Telefon: +49 911 1335-1335

Berufsförderungswerk

Zurück in die Arbeitswelt

Bauzeichner_Titel_Berufsförderungswerk © Andy Brunner/BFW

Ausbildung von Bauzeichnern beim Berufsförderungswerk.

Das Berufsförderungswerk Nürnberg (BFW) qualifiziert Menschen, die ihren erlernten Beruf nicht mehr ausüben können.

Durch Unfälle, Krankheiten oder andere Schicksalsschläge werden viele Menschen aus ihrer Berufslaufbahn herausgerissen. Das im Jahr 1978 gegründete Berufsförderungswerk Nürnberg (BFW) unterstützt sie nach dem Motto „Reha statt Rente“ beim Neustart auf dem Arbeitsmarkt. Angeboten werden sowohl die Ausbildung in einem neuen Beruf als auch Teilqualifizierungen. Der Hauptsitz des BFW Nürnberg befindet sich an der Schleswiger Straße im Norden der Stadt, außerdem gibt es in der Metropolregion Nürnberg sowie in Crailsheim und Schwäbisch-Hall insgesamt 17 Außenstellen.

Das BFW Nürnberg mit seinen knapp 300 Beschäftigten versteht sich als Kompetenzzentrum für berufliche Rehabilitation in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH. Gesellschafter sind die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern, Bayern Süd und Schwaben sowie das Reha-Werk des VdK Deutschland und der Sozialverband VdK Bayern. Die Berufsförderungswerke, von denen es 28 in ganz Deutschland gibt, spielen eine Schlüsselrolle bei den sogenannten „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ (TLA). Sie stehen im Rahmen der Sozialversicherung Personen zu, die ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können. Eine vorzeitige Verrentung soll durch Umschulungen und Fortbildungsmaßnahmen verhindert werden. Dabei sind die Angebote auf die Bedürfnisse von erwachsenen Menschen in „schwierigen Lebenslagen“ zugeschnitten.

Dieser Begriff steht für eine Vielzahl individueller Schicksale: Da ist der Dachdecker, der sich beim Badminton das Sprunggelenk gebrochen hat und keine schweren Lasten mehr tragen kann, der Krankenpfleger mit einer schweren Depression und die Friseurin, die eine Kontaktallergie gegen Shampoo entwickelt hat. Die Gründe der gesundheitlichen Einschränkungen sind verschieden, aber es gibt eine Gemeinsamkeit: Auf dem Berufsweg türmt sich plötzlich ein unüberwindbares Hindernis auf, und die Betroffenen müssen ihre Lebensplanung neu sortieren. Zur beruflichen Unsicherheit gesellen sich häufig Geldprobleme oder Beziehungsstress. In das Berufsförderungswerk kommen also in der Regel keine Klienten, die fröhlich-dynamisch-selbstbewusst zum nächsten Schritt auf der Karriereleiter ansetzen.

„Die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden bringen oft einen Rucksack voller Probleme mit“, stellt Dr. Susanne Gebauer fest, Direktorin des BFW Nürnberg und Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Berufsförderungswerke. „Deshalb geht unser Ansatz über die Vermittlung fachlicher Qualifikation weit hinaus. Wir konzentrieren uns auf die Potenziale jedes Einzelnen. So vielschichtig und individuell wie die Biografien sind auch unsere Lösungsansätze.“

Reha-Zentrum

Am Hauptsitz in Nürnberg befindet sich das Reha-Zentrum: Dort haben Rehabilitanden die Möglichkeit, einen von 25 anerkannten Ausbildungsberufen zu erlernen. Die Umschulung absolvieren sie auf dem neun Hektar großen Gelände an der Schleswiger Straße in verschiedenen Lernbetrieben, beispielsweise für Metall („metec“), Elektro („elomech“), Informationstechnologie („IT-Campus 42“) und kaufmännische Berufe („scriptaplus“). Außerdem gibt es die fiktive Gemeinde Bayersburg, in der Verwaltungsfachangestellte ausgebildet werden. Hotelfachleuten wird das erforderliche Know-how in einem Ausbildungshotel mit angeschlossenem Tagungszentrum vermittelt. Gärtner erlernen ihren Beruf im „Blattwerk“, einer Ausbildungsgärtnerei, die auf einer Fläche von zwei Hektar Freiflächen und fünf Gewächshäuser bietet. Fachkräfte für Abwassertechnik werden im Lernbetrieb „abwatec“ ausgebildet.

Psychologische Begleitung

Die Umschulungen dauern zwei Jahre und sind damit erheblich kürzer als die reguläre Lehrzeit. Sie enden mit einer Abschlussprüfung vor der jeweils zuständigen Kammer. Da keine Abstriche bei den Ausbildungsinhalten gemacht werden, sind besondere Lernkonzepte gefordert. Wesentlich seien dabei Handlungsorientierung und Praxisnähe, wie Udo Panzer erläutert, Leiter des Geschäftsfelds Qualifizierung und Integration: „Die Wissensvermittlung ist optimal auf die Entwicklungsbedürfnisse erwachsener Menschen mit Handicap abgestimmt.“ Dazu gehört, dass die Reha-Teilnehmer von einem Team aus Ärzten, Psychologen und Sozialpädagogen begleitet werden. Rat und Hilfe gibt es bei Bedarf vor Ort, niederschwellig und ohne langen Terminvorlauf. Wer weiter weg wohnt, kann für die Dauer der Umschulung ein Apartment auf dem Areal des Reha-Zentrums beziehen; dieser Wohnbereich bietet 368 Plätze.

Derzeit bereiten sich im Reha-Zentrum rund 440 Männer und 260 Frauen auf die nächsten Schritte ihrer beruflichen Zukunft vor. Mit einem Anteil von über 40 Prozent ist die Altersgruppe zwischen 40 und 49 Jahren am häufigsten vertreten. Knapp 28 Prozent der Reha-Teilnehmer sind zwischen 20 und 29 Jahre alt, der Anteil der über 50-Jährigen liegt bei drei Prozent. Über 40 Prozent der Umschüler kommen mit der Diagnose einer psychischen Erkrankung ins Reha-Zentrum, bei etwa 36 Prozent wurde eine Erkrankung des Stütz- und Bewegungsapparates diagnostiziert.

Die Aus- und Fortbildungsmaßnahmen der Außenstellen des BFW Nürnberg richten sich an Menschen, die den Weg auf den ersten Arbeitsmarkt auch mit einer weniger intensiven medizinischen und psychologischen Betreuung finden. Sie absolvieren eine wohnortnahe Ausbildung in Kooperation mit Betrieben und Berufsschulen vor Ort. Das Team der jeweiligen Geschäftsstelle unterstützt die Umschüler und ihre Arbeitgeber je nach Bedarf. Darüber hinaus gibt es Angebote, um gezielt Qualifizierungslücken zu schließen, etwa im EDV-Bereich. Derzeit verzeichnen die 17 Außenstellen des BFW Nürnberg etwa 1 230 Teilnehmer.

Das Lernen lernen

Unabhängig davon, ob die Ausbildung in einem neuen Beruf in einem Lernbetrieb des Reha-Zentrums oder wohnortnah in einem Unternehmen und in der Berufsschule erfolgt: Die Rehabilitanden können eine Reha-Vorbereitung in Nürnberg besuchen, denn viele haben jahrelang kein Klassenzimmer von innen mehr gesehen – außer vielleicht beim Elternabend. Als Einstimmung auf das Lernen trainieren die Teilnehmenden drei Monate in einem Vorbereitungskurs, dessen Inhalte individuell und je nach Bedarf des angestrebten Ausbildungsberufs gemixt werden. Auf dem Stundenplan können kaufmännische Grundlagen, technisches Wissen oder Business-English stehen. Auch Lerntechniken und Kommunikationstraining werden vermittelt.

Ob die stationäre Umschulung im Reha-Zentrum oder die wohnortnahe betriebliche Ausbildung in einer Außenstelle die bessere Option ist, wird im „Reha-Assessment“ geklärt. Ziel ist es, für jeden Reha-Teilnehmer die Berufsperspektive zu finden, die sowohl seine Wünsche als auch seine gesundheitlichen Voraussetzungen und Talente berücksichtigt. Dieses „Reha-Assessment“ beinhaltet verschiedene Module und Testverfahren; die Dauer variiert zwischen einem Tag, zwei Wochen oder vier Wochen. Am Ende steht ein Gutachten, in das die Meinungen aller Fachdisziplinen des BFW – von der Arbeitsmedizin über Reha-Psychologen bis zu den Ausbildern in den Lernbetrieben – mit eingeflossen sind. Dieses Gutachten gibt eine Empfehlung; welche Umschulung dann tatsächlich begonnen wird, entscheiden die Betroffenen gemeinsam mit dem Reha-Träger, der auch den Antrag auf Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben bewilligt. Er ist die Voraussetzung für eine Umschulung im BFW Nürnberg und die Bewilligung des Übergangsgeldes, das in der Regel circa 60 bis 63 Prozent des letzten Nettogehalts ausmacht.

Die Bezeichnung „Übergangsgeld“ weist auf das übergeordnete Ziel der Berufsförderungswerke hin: „Wir wollen unsere Absolventinnen und Absolventen dauerhaft in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln“, unterstreicht BFW-Geschäftsführerin Dr. Susanne Gebauer. Die Maßzahl für den Erfolg ist die Integrationsquote, die beim BFW Nürnberg im Jahr 2016 im Durchschnitt aller Berufe bei knapp 80 Prozent lag. Bei einigen Berufen, zum Beispiel bei den Fachkräften für Abwassertechnik oder den Verwaltungsfachangestellten, finden normalerweise alle Reha-Teilnehmer nach der bestandenen Abschlussprüfung eine feste Stelle.

Die Vermittlungserfolge sehen Dr. Susanne Gebauer und Udo Panzer auch als Indikator für die gute Zusammenarbeit mit Unternehmen. An einer Wand in der Eingangshalle am BFW-Hauptsitz hängen die Firmenlogos der Kooperationspartner, unter ihnen sehr viele bekannte Akteure der regionalen Wirtschaft. So ist zum Beispiel die Staedtler-Gruppe das Patenunternehmen des Lernbetriebs „scriptaplus“; die GfK hat Server für den „IT Campus 42“ gespendet. Zahlreiche kleine und mittlere Betriebe stellen Praktikumsplätze zur Verfügung, wie Udo Panzer berichtet. Dabei profitieren die Reha-Teilnehmer häufig vom sogenannten „Klebeeffekt“: Wer im Praktikum überzeugt, hat die Aussicht, nach Abschluss der Umschulung übernommen zu werden.

Wie das Leitungsteam des BFW Nürnberg betont, geht es nicht nur um die Vermittlung fachlicher Qualifikationen, sondern um ein ganzheitliches, auf Werteorientierung basierendes Konzept. Mit diesem Selbstverständnis wurde im September 2014 auf dem Gelände an der Schleswiger Straße ein Menschenrechtspfad eröffnet. Unter dem Titel „Mein Weg … Menschenwürde zu leben“ machen an 20 Standorten Kunstobjekte und Installationen die Bedeutung ausgewählter Artikel aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Alltag deutlich. Natürlich wird im Menschenrechtspfad der Grundsatz gewürdigt: „Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.“

Autor/in: 

(aw.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2018, Seite 44

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick