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Elementarschäden

Absichern gegen Naturgewalten

Staatsregierung und bayerische IHKs appellieren an die Betriebe, sich gegen extreme Wetterlagen abzusichern. Was ist zu tun?

Den 5. Juni 2016 wird Gisela Bohl so schnell nicht vergessen. Die ganze Nacht von Samstag auf Sonntag hatte es in Polling im Landkreis Weilheim wie aus Kübeln geschüttet. Rund 50 Liter Regen pro Quadratmeter waren innerhalb von nur sechs Stunden niedergegangen. Wiesen und Felder konnten das Wasser nicht mehr aufnehmen, waren überflutet, der Tiefenbach war über die Ufer getreten. So ein Unwetter hatte die 3 300-Einwohner-Gemeinde bis dato nicht erlebt. „Nur zwei Straßen von unserem Haus entfernt endete das Hochwasser“, erinnert sich die 50-Jährige, die im ersten Stock des Gebäudes ihr „Kartenladerl“ beherbergt. Der Inhaber einer Schreinerei bangte lange, ob es den Helfern gelingen würde, seinen Betrieb und eine Halle mit teuren Maschinen vor dem Wasser zu sichern. Auf rund 15 Mio. Euro schätzte das Landratsamt Weilheim-Schongau die Hochwasserschäden bei rund 100 Haushalten.

Nur drei Jahre zuvor waren Unternehmen in ganz Deutschland von der Jahrhundertflut betroffen. Im Raum Rosenheim etwa wurde nach tagelangen Regenfällen ein Mangfalldamm überschwemmt, ein anderer drohte zu brechen. Der Maschinen- und Anlagenbauer Krones AG musste sein Werk in Rosenheim zwei Tage schließen, die Produktion fiel aus. Eine Fabrikhalle stand unter Wasser, viele Mitarbeiter konnten wegen des Hochwassers nicht zur Arbeit auf die Mangfallinsel kommen.

Die beiden Beispiele machen deutlich: Naturgewalten, allen voran Starkregen und Hochwasser, können extremen Schaden anrichten. Und sie werden, so prognostizieren Experten, im Zuge des Klimawandels in den kommenden Jahren verstärkt auftreten. Laut einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) muss Deutschland vor allem mit einem enormen Anstieg von Hochwasserschäden rechnen. Insgesamt 2,6 Mrd. Euro leisteten deutsche Versicherer 2015 für Sturm-, Hagel- und Starkregenschäden, so der Naturgefahrenreport des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) – ein Anstieg von rund 600 Mio. Euro gegenüber dem Jahr davor.

Um Immobilieneigentümer für die zunehmenden Gefahren und Risiken zu sensibilisieren, hat die Bayerische Staatsregierung mit Partnern der Wirtschaft – darunter der Bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK) – sowie den kommunalen Spitzenverbänden kürzlich eine Informationskampagne gestartet. Denn derzeit sind laut GDV gerade einmal 30 Prozent der privat genutzten Gebäude in Bayern gegen Elementarschäden versichert, die Quote bei gewerblich genutzten dürfte Experten zufolge noch deutlich darunter liegen. Viele Unternehmer glaubten fälschlicherweise, dass Elementarschäden generell in der Gebäudeversicherung enthalten seien. Andere wieder fänden eine solche Versicherung überflüssig oder zu teuer. Eine womöglich kostspielige Fehleinschätzung.

Freistaat hilft nur noch in Härtefällen

Eine Absicherung gegen Elementarschäden durch eine Versicherung ist schon deswegen wichtig, weil der Freistaat Bayern ab 1. Juli 2019 finanzielle Unterstützungen in Form von Soforthilfen nach Naturkatastrophen nur noch in absoluten Härtefällen gewährt. Es sei nicht Aufgabe des Staats, als Ersatzversicherer zu fungieren, argumentiert die Staatsregierung. Außerdem könnten Hilfszahlungen keine Versicherung gegen Elementarschäden ersetzen, die weitaus umfassenderen Schutz biete.

„Unternehmen sollten sich von mehreren Versicherungen auf sie zugeschnittene Angebote einholen. Denn vor dem Hintergrund der individuellen Schadensstatistiken, die der Beitrags­berechnung der Versicherungen zu Grunde liegen, weisen die Beitragssätze große Unterschiede auf“, rät Nicole Kleber von der IHK für München und Oberbayern. Auch sei es denkbar, dass sich ein Unternehmen bei einer Versicherung nicht oder nur zu sehr hohen Prämien versichern kann, bei einer anderen Versicherung ­jedoch problemlos.

Wenn die staatlichen Gelder wegfallen und ein Betrieb nicht oder nicht ausreichend gegen Elementarschäden versichert ist, kann das fatale Folgen haben. „Hätte es bei uns damals keine staatlichen Soforthilfen von Land und Bund gegeben, und hätten uns unsere Kunden und Lieferanten nicht die Treue gehalten, würde es unseren Frischdienst in Deggendorf-Natternberg heute wohl nicht mehr geben“, sagt Florian Leebmann, Innstolz Käsewerk Roiner KG mit Hauptsitz im niederbayerischen Rotthalmünster. 2013 war der Innstolz-Frischdienst durch den Donau-Isar-Dammbruch total überflutet worden. Die Firma musste das Lebensmittellager mit 3 200 Paletten fast vollständig entsorgen und vernichten. Der Gesamtschaden, die hohen betriebswirtschaftlichen Verluste nicht mitgerechnet, lag bei rund zehn Mio. Euro. „Man denkt, man ist im Schadensfall gut abgesichert, und dann ist man es doch nicht“, so Leebmann.

Das Unternehmen verfügte zwar über eine Elementarschadenversicherung, diese war allerdings gedeckelt. Der Höchstbetrag reichte bei weitem nicht aus, um die finanziellen Folgen der Katastrophe für die Firma auszugleichen. „Auch eine Betriebsunterbrechungsversicherung hatten wir, aber nicht für den Fall einer Überschwemmung durch Hochwasser“, so der Geschäftsführer. Beim verheerenden Donau-Hochwasser 1954, das die Geschäftsführung als Maßstab genommen hatte, stand das Wasser im Betrieb nur ein paar Zentimeter hoch. 2013 waren es aber 2,30 Meter.

Nach diesen Erfahrungen rät Leebmann eindringlich dazu, das Thema Versicherungsschutz generell und Elementarschäden im Speziellen zur Chefsache zu machen. „Zumindest einmal im Jahr sollte jeder Firmenlenker vorhandene Versicherungspolicen mit seinem Makler unter die Lupe nehmen und gegebenenfalls an die aktuellen Umstände anpassen sowie unter Umständen auch alternative Angebote einholen.“ Dabei ist es wichtig, sie individuell auf die Besonderheiten im Betrieb zuzuschneiden. „So muss bei uns beispielsweise auch fremdes Eigentum in einem gewissen Rahmen mitversichert sein, da wir viele Leasing-Fahrzeuge nutzen“, erklärt Leebmann. Bei der Überschwemmung 2013 war dies noch nicht der Fall gewesen. Allein das kostete die Firma rund 60 000 Euro.

Eine gründliche Risikoanalyse lohnt sich. Oft tritt zum Beispiel erst bei den Aufräumarbeiten zu Tage, was auslaufende Heizöltanks und schwimmende oder umgekippte Tanks oder Fässer anrichten können. Das Problem: Öl bleibt im Mauerwerk. „Ist es nur bis zu einem halben Zentimeter eingedrungen, reicht es, den Putz abzuschlagen und die Wand nach außen mit einer chemischen Flüssigkeit zu reinigen“, sagt Hans Czapka, von der IHK für Niederbayern öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schäden an Gebäuden. Bei tiefergehenden Schäden müsse unter Umständen das ganze Gebäude abgerissen werden.

Bauliche Vorkehrungen

Czapka rät Unternehmen, auch bauliche Vorsorgemaßnahmen in Erwägung zu ziehen, um gegen Überschwemmungen durch Hochwasser, Starkregen oder Rückstau und damit bestenfalls auch gegen Kontamination gewappnet zu sein. So könnten etwa Schutzwände – also temporäre Metallelemente vor den Toren und Wänden – sowie wasserdichte (nicht-bewegliche) Fenster und Türen dabei helfen, das Wasser weitgehend aus den Gebäuden fernzuhalten. Es kann sich auch rentieren, in den untersten Geschossen leicht zu reinigende Wände einzubauen. Welche baulichen Schutzmaßnahmen für einen Betrieb sinnvoll sind, lässt sich mit Hilfe eines Gebäudeexperten ermitteln. Das kann ein erfahrener Bauingenieur, ein Architekt oder eben ein öffentlich vereidigter und bestellter Sachverständiger für Schäden an Gebäuden sein. Eine Übersicht über die Sachverständigen ist bei der jeweiligen IHK erhältlich (www.ihk-nuernberg.de/sachverstaendige).

Die Krones AG hat sogenannte Gebäudewannen als zusätzlichen Schutz einbauen lassen. Das neue Gebäude für Logistik und Modulproduktion hätte dem Hochwasser 2013 vermutlich Stand gehalten. Der halbfertige Neubau verfügte schon damals über einen integrierten Hochwasserschutz nach HQ 100-Standard, der auf ein sogenanntes Jahrhunderthochwasser ausgerichtet ist. „Wir haben im Vorfeld lange überlegt, ob wir uns diese Zusatz­investition nicht sparen sollten“, so Werkleiter Helmut Schwarz. „Jetzt sind wir froh, dass wir das Geld in die Hand genommen haben. Auch wenn kein Mangfall-Wasser auf unser Gelände eindrang, so war der Druck auf die grundwasserdichte Bodenwanne doch enorm.“

Autor/in: 

(Eva Müller-Tauber/BIHK)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2017, Seite 14

 
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