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EU-Freihandelsabkommen

Brücken bauen

Freihandel_Brücke © lkunl/Thinkstock.com

Die Europäische Union wiedersetzt sich dem Trend zum Protektionismus und schließt Freihandelsabkommen mit wichtigen Partnern.

Japan und die Europäische Union (EU) haben im Dezember 2017 die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen abgeschlossen. Für die deutsche Wirtschaft sei das Abkommen zwischen Europa und der 127 Mio. Einwohner zählenden Wirtschaftsmacht in Ostasien „ein lang ersehnter Durchbruch“, sagte Dr. Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Er sieht diesen Pakt als „klares Signal gegen den wachsenden Protektionismus in der Welt“.

Schon heute verbinden enge Wirtschaftsbeziehungen die beiden Vertragspartner: Die EU-Mitgliedsstaaten exportieren jährlich Waren und Dienstleistungen im Wert von 88 Mrd. Euro nach Japan, das nach China der zweitstärkte Handelspartner in Asien ist. Erfüllen sich die Erwartungen der Unterhändler, sollen die EU-Exporte nach Japan nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens um fast ein Drittel zunehmen. Insgesamt soll der Pakt den Europäern Zolleinsparungen von bis zu einer Mrd. Euro pro Jahr bescheren.

Das „Economic Partnership Agreement“ mit Japan umfasst nicht nur den Warenhandel, sondern auch Dienstleistungen, Regeln für Investitionen und Wettbewerb sowie für Sozial- und Umweltstandards. Unternehmen aus der EU können sich nun in 48 japanischen Großstädten an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen. Diese ambitionierten Vereinbarungen haben aktuell eine hohe Symbolkraft: „Die EU und Japan haben eine gemeinsame Vision für eine offene und regelbasierte Weltwirtschaft, die die höchsten Standards garantiert. Heute senden wir an andere Länder die Botschaft von der Bedeutung eines freien und fairen Handels”, unterstrich EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström.

Der Adressat dieser Botschaft wird in der Pressemitteilung der EU-Kommission zwar nicht explizit genannt, ist aber leicht zu identifizieren: Bereits im Wahlkampf hatte Donald Trump „America first“ als oberste Maxime der Handelspolitik ausgegeben. Als US-Präsident bleibt er diesem Prinzip treu und hat das geplante Pazifikstaaten-Abkommen TPP (Trans-Pacific Partnership) aufgekündigt und das Ende des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta angedroht. Die Verhandlungen über die geplante Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den Vereinigten Staaten, die vor allem in Deutschland sehr kontrovers diskutiert wurde, liegen seit Trumps Amtsantritt auf Eis.

Die EU und Deutschland erteilen dieser Renaissance des Protektionismus mit ihrer Handelspolitik eine klare Absage und setzen auf die Öffnung neuer Märkte für Waren und Dienstleistungen. Diesen Anspruch formuliert auch das DIHK-Positionspapier zur Rolle der EU: „Die EU ist gefordert, durch ambitionierte Freihandelsabkommen, moderne handelspolitische Schutzinstrumente und Investitionsschutzabkommen die richtigen Rahmenbedingungen und Spielregeln für das außenwirtschaftliche Engagement von Unternehmen zu setzen. Das ist gerade für den Mittelstand von hoher Bedeutung.“

Nach Worten von Dr. Volker Treier, Außenwirtschafts-Chef des DIHK, sind Handelsabkommen „ein wichtiger Baustein“ für den Erfolg der deutschen Wirtschaft auf internationalen Märkten. Deutschland hat am Welthandel einen Anteil von 7,2 Prozent, weite Teile der Volkswirtschaft sind stark vom Export geprägt, was sich auch auf die Beschäftigung auswirkt: Fast jeder dritte Arbeitsplatz hängt direkt oder indirekt vom Export ab, in der Industrie sogar jeder zweite. Auch auf europäischer Ebene zeigt sich der hohe Stellenwert des globalen Handels: Mit einem Anteil von 16,5 Prozent an den globalen Ein- und Ausfuhren ist die EU die größte Handelsmacht der Welt.

Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass sich die Europäische Union als Verfechterin des Freihandels positioniert. Der bringt allen Beteiligten den größten Nutzen, wenn die Bedingungen fair sind („level playing field“), europäische Schutzstandards erhalten bleiben und neue Standards, etwa bei technischen Innovationen, in einem möglichst großen Wirtschafts- und Gesellschaftsraum in einem transparenten Diskurs festgelegt werden.

Bilaterale Abkommen

Um diese Ziele zu erreichen, setzt die EU seit 2007 verstärkt auf bilaterale Handelsabkommen, da die Konsensfindung auf Ebene der WTO (World Trade Organization) kaum Fortschritte macht. Die EU hat bereits mit über 50 Staaten bilaterale Freihandelsabkommen geschlossen, in den letzten Jahren u. a. mit Singapur, Vietnam und Kanada. Der 2011 geschlossene Handelsvertrag mit Südkorea wirft ein Schlaglicht auf das Potenzial solcher Abkommen: In den ersten fünf Jahren nach der Unterzeichnung sind die Ausfuhren nach Südkorea um 55 Prozent gestiegen. Die Abschaffung und Senkung von Zöllen brachten europäischen Unternehmen Einsparungen in Höhe von 2,8 Mrd. Euro.

In den EU-Abkommen der neuen Generation geht es nicht nur um Zölle und Abgaben, sondern auch um nicht-tarifäre Handelshemmnisse, die den Import von Gütern bremsen. Dazu zählen beispielsweise unterschiedliche Standards, Importquoten, Local-Content-Klauseln, die einen bestimmten Anteil inländischer Produktion vorschreiben, oder der Ausschluss ausländischer Anbieter von öffentlichen Ausschreibungen.

Bei diesen umfassenden Abkommen stellt sich jedoch die heikle Frage, inwieweit die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten die Handelsverträge ebenfalls ratifizieren müssen. Grundsätzlich liegt die Zuständigkeit für die gemeinsame Handelspolitik ausschließlich im Kompetenzbereich der EU. Das heißt, die EU legt die Höhe von Zöllen auf Einfuhren aus Drittstaaten fest, schließt bi- und multilaterale Abkommen ab und entscheidet über handelspolitische Schutzmaßnahmen. Mit dem Vertrag von Lissabon sind diese Kompetenzen im Jahr 2009 erweitert worden. Er benennt auch ausländische Direktinvestitionen, den Handel mit Dienstleistungen sowie Handelsaspekte des geistigen Eigentums als Themen der gemeinsamen Handelspolitik. Diese Erweiterung hat die Grenzziehung zwischen alleiniger Abschlusskompetenz der EU („EU-only-Abkommen“) und Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten schwieriger gemacht. Betrifft ein Freihandelsabkommen auch Bereiche, die nicht in die alleinige Zuständigkeit der EU fallen, liegt ein sogenanntes „gemischtes Abkommen“ vor. In diesem Fall müssen die Abkommen nicht nur vom Rat der EU und dem Europäisches Parlament, sondern auch durch die einzelnen Mitgliedsstaaten nach ihren jeweiligen nationalen Verfahren ratifiziert werden.

Ceta-Abkommen mit Kanada

Das Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Ceta – Comprehensive Economic and Trade Agreement) wurde beispielsweise als „gemischtes Abkommen“ eingestuft, weil in den Bereichen Investitionsschutz, Seeverkehrsdienstleistungen, Arbeitsschutz und Gesundheitsschutz Themen geregelt werden, die nicht der ausschließlichen Zuständigkeit der EU unterliegen, so das Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums. Nach der Verabschiedung im Europäischen Parlament im Februar 2017 ist Ceta am 21. September 2017 vorläufig in Kraft getreten – die vorläufige Anwendung gilt nur für diejenigen Bereiche, die unstrittig in der Zuständigkeit der EU liegen.

Immerhin können EU-Unternehmen und EU-Bürger damit bereits jetzt die Vorteile von Ceta nutzen: So schafft Kanada die Zölle auf 98 Prozent aller zwischen der EU und Kanada gehandelten Waren ab. Dies führt für EU-Unternehmen voraussichtlich zu Einsparungen von jährlich rund 590 Mio. Euro. Zudem erhalten sie auf Bundes-, Provinz- und Kommunalebene Zugang zu öffentlichen Aufträgen, wobei das Volumen der öffentlichen kanadischen Beschaffungsmärkte auf 74 Mrd. Euro beziffert wird. Damit das Abkommen vollständig in Kraft treten kann, muss es von den Parlamenten der 28 Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Zu den Regelungen, die erst nach diesem Schritt wirksam werden, gehört u. a. die Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten durch ein öffentlich legitimiertes Investitionsgericht.

Aktuell verhandelt die EU über Freihandelsabkommen in Lateinamerika: Mit Mexiko besteht bereits seit 2000 ein sogenanntes Globalabkommen über die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Derzeit laufen Gespräche über dessen Modernisierung; dazu gehört ein neues bilaterales Freihandelsabkommen zwischen der EU und Mexiko, das auch Themen wie Nachhaltigkeit, regulatorische Zusammenarbeit und Korruptionsbekämpfung sowie die Bereiche E-Commerce, Finanzdienstleistungen und Landwirtschaft umfasst. Bei ihrem letzten Treffen im Dezember 2017 in Brüssel waren die Unterhändler zuversichtlich, dass das Abkommen bald unterschriftsreif sei. Die EU-Länder sind nach den USA und China der drittwichtigste Handelspartner Mexikos. Der deutsch-mexikanische Handel erreichte 2016 ein Volumen von mehr als 27 Mrd. Euro.

Wieder aufgenommen hat die EU die Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit dem Mercosur. Die vor fast zwei Jahrzehnten begonnenen Verhandlungen mit den vier Gründungsländern des südamerikanischen Staatenbunds (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) gerieten jedoch immer wieder ins Stocken. Nun haben sich die Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss verbessert, denn die EU möchte auch damit ein Zeichen gegen den Protektionismus der Vereinigten Staaten setzen: „In einer Zeit, wo andere Mauern bauen, müssen wir mehr denn je Brücken schlagen“, so EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström.

Autor/in: 

Von Andrea Wiedemann

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2018, Seite 22

 
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