholen.

Das wirtschaftliche Powerhouse im Süden Chinas setzt sich immer wieder neue Ziele: Mit der Rolle als verlängerte Werkbank der Welt, die mit Wanderarbeitern in unzähligen Fabriken billig für den Export produziert, will man sich längst nicht mehr zufrieden geben. Das wurde vor Kurzem beim Besuch einer Delegation aus Shenzhen deutlich, die anlässlich des 20-jährigen Partnerschaftsjubiläums nach Nürnberg gekommen war. Bei einer Firmenkontaktbörse im Maritim-Hotel, die von der IHK Nürnberg für Mittelfranken organisiert worden war, und bei einem Empfang im Historischen Rathaussaal der Stadt Nürnberg unterstrichen die chinesischen Politiker und Wirtschaftsvertreter, dass sich der Fokus immer mehr auf Innovation und Hochtechnologie verlagert. Seit 2013 investiert die Stadt jährlich rund vier Prozent der Wirtschaftsleistung in Forschung und Entwicklung (F&E), womit sie in einer Liga mit den High-Tech-Giganten Südkorea und Israel spielt (zum Vergleich: China insgesamt investiert rund zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in F&E). Ein Ausdruck der zunehmenden Innovationskraft ist die jährlich stattfindende China Hi-Tech Fair. Auf der größten Technologiemesse des Landes ist der Freistaat Bayern auch in diesem Jahr wieder mit einem Gemeinschaftsstand vertreten, der von der IHK Nürnberg für Mittelfranken mit organisiert wird (siehe nebenstehende Meldung).

Gründerszene

Hinzu kommt, dass sich Shenzhen neben Peking, Shanghai und Hangzhou zu einem Zentrum für innovative Gründer entwickelt hat. Der Vorteil für Wissenschaftler und technologieorientierte Start-ups ist nach Worten von Armin Siegert, Leiter des IHK-Geschäftsbereichs International, dass es in Südchina – im Unterschied etwa zum kalifornischen Silicon Valley – eine funktionierende Produktionsindustrie und breit ausgebaute Lieferketten gibt. Dies sei beispielsweise für Firmen aus dem Hardware-Bereich wichtig, die dort ausreichend Zulieferer finden und in Kooperation mit ihnen neue Technologien schnell umsetzen können. Außerdem will Shenzhen weitere Technologiefelder strategisch ausbauen, insbesondere alternative Energien, Biotechnik und Neue Materialen. Sehr ernst nimmt man in Shenzhen auch die Themen Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Energieeffizienz, wofür deutsches Know-how sehr willkommen sei.

Wichtig ist den Stadtoberen, dass Shenzhen – über die Themen Wirtschaft und Innovation hinaus – internationale Ausstrahlung gewinnt, wie die chinesischen Gäste bei einem Forum berichteten, zu dem das Konfuzius-Institut in das Nürnberger Museum Industriekultur eingeladen hatte. Deshalb ist die Stärkung der Kultur und der Kreativwirtschaft ein wichtiges Ziel der Stadtregierung. Um die Lebensqualität zu verbessern und Akzente durch moderne Architektur und Stadtplanung zu setzen, wird beispielsweise eine Urbanismus-Biennale ausgerichtet. IHK-Außenwirtschafts-Chef Armin Siegert nennt noch einen weiteren Aspekt, durch den sich die Sonderwirtschaftszone im Vergleich zu anderen chinesischen Regionen auszeichnet: Man sehe die weitreichende Korruption als großes Manko, das die wirtschaftliche Dynamik bremst, und gehe entschieden dagegen vor – auch indem Elemente einer Gewaltenteilung und einer ansatzweise unabhängigen Rechtsprechung erprobt werden.

Eine Ausnahmestellung nimmt die Region Shenzhen auch dadurch ein, dass die Bevölkerung sehr jung ist (Durchschnittsalter 29) und 80 Prozent der Einwohner aus den anderen chinesischen Provinzen zugewandert sind. „Jeder Chinese möchte in der reichsten Stadt Chinas arbeiten, der Zuzug ist jedoch limitiert und es werden nur die besten genommen“, so Siegert. Die junge Bevölkerung in Shenzhen könne deshalb durchaus als Elite angesehen werden.  

Was den Standort China insgesamt angeht, so sieht Siegert auch angesichts der veränderten internationalen Großwetterlage Chancen für europäische Unternehmen: Wegen der protektionistischen Tendenzen in den USA steige das Interesse der Chinesen an verstärkten Geschäftsbeziehungen mit der EU. Eine langfristige Strategie verfolge die chinesische Regierung auch mit dem Projekt der „Neuen Seidenstraße“ („One Belt, One Road“), mit dem sie China und Europa auf dem Land- und Seeweg verbinden will. Dafür sucht sie die Kooperation mit internationalen Partnern; für die Finanzierung des Projekts hat sie die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) initiiert, die auch von Deutschland mit gegründet wurde.

IHK-Projekte im Jubiläumsjahr

Mit zahlreichen Veranstaltungen im Jahr des 20-jährigen Partnerschaftsjubiläums will die IHK Nürnberg für Mittelfranken dazu beitragen, dieses Potenzial zu nutzen. Geplant sind u. a. folgende Aktivitäten:

  • Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly und IHK-Präsident Dirk von Vopelius werden Mitte Mai zu Gesprächen in Shenzhen sein, um insbesondere die beiderseitigen Projekte in den Bereichen berufliche Bildung und Industrie 4.0 voranzutreiben (WiM berichtete).
  • Am Donnerstag, 1. Juni kommt eine Delegation aus Shenzhen nach Nürnberg, um für die Ausstellungsmöglichkeiten auf der China Hi-Tech Fair zu werben, die vom 16. bis 21. November stattfindet (im Grand Hotel, voraussichtlich 9.30 bis 12 Uhr).
  • Am Mittwoch, 5. Juli findet das „Asien-Pazifik-Forum Bayern“ statt, das zum 13. Mal von der IHK Nürnberg für Mittelfranken organisiert wird (9 bis 17 Uhr, in der Stadthalle Fürth) und an dem auch eine Delegation aus Shenzhen teilnimmt. Bei einer Session mit dem Titel „Megacity Shenzhen“ berichten die Gäste u. a. über die Innovations- und Gründerförderung in Shenzhen. Außerdem können Gespräche mit Firmenvertretern aus der Partnerregion geführt werden.
  • Anlässlich der China Hi-Tech Fair organisiert die IHK eine Delegationsreise nach China: Geplant sind im November u. a. der Besuch der Messe und Gespräche in Shenzhen sowie weitere Programmpunkte in Chengdu.

Im Jubiläumsjahr wird in der Region auch eine Reihe von kulturellen Veranstaltungen stattfinden, beispielsweise Kunstausstellungen in Nürnberg, Fürth und Erlangen. Den Höhepunkt bildet das Jubiläumskonzert der Nürnberger Symphoniker unter dem Motto „Hallo Shenzhen“ am Montag, 31. Juli, 20 Uhr, im Serenadenhof Nürnberg (Information: www.nuernbergersymphoniker.de).          

Autor/in: 

bec.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2017, Seite 30

 
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