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China

Aufs Gleis gesetzt

Chinaforum_Seidenstraße © Thomas Tjiang

Logistik-Talk: Stefan Geiger (Chinaforum Bayern), Hans-E. Mahncke (ITG GmbH), Hafen-Geschäftsführer Alexander Ochs, Dr. Manuel Hertel (IHK) und Marco von Dobschütz-Dietl (Stadt Nürnberg; v. l.).

Güterzüge sind zwischen China und Europa schneller als das Schiff. Wann eignet sich dieser Transportweg für Import und Export?

Der Güterzug wird als Transportmittel im deutsch-chinesischen Handel massiv an Bedeutung gewinnen. Diese Prognose wagte Hans-E. Mahncke, Direktor Spedition der Münchener ITG GmbH, auf einer Veranstaltung des Vereins Chinaforum Bayern. Dazu eingeladen hatten auch die IHK Nürnberg für Mittelfranken, das Wirtschaftsreferat der Stadt Nürnberg und der Hafen Nürnberg-Roth.

In den ersten fünf Monaten 2017 gingen 53 sogenannte Blocktrains mit ihren 40 Fuß-Containern (FEU) zwischen China und Europa auf Tour. Blocktrains transportieren Container nur im Direktverkehr vom Start- zum Zielumschlagsort, eine Zu- oder Umladung unterwegs ist nicht möglich. Mahncke berichtete, dass die chinesische Seite die Zahl der Container, die den Schienenweg in das Reich der Mitte nehmen, in den nächsten Jahren deutlich steigern will.

Es ist kein Zufall, dass der Landweg nach China („Neue Seidenstraße“) für den Import und Export von Gütern neu entdeckt wird. Die Laufzeit von einem Knotenpunkt („Hub“) zum anderen beträgt nur 15 Tage, der Transport von Tür zu Tür rund 20 Tage. Damit lässt sich die Laufzeit im Vergleich zur Seefracht um fast die Hälfte verkürzen; gegenüber der Luftfracht spart die eurasische Schienenverbindung bis zur Hälfte der Kosten ein. Mahncke berichtete, dass beispielsweise Farmer aus Neuseeland ihr tiefgefrorenes Lammfleisch teils über Blocktrains nach Großbritannien verschicken und so die übliche Transportdauer von 80 Tagen halbieren. Damit verlängert sich zum einen die Mindesthaltbarkeit in den britischen Tiefkühltheken, zum anderen verbessern die Farmer ihre Liquidität, weil sie die Rechnungen früher stellen können.

Blocktrains wie die von ITG verbinden West und Ost bereits nach einem feststehenden Fahrplan, der Autohersteller BMW nutzt einen ganzen solchen Blocktrain in die Industriemetropole Shenyang im Nordosten Chinas. Zudem subventioniert die chinesische Zentralregierung im Rahmen ihres Megaprojektes „Neue Seidenstraße“ den Transport per Bahncontainer. Allerdings ist laut Mahncke nicht klar, wie lange diese Finanzspritzen noch fließen werden.

„Neue Seidenstraße“

Für die Initiative „Neue Seidenstraße“ („Belt and Road“) plant die chinesische Zentralregierung mit gigantischen Summen: Im Verhandlungs- oder Planungsstadium sind bereits Projekte in 60 Ländern mit einem Investitionsvolumen von 890 Mrd. Dollar, langfristig ist sogar von einem Volumen von rund vier Billionen Dollar die Rede. Mit den riesigen Infrastrukturmaßnahmen sollen sowohl der Seeweg nach Europa und Australien als auch der Landweg über das russische Nowosibirsk oder das kasachische Petropawlowsk erschlossen werden. Erst im November nahm Chinas Ministerpräsident Li Keqiang an dem China-Osteuropa-Gipfel „16+1“ im ungarischen Budapest teil. China sieht Mittel- und Südosteuropa als Schlüsselregion der „Neuen Seidenstraße“, mit der die asiatisch-europäischen Handelswege ausgebaut werden sollen. „Es ist ein Megaprojekt“, betonte Stefan Geiger, Geschäftsführer des Vereins Chinaforum Bayern.

Bei allen Vorteilen der Zugverbindung mit China wies Hans-E. Mahncke aber auch auf zahlreiche Mankos hin, die von Importeuren und Exporteuren bedacht werden müssen. Sie werden nach seiner Schätzung dafür sorgen, dass Blocktrains maximal 2,5 Prozent des deutsch-eurasischen Transportaufkommens übernehmen können und somit ein Nischenprodukt bleiben werden. Zu den Hemmnissen gehören die unterschiedlichen Spurbreiten der Bahnen auf dem langen Transportweg, sodass die Container beim Verlassen Chinas und bei der Einreise in Polen jeweils umgeladen werden müssen. Das dauert jeweils sechs Stunden oder länger. Sind in einem Waggon unterschiedliche Waren gebündelt und sind bei einem der Versender oder Empfänger die Begleitpapiere unklar, wird der ganze Container laut Mahncke „in Sippenhaft“ genommen und bis zur Klärung stillgelegt. Probleme mit den Zügen gibt es nach seiner Erfahrung zudem im Spätsommer und im Herbst, weil die Gleise dann bevorzugt für chinesische Erntetransporte genutzt werden. Außerdem sollten die hohen Temperaturschwankungen berücksichtigt werden: Im sibirischen Winter können die Innentemperaturen in den Containern auf minus 40 Grad sinken, sodass beispielsweise Plastik zu bröckeln beginnt und Cellophan kaputt geht. Dagegen kann es im Sommer in den Containern 60 oder gar 70 Grad heiß werden. Das bedeutet: Nicht alle Waren sind „ganzjahrestauglich“ für einen Transport auf diesem langen Schienenweg.

Sicherheit der Waren

Gedacht werden muss auch an die Sicherheit der Waren beim Bahntransport. Sie lässt sich laut Mahncke durch handliche GPS-Geräte deutlich verbessern. Sie senden permanent Daten etwa über Luftdruck und Temperatur im Container und lassen erkennen, ob eine Kiste umgefallen ist oder ob die Containertür geöffnet wurde. Im Zweifelsfall kann die örtliche Polizei verständigt und gestohlene Ware über die GPS-Geräte geortet werden.

Für Unternehmen, die für ihre Anteilseigner oder Kunden die CO2-Belastung ausweisen, ist weiterhin die Schiffsroute die günstigste Variante. Auch weil die Reedereien aus marktpolitischen Gründen nur mit gedrosselter Geschwindigkeit unterwegs sind, schneiden die Containertransporte über das Wasser in der Gesamtbilanz am besten ab. Auf der Schiene schlagen insbesondere der Dieselantrieb bzw. der chinesische Kohlestrom auf den elektrifizierten Streckenteilen negativ zu Buche. Mit weitem Abstand in der Klimabilanz folgt naturgemäß die Luftfracht.

Für Nürnberg ist die Bahnverbindung nach China nicht ganz neu: Bereits seit Ende 2015 verbindet ein wöchentlicher Intermodalzug den Bayernhafen Nürnberg mit der Millionenmetropole Chengdu, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Sichuan. Alexander Ochs, Geschäftsführer des Nürnberger Hafens, erinnerte an die Vision des ehemaligen Nürnberger Logistik-Professors Peter Klaus, der bereits vor gut zehn Jahren auf das Potenzial der Bahnstrecke hingewiesen hatte.

Die IHK Nürnberg für Mittelfranken und die Stadt Nürnberg nehmen die „Neue Seidenstraße“ und das Potenzial der Bahntransporte zum Anlass, die Kontakte mit Westchina zu verstärken: Im November wurde in Chengdu eine Vereinbarung über Wirtschaftskooperationen zwischen beiden Städten unterzeichnet, die die IHK durch verschiedene Initiativen maßgeblich unterstützt. Voraussichtlich im kommenden Mai wird es erneut eine Reise mit Unternehmern nach Chengdu geben, um die Kontakte auszubauen.

Autor/in: 

(tt.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2018, Seite 14

 
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