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Innerstädtischer Verkehr

Mobil in der City

Wie lässt sich eine umweltverträgliche Mobilität erreichen? Diese Frage diskutierte der IHK-Ausschuss für Verkehr und Logistik.

Diesel-Skandal, drohende Fahrverbote in deutschen Städten und Unklarheit über die Wende in Richtung E-Mobilität – für Unternehmen ist es derzeit alles andere als einfach, den betrieblichen Fuhrpark zukunftsfähig auszurichten. Mit Sorge sehen viele Betriebe auf den Rechtsstreit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) mit der Stadt Stuttgart wegen deutlich überschrittener Grenzwerte für Stickstoffdioxid: Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte geurteilt, dass Diesel-Fahrverbote in der Stuttgarter Umweltzone ab Anfang 2018 unausweichlich und rechtlich zulässig seien. Nun wird das Bundesverwaltungsgericht Leipzig voraussichtlich Ende Februar die Rechtmäßigkeit von Fahrverboten prüfen. Als Sofortmaßnahme fordert die DUH für Stuttgart die Nachrüstung aller in die Stadt einfahrenden Busse des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und der Fahrzeuge öffentlicher Betriebe.

Die von den Automobilherstellern begonnenen Nachrüstungen per Software-Update werden wohl kaum ausreichen, um durchgreifende Verbesserungen der Luftqualität zu erreichen. Sie senken laut einer Schätzung des Umweltbundesamtes (UBA) die Stickoxid-Emissionen der gesamten Pkw-Flotte lediglich um drei bis sieben Prozent – je nachdem, wie viele Besitzer das Update durchführen lassen. Für fast 70 deutsche Städte reichen die Maßnahmen voraussichtlich nicht aus, um die Atemluft unter den Grenzwert von maximal 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel zu senken. Insgesamt nennt das UBA 93 deutsche Städte, in denen der Jahresmittelwert 2016 überschritten wurde. Nürnberg rangiert auf Platz 45 mit einem gemessenen Jahresmittelwert von 46 Mikrogramm. Auch die Maßnahmen, die bei dem von der Politik initiierten Dieselforum im August beschlossen wurden, führen laut UBA lediglich zu einer Senkung der Stickstoffdioxidbelastung in den deutschen Städten von bis zu sechs Prozent.

Die anhaltende Diskussion um Diesel und Fahrverbote hat sich deutlich in der Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes niedergeschlagen. Im September brachen die Neuzulassungen von Dieselautos ein, der Dieselanteil rangierte nur noch bei gut einem Drittel. Vor einem Jahr waren noch fast 45 Prozent der Neuzulassungen Dieselfahrzeuge.

Ulrich Schaller, Verkehrsexperte der IHK Nürnberg für Mittelfranken, warnt vor kurzfristigen Fahrverboten. Sie würden der gesamten Wirtschaft mit ihren Betrieben, Mitarbeitern und Kunden erhebliche Belastungen bringen, zitiert er aus einer bundesweiten Erklärung, die u. a. vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), vom Zentralverband des Deutschen Handwerks und vom Handelsverband Deutschland unterzeichnet wurde. Zudem würden Fahrverbote zu hohen Kosten durch Wertminderung des betrieblichen Fuhrparks, durch Ersatzbeschaffungen oder durch erhebliche Umwege gewerblicher Fahrzeuge in Städten führen. Die Versorgung der Städte insgesamt könnte beeinträchtigt werden. Neben verschärften Abgasstandards, Nachbesserungen bei Diesel-Pkw und einer verbesserten Infrastruktur bei Verkehrsführung und Parkleitsystemen sieht das Papier noch weitere Maßnahmen vor. Dazu zählen beispielsweise eine Erneuerung der kommunalen Flotten und eine gesteigerte Attraktivität alternativer Verkehrsmittel. Mit diesen Maßnahmen sollten Städte auf Basis des Mobilitätsfonds des Bundes noch vor dem Jahreswechsel beginnen.

Elektromobilität

Mittel- und langfristig wächst beim Blick über die Landesgrenzen der Veränderungsdruck. Als erster Autobauer hatte Volvo zur Jahresmitte angekündigt, Verbrennungsmotoren schrittweise abzuschaffen, ab 2019 soll jedes neue Modell zumindest teilweise mit Strom fahren. In Frankreich sollen zwar erst ab dem Jahr 2040 Diesel- und Benzinautos verboten werden. Paris will aber unter den europäischen Metropolen eine Vorreiterrolle einnehmen und erwägt, Dieselautos bis zu den Olympischen Sommerspielen 2024 zu verbieten. Den Plänen zufolge könnten ab 2030 keine Benzinautos mehr in der französischen Hauptstadt erlaubt sein. Und China, der automobile Wachstumsmarkt schlechthin, nimmt ab 2019 die Autobauer in die Pflicht und verlangt eine Zehn-Prozent-Quote für Elektroautos.

Vor diesem Hintergrund widmete sich der IHK-Ausschuss für Verkehr und Logistik bei seiner jüngsten Sitzung dem Thema Luftreinhaltung aus unterschiedlichen Perspektiven. Dr. Klaus Köppel, Leiter des Nürnberger Umweltamtes, fasste zunächst die Situation im Stadtgebiet zusammen: Wegen damals zu hoher Feinstaubwerte wurde 2004 ein Luftreinhalteplan in Kraft gesetzt. Aufgrund überschrittener NO2-Jahresgrenzwerte folgte 2010 eine erste Fortschreibung des Luftreinhalte- und Aktionsplans, im September 2017 die zweite Fortschreibung. Die vielen Einzelmaßnahmen haben zwar rund um die Messstation in der Von-der-Tann-Straße für sinkende NO2-Werte gesorgt, reichen aber nicht aus, um die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten, resümierte Köppel.

Einzelne Bausteine zur weiteren Verkehrsvermeidung (z. B. Ringbuslinie „Mittlerer Ring“, Semesterticket und U3-Verlängerung) sind bereits umgesetzt, andere Maßnahmen wie ein Lkw-Verkehrslenkungskonzept über die Autobahnen zum Hafen oder der Ausbau des Frankenschnellweges sind noch Zukunftsmusik. Köppel wollte aber auch mehr Unternehmen gewinnen, an der NO2-Minderung mitzuarbeiten. Dazu zählte er etwa die verstärkte Nutzung des ÖPNV-Firmenabos zur Verringerung des Pkw-Pendlerverkehrs, die Umstellung des Fuhrparks auf die Abgasnorm Euro 6d – die eine Messung unter realistischen Verkehrsbedingungen (Real Driving Emission, RDE) beinhaltet – sowie firmeninterne Car-Sharing-Konzepte bei Geschäftswagen. Zusätzlich sollten sich Unternehmen auch an neuen Logistikkonzepten speziell für Lieferungen im Stadtgebiet beteiligen. Positiv bewertete Köppel die laufenden Nürnberger Pilotprojekte zur nachhaltigen Stadtlogistik, bei denen die Innenstadt über Mikrodepots und mit Lastenfahrrädern beliefert wird.

Trends bei Bussen und Lkw

Wolfgang Schröppel, Vice President Motorenkonstruktion im Nürnberger Werk von MAN Truck & Bus, berichtete über die wesentlich strengeren Anforderungen der Abgasreinigung, um die Euro VI-Grenzwerte für Nutzfahrzeuge einzuhalten. Neben der bekannten Typprüfung am Motorenprüfstand sind Anbieter auch für die Einhaltung der Abgasgrenzwerte im Betrieb verantwortlich, bei Lkw mindestens bis zu einer Fahrleistung von 700 000 Kilometern, bei Bussen bis 300 000 Kilometern.

Neben einer kontinuierlichen Verbesserung der Dieselmotoren rüstet sich MAN im Bus-Segment für batteriebetriebene Stadtbusse mit „Zero Emission“. Hybrid-Busse seien auf diesem Weg nur eine Zwischenlösung. Außerdem werden gerade neun E-Trucks im Rahmen des Kooperationsprojekts mit dem österreichischen Firmenkonsortium „Council für Nachhaltige Logistik“ als Prototypen hergestellt und Ende November 2017 an neun Firmen übergeben. Diese Lkw sollen praktische Erfahrungen liefern mit Blick auf die weitere Entwicklung für ein Serienangebot. Nicht zuletzt werden Gasbusse weiterentwickelt, die mit einem relativ einfachen Dreiwegekatalysator alle Euro VI-Grenzwerte sicher einhalten können. Aber auch der Dieselmotor wird mit neuen synthetischen Kraftstoffen in Zukunft im Straßengüterverkehr eine Rolle spielen, ist sich der MAN-Entwickler sicher.

Ein weiterer Baustein auf dem Weg zu nachhaltigen Verbesserungen ist ein Siemens-Pilotprojekt mit der Stadt Nürnberg. Das bereits weltweit in Großstädte eingesetzte „City Performance Tool“ erfasst nach einheitlichem Standard Umweltdaten, um daraus städteplanerische Verbesserungen abzuleiten und Investitionen zu steuern. In Nürnberg wird die Weiterentwicklung „City Performance Tool – Air“ (CyPT-Air) eingesetzt, erklärte Siemens-Vertriebsleiter Jürgen Zöbl. Hierzu wurden zunächst Kenndaten aus Verkehr, Gebäuden und Energieverbrauch erfasst, die die Luftqualität beeinflussen. Nach einer einjährigen Datensammlung wurden die drei Szenarien „Intelligent E-Mobil“, „Autofrei – Spaß dabei“ und „Lebenswerte Stadt 2025“ entwickelt und in ihrer Wirksamkeit hinsichtlich etwa der NO2- oder Feinstaub-Reduzierung bewertet. Die Umsetzung der sogenannten Push-Maßnahmen (Vorgaben wie etwa Blaue Plakette oder City-Maut) und Pull-Maßnahmen (Angebote, wie Fahrradschnellstrecken, Ausbau ÖPNV oder 365-Euro-Jahresticket) setzen allerdings politische und finanzielle Machbarkeit voraus.

Wie Marktforschungen des Nürnberger ÖPNV-Anbieters VAG ergeben haben, sind theoretisch 59 Prozent der innerstädtischen Pkw-Fahrten ersetzbar, teils durch Fahrrad oder zu Fuß, 43 Prozent wären aber auch durch den ÖPNV zu unternehmen, konstatierte Vorstand Tim Dahlmann-Resing. Bei den nicht verlagerbaren Fahrten liegt entweder keine angemessene alternative Verbindung vor (Weg dauert mehr als doppelt so lange wie mit dem Pkw) oder das Fahrzeug wird aus beruflichen Gründen oder zum Transport benötigt. Mit zahlreichen Maßnahmen will die VAG die Bedienungs- und Beförderungsqualität verbessern.

Dahlmann-Resing machte deutlich, dass 140 der insgesamt 180 Mio. jährlichen Fahrten durch Nutzung von U-Bahnen und Straßenbahn schon heute „elektromobil“ vonstatten gehen. Seit 2012 werde zum Antrieb zu 100 Prozent Ökostrom verwendet. Der umweltverträgliche Umbau der 175 VAG-Busse zu einer reinen E-Busflotte sei nicht zum Nulltarif zu bekommen. Sollte die Hälfte der Busflotte bis zum Jahr 2030 durch E-Busse ersetzt werden, müssten selbst bei einem Preisverfall elektrischer Antriebe noch zusätzlich zwölf Mio. Euro investiert werden, rechnet Dahlmann-Resing vor. Dazu kämen noch einmal rund 21 Mio. Euro für Ladeinfrastruktur und Umbaumaßnahmen.

Skeptisch zeigte er sich gegenüber einem möglichen Diesel-Fahrverbot. Das würde zwar für mehr Verkaufserlöse im ÖPNV sorgen, dem stünden aber höhere Personalkosten und Kapazitätsengpässe zu Spitzenzeiten gegenüber. Zusätzliche Fahrten durch ein Diesel-Fahrverbot wären ohne außerordentliche Investitionen im öffentlichen Verkehr gegenwärtig nicht zu stemmen.

Autor/in: 

tt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2017, Seite 18

 
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