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Landesentwicklungsprogramm

Welche Orte sind "zentral"?

Erlangen Tennenlohe Luftaufnahme © Firaxx - ThinkstockPhotos

Für die Landesentwicklung werden neue Regeln erarbeitet. Welche Änderungen kommen auf Kommunen und Unternehmen zu?

Zu gleichwertigen Lebensbedingungen in allen Teilen Bayerns soll das Landesentwicklungsprogramm (LEP) beitragen, das derzeit überarbeitet wird. Das LEP ist bindend für alle öffentlichen Stellen und dient als Beurteilungsmaßstab für Raumordnungsverfahren und landesplanerische Stellungnahmen. Seit seiner Einführung 1976 wurde das LEP immer wieder novelliert; die letzte Gesamtfortschreibung trat am 1. September 2013 in Kraft.

Aber nach der Reform war vor der Reform: Derzeit ist eine LEP-Teilfortschreibung auf dem Weg durch die Legislative. Der Entwurf aus dem Finanz- und Heimatministerium will durch eine Neugestaltung des Zentrale-Orte-Systems, eine Lockerung des Anbindegebots und die Erweiterung des Raums mit besonderem Handlungsbedarf der wirtschaftlichen Entwicklung des ländlichen Raums „neuen Schub“ verleihen und Ballungsräume entlasten. Die LEP-Novelle wurde im März vom Ministerrat beschlossen und soll noch in der laufenden Legislaturperiode vom Landtag verabschiedet werden. Im Folgenden drei Kernpunkte der LEP-Teilfortschreibung.

Neue Einstufungen – System der Zentralen Orte

Das System der Zentralen Orte ist ein Grundsatz der Landesplanung – und damit auch ein wesentlicher Baustein des LEP, der eine flächendeckende, wohnortnahe Daseinsvorsorge in allen bayerischen Regionen sicherstellen soll. Zentralität bedeutet, dass eine Stadt oder eine städtische Siedlung Dienstleistungen und Güter für die Bevölkerung des Umlands anbietet. In der LEP-Novellierung 2013 wurden die bislang sieben Zentralitätsstufen auf drei Kategorien eingedampft: Grundzentren, Mittelzentren und Oberzentren. Es war aber schon damals klar, dass diese Neuetikettierung keinen Schlusspunkt unter die lang schwelende Diskussion setzt, ob es nicht zu viele Zen-trale Orte im Freistaat gebe. Dieser Punkt wurde vertagt: „Für die Festlegung der Mittel- und Oberzentren ist im Jahr 2014 eine Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms einzuleiten“, so die Aufgabe, die in der LEP-Novelle von 2013 festgeschrieben wurde.

Dieser Posten auf der To-do-Liste ist nun abgearbeitet. Die aktuelle LEP-Novelle sieht vor, 59 Gemeinden „aufzustufen“: München, Augsburg sowie Nürnberg mit den Städten Fürth, Erlangen und Schwabach gehören künftig in die neu festgelegte Zentralitätsstufe der Metropolen. Neu festgelegt werden zwölf Oberzentren (mit 18 Gemeinden) und 16 eigenständige Mittelzentren (mit 16 Gemeinden). Neun Gemeinden werden bestehenden Mittelzentren neu zugeordnet. In Mittelfranken schafft die Option, Mehrfachzentren auszuweisen, drei zusätzliche Mittelzentren: Feucht-Schwarzenbruck-Wendelstein; Heilsbronn-Neuendettelsau sowie Oberasbach-Stein-Zirndorf.

Die IHK Nürnberg begrüßt die Einführung der zusätzlichen Kategorie „Metropole“ und erwartet eine Stärkung für die Metropolregion Nürnberg. In einer Stellungnahme formulierte IHK den Wunsch, „alle zusätzlich ausgewiesenen Zentralen Orte seitens des Freistaats nach Kräften dabei zu unterstützen, ihren ausgewiesenen zentralörtlichen Funktionen nachkommen zu können“.

Dass durch die LEP-Novelle die Zahl der Zentralen Orte wächst, wird von einigen Akteuren, u. a. vom Bayerischen Städtetag, kritisch gesehen: „Wenn von 2 056 bayerischen Gemeinden jede Zweite das Etikett ‚Zentraler Ort‘ trägt, wird offenkundig, dass die ursprünglich damit verknüpfte Steuerungsfunktion ins Leere geht.“ Allerdings wäre die „Degradierung“ von Gemeinden innerhalb des Zentrale-Orte-Systems ein heißes Eisen: Selbst wenn für die Gemeinde keine finanziellen Zuwendungen an das Erreichen eines bestimmten Zen-tralitätsgrades geknüpft sei, wirke sich der Status positiv aus, wie ein Gutachten des Bayerischen Industrie- und Handelskammertag (BIHK) schreibt: „ … die auf Expertengespräche gestützte Analyse zeigt, dass die Zentralität eines Ortes mit hohem Prestige/Image verbunden ist und sich der Ort dadurch als attraktiver Investitionsstandort und Wohnort darstellt.“

Neue Spielräume – Anbindegebot

Ein weiteres kontrovers diskutiertes Thema ist das Anbindegebot. Demnach sind neue Wohn- und Gewerbegebiete grundsätzlich an städtebaulich integrierten Standorten auszuweisen. Die LEP-Novelle lockert diese strikte Vorgabe. Künftig sollen Gewerbe- und Industriegebiete „auf der grünen Wiese“ zulässig sein, wenn das Areal an der Ausfahrt einer Autobahn, einer vierstreifigen, autobahnähnlich ausgebauten Straße oder an einem Gleisanschluss liegt. Ausnahmen vom Anbindegebot gibt es außerdem für Gewerbe- und Indus-triegebiete, die von mehreren Gemeinden geplant und betrieben werden (sogenannte interkommunale Gewerbegebiete), und für große Freizeit- und Tourismusprojekte.

Diese Flexibilisierung soll mehr Unternehmen aufs Land locken, so das Ziel des Finanz- und Heimatministeriums. „Bislang scheiterten viele gewerbliche Erweiterungen und mit ihnen die Entstehung neuer Arbeitsplätze an dem Anbindegebot. Jetzt haben wir für konkrete Fälle mehr Möglichkeiten geschaffen. Die Kommunen bekommen mehr Mitspracherecht“, erklärte Finanz- und Heimatminister Dr. Markus Söder im Wirtschaftsausschuss des Bayerischen Landtags. Bei dieser Aussprache äußerten die Vertreter der Opposition ihre Zweifel, ob der ökonomische Nutzen einer Ausweitung neuer Gewerbegebiete tatsächlich den ökologischen Schaden durch den wachsenden Flächenverbrauch überwiege. Die CSU-Vertreter im Wirtschaftsausschuss haben inzwischen mit einem Änderungsantrag am LEP-Entwurf reagiert: Demnach sollen die Ausnahmeregelungen nur dann greifen, wenn das Orts- und Landschaftsbild nicht wesentlich beeinträchtigt wird und kein geeigneter angebundener Alternativstandort vorhanden ist. Mit Ausnahme der Grünen/Bündnis 90 haben alle Parteien im Wirtschaftsausschuss diesem CSU-Antrag zugestimmt.

Die IHK Nürnberg für Mittelfranken sieht positiv, dass die LEP-Novelle den Gemeinden neue Spielräume für die Ansiedlung von Gewerbe eröffnen. „Allerdings setzen wir nach wie vor auf den Grundsatz Innenentwicklung vor Außenentwicklung, etwa durch die Nachverdichtung innerörtlicher Brachflächen und Wiedernutzbarmachung von Leerständen“, unterstreicht Martina Stengel, die im IHK-Geschäftsbereich Standortpolitik und Unternehmensförderung für den Bereich Raumplanung und Standortberatung verantwortlich ist.

Einzelhandelsprojekte lässt die Lockerung des Anbindegebots außen vor: Die genannten Ausnahmen gelten lediglich für Gewerbe- und Industriegebiete – was aus unterschiedlichen Perspektiven kritisch betrachtet wird: So fürchtet beispielsweise der Bayerische Städtetag, dass sich Einzelhandelsnutzungen in diesen Gewerbe- und Indus-triegebieten nicht rechtssicher ausschließen lassen. Die IHK Nürnberg für Mittelfranken wägt dagegen folgende Aspekte ab: Einerseits könnten zusätzliche Geschäfte in neuen Gewerbegebieten die Einzelhandelsstandorte in den Ortszentren gefährden, andererseits wünschen sich die im Gewerbegebiet ansässigen Unternehmen durchaus Einzelhändler als Nachbarn. Denn die Beschäftigten legen Wert darauf, dass sie sich in der Nähe ihres Arbeitsplatzes verpflegen oder Einkäufe tätigen können.

Neue Förderoptionen – Raum mit besonderem Handlungsbedarf

Im LEP-Entwurf wird der Raum mit besonderem Handlungsbedarf (RmbH) nochmals vergrößert: Im Freistaat fallen demnach 33 – von insgesamt 71 – Landkreise einschließlich neun kreisfreier Städte und 150 Einzelgemeinden in die Kategorie RmbH. Ausschlaggebend für diese Erweiterung waren neue Berechnungen mit aktualisierten Zahlen. In den Strukturindikator, der über die Einstufung als RmbH entscheidet, fließen fünf Einzelkriterien ein: Bevölkerungsprognose, Arbeitslosenquote, Beschäftigtendichte, verfügbares Einkommen der privaten Haushalte und Wanderungssaldo junger Menschen. In Mittelfranken werden die Landkreise Ansbach, Neustadt a. d. Aisch/Bad Windsheim, Weißenburg/Gunzenhausen und Roth sowie die Stadt Ansbach als RmbH bewertet. Außerdem genießen einzelne Kommunen aus den Landkreisen Erlangen-Höchstadt, Fürth und Nürnberger Land diesen Status.

Die Einstufung als RmbH allein spült zwar keine zusätzlichen Mittel in die Gemeindekasse, ist aber entscheidend für die Konditionen in bestimmten Förderprogrammen. „Damit kann ein größerer Anteil Bayerns von höheren Fördersätzen, etwa beim Breitbandausbau oder der regionalen Wirtschaftsförderung profitieren“, erklärte Söder. Beispielsweise haben RmbH-Gemeinden bei der Breitbandförderung die Chance auf einen erhöhten Fördersatz von 80 Prozent, in Härtefällen sogar 90 Prozent. Beim Regionalmanagement sei eine Anhebung des Fördersatzes um 20 Prozent auf bis zu 80 Prozent möglich, so das Finanz- und Heimatministerium in einer Pressemitteilung.

„Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht befürwortet die Industrie- und Handelskammer die Förderung der einzelnen Teilräume nach festgelegten Indikatoren“, erklärt Martina Stengel. Auch der Bayerische Städtetag findet es grundsätzlich sinnvoll, Teilräume mit erhöhtem Handlungsbedarf zu definieren. Entscheidend sei jedoch, „ob die Förderung dieser Teilräume mit Leben erfüllt wird“. Skeptiker äußerten bei einer Anhörung im Landtag die Befürchtung, dass die Ausweitung der RmbH zu einer Verteilung von Fördermitteln nach dem Gießkannenprinzip einlädt. Söder versicherte aber, dass im Doppelhaushalt 2017/2018 ausreichend Haushaltsmittel für die betroffenen Förderprogramme vorgesehen seien, um den höheren Bedarf durch den RmbH-Zuwachs zu decken.

Autor/in: 

aw.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2017, Seite 14

 
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