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EMS

Sauerstoff für Taucher und Bergsteiger

EMS_Wenoll-Geraet © Volkswagen

Höhenweltrekord: Das Wenoll-Gerät war beim Härtetest für Serienautos im nördlichen Chile mit dabei.

Extremsportler, Rettungsdienste und Luftfahrtgesellschaften nutzen weltweit die Notfallsysteme der EMS GmbH aus Möhrendorf.

Der italienische Opern-Weltstar Luciano Pavarotti war wohl der prominenteste Benutzer der Produkte der EMS GmbH Emergency Medical Systems in Möhrendorf: Wenn er in seinen letzten Lebensjahren ein Flugzeug bestieg, hatte er immer ein Notfallsauerstoffgerät der Marke „Wenoll“ an seiner Seite – jenes System, das auch die Lufthansa ihren Passagieren anbietet, die eine zusätzliche Sauerstoffversorgung an Bord benötigen. Etwa 2 000 Passagiere pro Jahr profitieren davon.

Vor über 25 Jahren war Klaus Voll bei Siemens-Medizintechnik als Entwicklungsingenieur für lebenserhaltende Systeme zuständig. Damals wurde der heute 77-Jährige, der ein begeisterter Tauchsportler ist, von einem Schweizer Arzt auf mögliche Therapien für die Dekompressionskrankheit angesprochen. Sie kann beim Tauchen durch Überdruck oder zu schnelle Druckentlastung entstehen und hat oft lebensbedrohliche Folgen. Voll sah die Möglichkeit, hierfür ein Nischenprodukt zu entwickeln und machte sich selbstständig. Er beriet sich mit dem international renommierten Erlanger Anästhesie-Professor Erich Rügheimer und ließ sich ein Sauerstoffsparsystem patentieren, das Betroffene bis zu acht Stunden beatmen kann. Bis dahin waren bis zu 40 Minuten der Normalfall gewesen. Seine Erfindung kann bei Tauchunfällen eine Überdruckkammer ersetzen, die um ein Vielfaches teurer ist. Deshalb wird die Technologie seitdem in Tauchschulen von den Philippinen über die Malediven bis zum Roten Meer eingesetzt.

Der Name des Wenoll-Geräts wurde gebildet aus den Anfangs- und Endbuchstaben des damaligen Ideengebers Dr. Jürg Wendling, einem Handchirurgen und Tauchmediziner aus Biel, und des Konstrukteurs Klaus Voll. Das Gerät besteht im Wesentlichen aus einer Sauerstoffflasche mit Druckminderer, der auf besonders niedrige Flussraten ausgerichtet ist, einer Atemkalkpatrone sowie einem Schlauchsystem, das über verschiedene Ventilmechanismen die Atemluft zwischen Lunge, Kalkpatrone und Rückatembeutel zirkulieren lässt. Simpel ausgedrückt: Beim Einatmen strömt der Sauerstoff direkt in die Lunge des Patienten. Beim Ausatmen wird das aus der Lunge kommende Gas in den Rückatembeutel – auch Gegenlunge genannt – geleitet. Bei der nächsten Einatmung wird dieses Gas durch die Kalkpatrone gezogen, wobei das Kohlenstoffdioxid chemisch gebunden wird. Übrig bleibt reiner Sauerstoff und es müssen nur die fehlenden vier Prozent, die der Körper verbraucht hat, ersetzt werden. Ein solches Kreislaufsystem nutzt also die restlichen 96 Prozent, die ansonsten verloren wären.

Anerkannte Experten haben die Vorteile des Wenoll-Systems erkannt, so auch Prof. Dr. Claus-Martin Muth, Oberarzt am Klinikum für Anästhesiologie in Ulm und Herausgeber von Standardwerken der Tauchmedizin: „Das Gerät bietet eine konkurrenzlos lange Möglichkeit der Gabe von 100 Prozent Sauerstoff zu einem konkurrenzlosen Preis-Leistungs-Verhältnis.“ Ebenso wie Muth sieht auch das seit 17 Jahren bestehende Online-Magazin „tauchernet.de“, das nach eigenen Angaben von bis zu 10 000 Besuchern täglich genutzt wird, das Gerät aus Möhrendorf als empfehlenswert an und „besonders geeignet für Tauchexpeditionen, die in entlegene Gebiete führen“ sowie für mehrtägige Tauchsafaris. „Wenoll“ wird überdies genutzt von militärischen Einrichtungen wie der Marine von Belgien, der Niederlande und von Saudi-Arabien.

Geräte für Bergsteiger

Dennoch macht das einstige Ursprungsgeschäft für Taucher heute nur noch fünf Prozent des EMS-Umsatzes aus. Klaus Voll ist nämlich auch begeisterter Extrembergsteiger und hat außer dem Kilimandscharo u. a. das Matterhorn und mehrere Gebirgsriesen in Ecuador und im Himalaya in Angriff genommen. So hielt er sich an seinem 60. Geburtstag in Nepal auf und konnte einen norwegischen Bergkameraden, der an der Höhenkrankheit und an Unterkühlung litt, im Hillary-Hospital mit seinem Gerät wieder schnell zu Kräften bringen. Es ermöglichte, dass die Restwärme im Körper nicht verloren ging und dieser sich wieder von innen heraus erwärmen konnte. Damit ging quasi ein zweiter Geschäftszweig in Serie. Der Höhepunkt: Die Möhrendorfer waren offizieller Ausrüster für eine Expedition, die Anfang 2005 einen neuen Höhenweltrekord für Serien-Kraftfahrzeuge aufstellte. Das Team um die Deutschen Rainer Zietlow und Ronald Bormann erreichte mit einem VW Touareg am Nordhang des chilenischen Vulkans Ojos del Salado die Höhe von 6 081 Metern.

In noch größere Höhen dringen die EMS-Geräte vor, die in der Luftfahrt eingesetzt werden. Das Wenoll-System entspricht den technischen Regeln der Internationalen Luftfahrtorganisation (IATA) und kann mit gefüllter Sauerstoffflasche in Verkehrsflugzeugen als Handgepäck transportiert werden. Inzwischen gehören neben der Lufthansa auch die Air France und die KLM zu den Kunden von Klaus Voll und seinem Sohn Martin (45), der inzwischen ebenfalls als Geschäftsführer tätig ist.

Einsatz in der Luftrettung

Besonders leichte Geräte werden für die Luftrettungseinsätze der einschlägigen Organisationen in der Schweiz und in Polen sowie des ADAC produziert. Das Rote Kreuz und der Malteser-Hilfsdienst, DLRG und Wasserwacht, das Deutsche Wasser- und Schifffahrtsamt, Feuerwehren, Küstenwachen, Polizeieinheiten, Krankenhäuser, Ärzte und natürlich zahlreiche Privatpersonen mit Atemwegserkrankungen bedienen sich des Notfallkoffers aus Möhrendorf. Die Mitglieder der deutschen Drachenflieger-Mannschaft hatten das System bei ihren Flügen in 7 500 Meter Höhe in Namibia griffbereit und auch der Weltrekordhalter im horizontalen Freifall, Marc Hauser aus der Schweiz, schwört auf Wenoll-Geräte. In der Entwicklungsphase befindet sich die ganzheitliche Anordnung von ca. 28 Notfallsystemen, wie sie z. B. in Jumbos vorgeschrieben ist.

6 800 Einheiten hat EMS bisher verkauft, wobei Vater und Sohn Voll nur sieben Mitarbeiter beschäftigen. Martin Voll: „Wir entwickeln Ideen, für die wir Firmen suchen, mit denen wir dann zusammen das Produkt konstruieren.“ Dennoch wird das Unternehmen in ein vier Mal größeres Anwesen nach Hessdorf umziehen, um die Produktionskapazitäten zu vergrößern.

Autor/in: 

(ug.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2018, Seite 88

 
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