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Bürogestaltung

Schöne neue Arbeitswelt

Einzelbüros oder Open Space, eigener Schreibtisch oder wechselnder Arbeitsplatz: Wie arbeitet es sich am besten?

Es ist nicht bedeutungslos für die Leistungsfähigkeit des schaffenden Menschen, ob er in einem schöngestalteten Büro oder in einem Schrank- und Aktenfriedhof arbeiten muss.“ Im „Geleitwort“ zum Katalog der „Westdeutschen Büro-Fachausstellung Köln“ werden bereits 1953 die Effekte der Arbeitsumgebung auf die Produktivität der Beschäftigten angesprochen. Auch 64 Jahre später ist dieser Zusammenhang zwar schwer messbar, aber dennoch unstrittig. Für den Nürnberger Architekten Andreas Grabow sind Bürogebäude und ihr Innenleben ein wesentlicher Teil der Identität eines Unternehmens. Die Qualität der Büros spiele eine Schlüsselrolle, und zwar nicht nur im Hinblick auf effiziente Arbeitsabläufe, wie Grabow betont: „Das Schaffen einer angenehmen Arbeitsumgebung ist ein Ausdruck der Wertschätzung für die Beschäftigten.“

Tatsächlich sehen immer mehr Unternehmen die Gestaltung der Arbeitsumgebung als Bonus, mit dem sie im „War for Talents“ punkten können. Gerade die hoch qualifizierten „Millennials“ aus Technik-Branchen sind gefragte Kandidaten auf dem Arbeitsmarkt. Um sie zu gewinnen, reichen finanzielle Köder nicht aus, denn im Wertekanon der Generation Y rangiert der Wohlfühlfaktor weit oben. So erklärte im Juli 2016 Herbert Hainer, damals noch Vorstandsvorsitzender der Adidas-Gruppe, bei der Grundsteinlegung des neuen, 50 000 Quadratmeter großen Bürogebäudes „Arena“: „Es ist unser klares Ziel, auf der World of Sports die attraktivsten Arbeitsplätze zu schaffen, um auch weiterhin die besten Talente aus aller Welt nach Herzogenaurach zu holen.“

Und diese „Talente“ lockt man nicht mit Zwei- oder Dreimann-Büros, die von einem dunklen Mittelflur abzweigen und mit beige-gräulichen Kunststoffmöbeln ausgestattet sind, die auf verblichenem Linoleum oder abgetretenem Teppichboden stehen. Solche Interieurs sterben aus – und zwar nicht primär aus ästhetischen Gründen, sondern weil sie der Wandel der Arbeitswelt aus der Zeit katapultiert hat.

„Neue Prozesse und Technologien verändern nicht nur unsere Wirtschaft, sondern auch die Art und Weise, wie wir heute und in Zukunft arbeiten“, schreibt der IT-Branchenverband Bitkom in seinem „Thesenpapier Arbeit 4.0“. Die Digitalisierung betrifft nicht nur technische Aspekte, sondern alle Dimensionen der Arbeitswelt – von der Konfiguration der Wertschöpfungskette bis zur Führung. Charakteristisch für die „Arbeit 4.0“ sind Transparenz, Kommunikation, Kooperation, flache Hierarchien, Verdichtung und Beschleunigung von Prozessen sowie Flexibilität. Die Bürogestaltung schafft die Voraussetzungen, um diese Anforderungen im Arbeitsalltag umzusetzen.

Den passenden gestalterischen Rahmen gibt es nicht als Blaupause. Jedoch herrscht Konsens, dass moderne Bürokonzepte vor allem vier Herausforderungen zu meistern haben: optimale Bedingungen für den firmeninternen Kommunikationsfluss schaffen, Wohlfühlatmosphäre erzeugen, die Gesundheit fördern sowie Räume und Ressourcen effizient nutzen. Innerhalb dieser Leitplanken gilt es dann für Architekten und Planer, individuelle Lösungen zu entwickeln: „Am Anfang eines Auftrags steht für mich immer die Frage ‚Wie arbeiten Sie?’. Ich muss die Abläufe in einem Unternehmen verstehen und wissen, welche Abteilungen zusammenarbeiten“, erklärt Andreas Grabow, dessen Architekturbüro Grabow + Hofmann in Nürnberg u. a. den Hauptsitz von Rödl & Partner sowie die Firmenzentrale von Envi Con & Plant Engineering GmbH auf dem Milchhofgelände („Tullnaucarrée“) gebaut hat.

Open Space

Bei der Gestaltung neuer Büros sind aktuell Open-Space-Lösungen besonders gefragt. „Open Space“ ist eine zeitgenössische Variante des Großraumbüros: Relativ weitläufige Bürolandschaften ermög-lichen ein intelligentes Wechselspiel zwischen Teamarbeit, sichtbarer Präsenz und Rückzugsmöglichkeiten.         

Auch die TeamBank AG hat in ihrem Ende 2014 bezogenen Unternehmenssitz in der Beuthener Straße in Nürnberg auf ein Open-Space-Konzept gesetzt. Im „easyCredit-Haus“ arbeiten rund 700 Beschäftigte auf einer Fläche von rund 15 200 Quadratmetern. Mit dem Neubau wollte die TeamBank AG einen architektonischen Akzent setzen, der für genossenschaftliche Werte wie Nähe, Transparenz und Kommunikation auf Augenhöhe steht. „Das Gebäude transportiert unsere unverwechselbare Unternehmenskultur als unkonventionelle und kundennahe Bank bereits beim ersten Eindruck“, so Philipp Blomeyer, Bereichsleiter Personal, Recht und Kommunikation. Das „easyCredit-Haus“ wurde vom Architekturbüro Baumschlager Eberle entworfen; die Gestaltung der Innenräume hat das Züricher Architekturbüro Camenzind Evolution übernommen, in dessen Referenzliste u. a. mehrere Google-Standorte sowie die Credit Suisse stehen. Die Arbeitswelten in der Beuthener Straße 25 wurden so gestaltet, dass sich die Prozesse der Bank in der Anordnung der Arbeitsplätze widerspiegelt. Mit dem Ergebnis ist Blomeyer sehr zufrieden: „Die offenen Bereiche, in denen sich Mitarbeiter unkompliziert über Abteilungs- und Bereichsebenen hinweg austauschen können, schaffen den idealen Nährboden für innovative Ideen.“

Keine Konzepte von der Stange

Bei der Planung des „easyCredit-Hauses“ und anderer moderner Bürogebäude gilt die Maxime „form follows function“. Denkt man dieses Prinzip konsequent weiter, kann es keine qualitativ hochwertige Büroarchitektur „von der Stange“ geben. „Die Arbeitsumwelt muss immer zur Arbeitsaufgabe passen und zur Kultur des Unternehmens und zu dem, was da eigentlich gemacht werden soll“, stellt Architekturpsychologe Riklef Rambow fest.

Diesem Leitsatz ist auch die Datev eG bei Planung und Bau des IT Campus 111 gefolgt. Mit dem 2015 eröffneten Gebäude in der Fürther Straße 111 wollte der IT-Dienstleister für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte die bislang an vier Standorten verteilte Software-Entwicklung unter ein gemeinsames Dach bringen. Der Datev IT Campus 111 bietet Raum für 1 800 Arbeitsplätze; das gestalterische Konzept setzt auf eine Mischung aus offenen Bürozonen sowie vielen Besprechungs- und Rückzugsbereichen und ist auf die Anforderungen agiler Software-Entwicklung zugeschnitten: „Die Entwicklung von Software ist ein hochgradig arbeitsteiliger Prozess. Die Beteiligten müssen vernetzt denken und schnell auf veränderte Anforderungen, etwa Kundenwünsche oder gesetzliche Vorgaben, reagieren. Mit dem Neubau hat die Datev einen Raum für bessere Vernetzung und Kooperation über alle Teams hinweg geschaffen“, erklärt Prof. Dr. Peter Krug, Entwicklungsvorstand der Datev eG.

Desk Sharing

Im IT Campus 111 hat jeder Mitarbeiter seinen persönlichen Arbeitsplatz als „Heimathafen“ und kann, je nach Stimmung und Aufgabe, an anderen Orten arbeiten, beispielsweise in einem Rückzugsraum, einem Besprechungszimmer, in verschiedenen Kommunikationszonen oder in einem der vier Innenhöfe. Anders bei der TeamBank AG, die im „easyCredit-Haus“ das sogenannte Desk Sharing praktiziert, auch „non-territoriales Arbeiten“ genannt. Dort haben die Mitarbeiter keinen eigenen Schreibtisch, sondern wählen ihren Arbeitsort flexibel innerhalb ihrer sogenannten „Home Zone“. Außerdem können sich die Beschäftigten in Areale für konzentrierte Stillarbeit zurückziehen, in Entspannungsräumen auftanken oder sich mit anderen Kollegen an unterschiedlich gestalteten Treffpunkten austauschen. Für seine persönlichen Gegenstände hat jeder Mitarbeiter einen Spind in seiner „Home Zone“, denn zum Desk Sharing gehört die sogenannte „Clean Desk Policy“ – beim längeren Verlassen des Arbeitsplatzes darf nichts zurückbleiben. Das Prinzip Desk Sharing wird bei der TeamBank AG durchgängig praktiziert: Auch im Vorstandsbereich gilt der Satz „My home is where my brain is“ – der eigene Schreibtisch hat ausgedient.

Zum Thema Desk Sharing sind die Meinungen geteilt: Für manche ist die Verbannung der persönlichen Arbeitsplätze aus den Bürolandschaften ein Erfolgsfaktor, der Transparenz Flexibilität, Kreativität und Produktivität fördert. Hinzu kommt das ökonomische Argument, dass die Flächeneffizienz deutlich gesteigert wird. Skeptiker warnen vor den „emotionalen Kosten“ des Desk Sharing wie Anspannung, Stress sowie Verbindlichkeits- und Bindungsverluste. Der Philosoph Jan Slaby gibt zu bedenken, dass die Ebene der unterschwelligen Gefühle wie Vertrautheit, Zuhausesein und Sicherheit gerade in technisierten Arbeitsumgebungen häufig unterschätzt wird.

Angesichts dieser Pro-und-Kontra-Gemengelage ist Andreas Grabows Meinung zum Thema Desk Sharing differenziert: „Diesen Schritt sollte man sich sehr genau überlegen. Es gibt eine psychologische Bindung an den eigenen Arbeitsplatz, die das Wohlbefinden stark beeinflusst.“ Das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) hat in der Studie „Office Settings“ die Vor- und Nachteile fixer und flexibler Arbeitsplatz-Konzepte untersucht. Ergebnis des Vergleichs: Im Durchschnitt der Befragten gibt es keine Unterschiede bei den Erfolgsfaktoren.

Die Fraunhofer-Studie offenbart außerdem, was Büromenschen unglücklich macht: Zu hohe Arbeitsplatzdichte, Störungen durch vorbeilaufenden Kollegen, ständige Beobachtung am Arbeitsplatz und grelles Licht sind die Faktoren, die für die größte Unzufriedenheit sorgen. Besonders wichtig für den Wohlfühleffekt der Büroumgebung sind Möblierung, Akustik, Rückzugsmöglichkeiten für konzentriertes Arbeiten und Enklaven für Erholung und Pausen.

Das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation hat die Planung und Gestaltung des Datev IT Campus 111 begleitet und dabei einen wichtigen Grundsatz in die Praxis umgesetzt: Entscheidend für den Erfolg neuer Bürokonzepte ist die Einbindung der Mitarbeiter. Die Datev hat das neue Raumkonzept in eigens eingerichteten Pilotflächen im etwas weiter westlich in der Fürther Straße gelegenen TA-Gelände getestet. Rund 100 Software-Entwickler probierten verschiedene Varianten ihres zukünftigen Arbeitsumfelds aus. Erfahrungen und Verbesserungsvorschläge wurden systematisch ausgewertet und beim Design des IT Campus berücksichtigt. Aber nicht nur die „Piloten“ auf dem TA-Gelände konnten Wünsche und Anregungen in die Neubau-Planung einbringen – im Vorfeld des Umzugs wurde ein Team gebildet, in dem alle Abteilungen und alle Hierarchiestufen vertreten waren. „So haben wir den Kommunikationsfluss über alle Ebenen des Unternehmens sichergestellt“, erklärt Prof. Dr. Peter Krug. Dieses Gremium blieb auch nach dem Einzug bestehen und war ein Ansprechpartner für die Beschäftigten, wenn beim Einwohnen des neuen Gebäudes nachjustiert werden musste. Beispielsweise stellte sich heraus, dass der Bedarf an Räumen für informelle Meetings größer war als ursprünglich gedacht.

Auch bei der TeamBank AG hatte der Umzug vom Rathenauplatz in die Beuthener Straße einen langen Vorlauf, damit Wünsche und Anregungen der Mitarbeiter zu berücksichtigt werden konnten. So bestimmten die TeamBank-Kollegen unter anderem bei der Möblierung und der Namensgebung der Etagen-Cafés mit. Beim Neubau des Tullnaucarrées war die Meinung der Belegschaft ebenfalls gefragt: Die Envi Con & Plant Engineering GmbH hatte ein Beratungsgremium ins Leben gerufen, das abteilungs- und hierarchieübergreifend besetzt war. Schon während der Planungsphase fand ein intensiver Austausch zwischen diesem Team und den Architekten statt, erinnert sich Andreas Grabow. „So ist ein Gebäude entstanden, das genau auf die individuellen Bedürfnisse der künftigen Nutzer zugeschnitten ist.“

Autor/in: 

Andrea Wiedemann

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2017, Seite 34

 
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