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Sozialversicherung

Beitragspflichtig oder nicht?

Illu_WiM_0118_web © Anton Atzenhofer

Die Statusfeststellung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schafft Klarheit: Liegt ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor?

Für Unternehmer ist es selbstverständlich, dass sie für ihre Beschäftigten Sozialversicherungsbeiträge leisten. In vielen Branchen ist es jedoch durchaus üblich, saisonal oder ganzjährig auf die Beauftragung von Selbstständigen zurückzugreifen. Zudem setzen viele Betriebe auch bei Arbeitsfeldern wie Buchhaltung oder Marketing auf selbstständige beziehungsweise freiberufliche Mitarbeiter.

Die Abgrenzung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und sozialversicherungsfreien Selbstständigen ist dabei nicht immer einfach und eindeutig. So passieren immer wieder Fehler, die unter Umständen hohe Kosten verursachen. Grundsätzlich haftet nämlich der Auftraggeber dafür, dass die Sozialversicherungsbeiträge für seine Beschäftigten ordnungsgemäß abgeführt werden. Mit einem sogenannten Statusfeststellungsverfahren, das bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund beantragt werden kann, lassen sich Unsicherheiten hinsichtlich des Sozialversicherungsstatus eines Mitarbeiters eindeutig und verbindlich klären.

Wer ist versicherungspflichtig?

Sozialversicherungspflicht besteht in Deutschland für abhängig Beschäftigte, insbesondere für Arbeitnehmer. Ob ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, prüft die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund, indem sie alle Umstände des Einzelfalls in ihrer Gesamtheit betrachtet. Zur Beurteilung, ob sich eine Tätigkeit als abhängige Beschäftigung darstellt, werden verschiedene Indizien herangezogen. Wenn der Mitarbeiter dem Vertrag nach eine selbstständige Dienst- oder Werkleistung erbringt, ist dies allein noch nicht aussagekräftig und für die Bewertung nur ein Indiz unter vielen. Gewertet wird vielmehr, wie das Vertragsverhältnis in der Realität gelebt wird.

Beispielsweise können folgende Indizien dafür sprechen, dass es sich um eine abhängige Beschäftigung handelt, für die Sozialversicherungspflicht besteht:

  • Persönliche Erbringung der Arbeitsleistung.
  • Die Tätigkeit erfolgt nach Weisungen des Unternehmers. Der Auftragnehmer verfügt über kein Eigenkapital und trägt kein unternehmerisches Risiko.
  • Der Auftraggeber stellt die Betriebsmittel bereit, die für die Tätigkeit notwendig sind.
  • Die Person schuldet die eigene Arbeitskraft, die Erbringung eines konkreten Arbeitserfolges rückt demgegenüber in den Hintergrund.
  • Der Auftragnehmer ist ausschließlich oder ganz überwiegend für einen einzigen Auftraggeber tätig.

Im Gegensatz dazu sprechen unter anderem diese Kriterien eher dafür, dass es sich um einen selbstständig Tätigen handelt, für den der Auftraggeber keine Sozialversicherungsbeiträge abführen muss:

  • Er ist nicht in den Betriebsablauf seines Auftraggebers eingegliedert.
  • Er erbringt seine Leistungen eigenständig und ist nicht den Weisungen des Auftraggebers unterworfen.
  • Er trägt ein eigenes Unternehmerrisiko.
  • Er kann Eigenwerbung betreiben und hat unternehmerische Entscheidungsfreiheit.
  • Er erbringt seine Leistungen in eigenem Namen und auf eigene Rechnung für mehrere Auftraggeber.

Das Kriterium der Entgelthöhe spielte bislang bei der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit keine tragende Rolle und wurde nur als eines von vielen Indizien in die Gesamtabwägung miteinbezogen. Nach einem aktuellen Urteil des Bundessozialgerichts vom März 2017, dem ein Urteil des Sozialgerichts Nürnberg zugrunde lag, kann die Entgelthöhe allerdings ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit darstellen, wenn das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten liegt und daraus hinreichend Eigenvorsorge (zum Beispiel für das Alter oder einen Ausfall bei Krankheit) finanziert werden kann. Ob das Bundessozialgericht auch künftig der Entgelthöhe mehr Gewichtung beimessen wird, ist derzeit noch nicht abzusehen.

Trotz dieser Kriterienkataloge bleibt jedoch in vielen Fällen die klare Abgrenzung zwischen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und sozialversicherungsfreien Selbstständigen schwierig. Das zeigt sich beispielsweise bei der Frage des Arbeitsortes: So lässt allein die Tatsache, dass der Beschäftigte in den Räumen des Unternehmens arbeitet, noch nicht unbedingt den Schluss zu, dass es sich um eine abhängige Beschäftigung handelt. Umgekehrt können Mitarbeiter, die im Home-Office arbeiten, an Weisungen des Auftraggebers gebunden sein. Aber oft ist auch bei selbstständigen Dienstleistern oder Werkunternehmern eine gewisse Weisungsgebundenheit gegenüber dem Auftraggeber gegeben oder sie sind wirtschaftlich abhängig von ihm. Keine Rolle spielt aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht, ob die entsprechende Person beim Finanzamt als selbstständiger Gewerbetreibender oder als Freiberufler eingeordnet wird.

Probleme bei der Abgrenzung gibt es häufig bei diesen Personengruppen: Fahrer einer Spedition, vom Unternehmen beauftragte Handwerker, sogenannte Freelancer aller Art (IT-Berater, Interimsmanager, Kreative etc.) sowie Mietköche oder Diskjockeys. Wenn ein Unternehmen regelmäßig Aufträge an einen Selbstständigen vergeben will, sollte es vorher ein sogenanntes „Anfrageverfahren zur Statusklärung“ bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund einleiten. Nur so kann er zweifelsfrei sicherstellen, dass der neue Mitarbeiter wirklich auf selbstständiger Basis beschäftigt werden kann und keine Sozialversicherungsbeiträge fällig werden.

Wird ein Mitarbeiter fälschlich als Selbstständiger eingestellt und nach einer Betriebsprüfung von der Clearingstelle als abhängiger und damit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter definiert, liegt eine sogenannte Scheinselbstständigkeit vor. In diesem Fall drohen dem Auftraggeber empfindliche Konsequenzen. Er muss alle geschuldeten und vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen – und zwar sowohl den Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmeranteil. Ein Rückgriff des Auftraggebers hinsichtlich des Beitragsanteils, der auf den Beschäftigten entfällt, kommt in aller Regel nicht in Betracht, denn der Arbeitnehmer kann nur rückwirkend für die letzten drei Monate belangt werden. Letzteres gilt auch nur, wenn er noch im Unternehmen beschäftigt ist. Andernfalls trägt der (Ex-)Auftraggeber alle Nachzahlungen. Zudem drohen Säumniszuschläge in Höhe von einem Prozent der monatlich rückständigen Beträge.

Der Anspruch auf Nachzahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags verjährt in vier Jahren. Wurden Beiträge vorsätzlich nicht abgeführt, beträgt die Verjährungsfrist sogar 30 Jahre, wobei man Vorsatz in Zweifelsfällen in der Regel schon dann annehmen muss, wenn für den betreffenden Mitarbeiter kein Statusfeststellungsverfahren eingeleitet wurde.

Steuerrechtliche Folgen

Allerdings bleibt es nicht bei der Nachforderung des Gesamtsozialversicherungsbetrags und der Säumniszuschläge. Die Beschäftigung von Scheinselbstständigen kann für den Auftraggeber auch steuerrechtliche Konsequenzen haben. Ist der Scheinselbstständige auch aus steuerrechtlicher Sicht als Arbeitnehmer einzuordnen, so kann das Finanzamt den Auftraggeber auf die an sich einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer in Anspruch nehmen. Der Zeitraum für die Lohnsteuernachzahlung erstreckt sich auch hier auf die vergangenen vier Jahre.

Zudem droht neben dem Aufschlag von Hinterziehungszinsen die Rückforderung der Umsatzsteuer, die vom Scheinselbstständigen berechnet und vom Auftraggeber bezahlt wurde. Denn ein Vorsteuerabzug durch den Auftraggeber scheitert daran, dass die gestellte Rechnung gerade nicht von einem Unternehmer stammt. Nicht zuletzt kann die Beschäftigung von Scheinselbstständigen auch strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen, da das vorsätzliche Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen für vermeintlich sozialversicherungsfreie Mitarbeiter strafbar ist.

Die möglichen Nachforderungen können für den Auftraggeber schnell Höhen erreichen, die existenzbedrohend sein können. Deshalb empfiehlt sich in allen Fällen, zunächst das geplante Vertragsverhältnis kritisch zu beleuchten und gegebenenfalls kompetenten rechtlichen Rat einzuholen. Bleiben Zweifel hinsichtlich des Sozialversicherungsstatus künftiger Mitarbeiter, empfiehlt sich die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens. Die nötigen Formulare stehen unter www.deutsche-rentenversicherung.de („Formulare & Anträge“) zum Download bereit. Dieses Verfahren bedeutet nur einen kleinen bürokratischen Aufwand, der im Zweifelsfall ein böses Erwachen verhindert.

Theresa Bayer ist Rechtsanwältin bei der Kanzlei HLB Hußmann in Nürnberg. Sie berät schwerpunktmäßig Unternehmen zu Fragestellungen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts sowie des Handels- und Gesellschaftsrechts (www.shh.de).

Autor/in: 

Von Theresa Bayer; Illustration: Anton Atzenhofer

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2018, Seite 30

 
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