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Kulturhauptstadt

Starker Bewerber

BN_kaiserburg_foto_uwe_niklas_007 © blauenacht.nuernberg.de/Uwe Niklas

Neue Impulse für Kultur und Stadtgesellschaft, stärkere Außenwirkung: Vieles spricht für die Bewerbung Nürnbergs als „Kulturhauptstadt Europas 2025“.

„Nürnberg wird es.“ Dr. Hans-Joachim Wagner ist absolut davon überzeugt, dass Nürnberg als Sieger aus dem Bewerbungsreigen um den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ hervorgeht. Der habilitierte Musikwissenschaftler leitet seit 1. Januar 2018 das Nürnberger Kulturhauptstadt-Bewerbungsbüro. Vorher war er für den Fachbereich Musik und darstellende Künste bei der Kunststiftung NRW in Düsseldorf verantwortlich. Auf den Wechsel vom Rhein an die Pegnitz hat sich der 57-Jährige eingelassen, weil er Nürnbergs großes Potenzial sieht: „Mich fasziniert der Facettenreichtum dieser Stadt.“ Mit ihrer besonderen Rolle in der deutschen und europäischen Geschichte sowie der Vielfalt und Wandlungsfähigkeit der Stadtgesellschaft besitze die Stadt Nürnberg in vielen Bereichen Alleinstellungsmerkmale, die bei der Kulturhauptstadt-Bewerbung in die Waagschale geworfen werden könnten.

Den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ (European Capital of Culture – ECoC) verleiht die Europäische Union (EU) seit 1985; bislang wurden 58 Städte ausgezeichnet. Die Initiative geht auf die Schauspielerin, Sängerin und Politikerin Melina Mercouri zurück. Als griechische Kulturministerin wollte sie damals ein Zeichen setzen, dass für die europäische Identität „Kultur, Kunst und Kreativität ebenso wichtig sind wie Technologie, Handel und Wirtschaft”.

Jedes Jahr werden mindestens zwei EU-Städte zu „Kulturhauptstädten Europas“ gekürt; aktuell tragen Leeuwarden (Niederlande) und Valetta (Malta) diesen Titel. Welche Länder im Zeitraum 2020 bis 2035 die ECoC-Initiative ausrichten, hat die EU-Kommission bereits 2014 festgelegt. Demnach ist 2025 Deutschland – im Tandem mit Slowenien – an der Reihe. Das letzte Mal war Deutschland 2010 Gastgeber; seinerzeit hatte Essen unter dem Label „Ruhr 2010“ den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ erhalten.

Beschluss des Stadtrats

Die Bewerbung des Ruhrgebiets mit Essen als Zugpferd war eine Initialzündung für die Nürnberger Ambitionen: Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly und Kulturreferentin Prof. Dr. Julia Lehner bekamen seinerzeit über Gremien des Deutschen Städtetags Einblick in den Bewerbungsprozess und die daraus resultierenden Chancen. Daraus gedieh die Idee, den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ 2025 nach Nürnberg zu holen. Am 14. Dezember 2016 fasste der Stadtrat mit 60 zu 10 Stimmen den Beschluss, dass Nürnberg bei der Bewerbungsrunde den Hut in den Ring werfen wird.

Seitdem haben der Oberbürgermeister und die Kulturreferentin das Großprojekt mit dem Kürzel „N2025“ auf rund 60 Veranstaltungen vorgestellt. Zwei Fragen tauchten dabei regelmäßig auf: „Warum bewerben wir uns?“ und „Was hat Nürnberg davon?“. Die Leitplanken für Antworten auf diese komplexen Fragen hat bereits der Stadtratsbeschluss gesetzt: „Die Kulturhauptstadtbewerbung ist eine einzigartige Chance, das Bild Nürnbergs als offene, jungen Ideen zugewandte Stadt zu schärfen und gleichzeitig das Selbstverständnis der Nürnberger Bürgerschaft im europäischen Kontext zu stärken sowie das Modell der Europäischen Metropolregion Nürnberg weiterzuentwickeln und zu ergänzen.“ Oberbürgermeister Maly hat bei Diskussionen auf diversen Podien betont, dass der Bewerbungsprozess eine „Suche nach Identität und Identifikation“ sei und der „Selbstvergewisserung“ diene. Es gehe darum herauszuarbeiten, was die Stadtgesellschaft „im Innersten zusammenhält“. Julia Lehner sieht die Kulturhauptstadt-Bewerbung auch als Chance für eine bessere Außenwahrnehmung: „Wir bekommen überregional nicht die Aufmerksamkeit, die wir verdienen. Als Kulturhauptstadt wird der Scheinwerfer hoffentlich konzentriert auf Nürnberg gerichtet“, formulierte sie in einem Interview in der „Welt“. Die Scheinwerfer sollen aber nicht nur die Postkartenkulissen ausleuchten. Der Kulturreferentin ist wichtig, dass das Projekt „N2025“ auch Defizite in der Stadtentwicklung benennt und „mit der Kraft der Kultur“ gegensteuert.

Für diesen Diskurs setzt die Initiative „Kulturhauptstadt Europas“ einen Rahmen, der durch klare Regularien und Ziele definiert wird. Im Kern geht es darum, „Reichtum und die Vielfalt der europäischen Kulturen sowie die Gemeinsamkeiten dieser Kulturen herauszustellen und einen Beitrag zum besseren gegenseitigen Verstehen der europäischen Bürger zu leisten“. Darüber hinaus verlangt die EU, „die mit dem Titel ausgezeichneten Städte sollen sich darum bemühen, einerseits ihre Kultur- und Kreativbranchen und andererseits Bereiche wie Bildung, Forschung, Umwelt, Stadtentwicklung und Kulturtourismus miteinander zu vernetzen“. Dabei reicht es nicht aus, das Etikett „Kulturhauptstadt“ auf bestehende Angebote zu kleben. Verlangt wird ein eigens für 2025 erstelltes Konzept mit Veranstaltungen, die 365 Tage lang die Nürnberger Stadtgesellschaft und Besucher aus Europa begeistern.

„Bewerbungsbuch“

Dieses Konzept ist ein wesentlicher Teil des Bewerbungsbuches, das im Herbst 2019 abgegeben werden muss. Dieses etwa 100 Seiten dicke „Bid book“ liefert Antworten auf einen von der EU vorgegebenen Fragenkatalog und beschreibt die zentralen Themen der Bewerbung. Außerdem werden das Budget, der Zeitplan und die Kooperationspartner genannt. Bei der Übergabe des Bewerbungsbuchs präsentieren sich die Kandidatenstädte einer europäischen Jury. Sie entscheidet, wer von den deutschen Mitbewerbern Chemnitz, Dresden, Hannover, Hildesheim, Magdeburg und Zittau im Rennen um den Titel „Kulturhauptstadt Europa 2025“ bleibt. Diese Kandidaten müssen dann an der Überarbeitung ihres Bewerbungsbuches feilen und bekommen Besuch von der Jury, die sich vor Ort ein Bild von den Kulturhauptstadt-Anwärtern macht. Auf dieser Basis fällt 2020 die Entscheidung, welche Stadt „Kulturhauptstadt Europas 2025“ wird.

Aktuell steht Hans-Joachim Wagner vor der Herausforderung, die breit angelegten Themenfelder (darunter Zukunft der Arbeit, Digitalisierung, Migration und Heimat, Europa, Erinnerungskultur), die 2017 von Expertengruppen und in diversen Workshops als inhaltliches Fundament des Bewerbungsprozesses erarbeitet worden waren, für das „Bid book“ griffig auf drei zentrale Themen zu verdichten. Diese Herkulesaufgabe ist noch nicht abgeschlossen. Doch einige Aspekte sind gesetzt: der Strukturwandel von der Industriemetropole zur Wissensstadt, Nürnberg als Bildungsmetropole, Nürnberg als europäische Stadt, Soziokultur im 21. Jahrhundert.

Beteiligung der Bürger

Zwei zentrale Kriterien im Bewerbungsverfahren sind die europäische Dimension und die Partizipation der Stadtbevölkerung. Um das Projekt „N2025“ bekannter und zu einer Herzenssache der Bürgerinnen und Bürger zu machen, sind im Jahr 2018 zahlreiche Maßnahmen geplant. Dazu zählen neben Podiumsdiskussionen Workshops für Multiplikatoren; das Team des Bewerbungsbüros geht in die Stadtteile und tauscht sich mit Vereinen, Kirchengemeinden und anderen Initiativen aus.

Vor Kurzem ist der „Open Call“ angelaufen, den Hans-Joachim Wagner als „Partizipation in Reinkultur“ sieht. Bis 10. Juni 2018 können die Bürger ihre Ideen für ein soziales, künstlerisches oder ökologisches Projekt auf die eigens für den N2025 Open Call eingerichtete Plattform hochladen. Gefragt sind Projekte aus den Themenkreisen Stadt und Veränderung, Europa sowie Geschichte. Eine Voraussetzung ist, dass sich das Vorhaben in der Metropolregion Nürnberg während der Bewerbungsphase 2018/19 verwirklichen lässt. Zwischen 17. Juni und 13. Juli 2018 wird online über die eingereichten Projekte abgestimmt. Die zehn Ideen mit den meisten Stimmen im Online-Voting werden mit bis zu 5 000 Euro unterstützt. Ein Ausrufezeichen im Bewerbungsprozess soll der Aktionstag am 29. September in der Südstadt setzen.

Für die Bewerbungsphase veranschlagt die Stadt Nürnberg ein Budget von rund fünf Mio. Euro. Wenn Nürnberg den Zuschlag bekommt, rechnet Hans-Joachim Wagner für die Gestaltung des Kulturhauptstadt-Programms mit einem Etat in knapp dreistelliger Millionenhöhe, der allerdings nicht allein mit kommunalen Mitteln gestemmt werden muss. Der Leiter des Bewerbungsbüros ist zuversichtlich, dass sich diese Ausgaben rechnen werden. In Marseille seien für jeden investierten Euro fünf zurückgeflossen.

Nicht nur Handel, Hotels und Gastronomie könnten von Nürnbergs Rolle als „Kulturhauptstadt Europas“ profitieren. Auch für andere Branchen wäre dieser Titel ein dicker Pluspunkt im Standortmarketing, so Wagners Überzeugung. Gerade Unternehmen, die bei der Gewinnung von talentierten und kreativen Mitarbeitern mit anderen Regionen konkurrieren müssen, könnten von der Strahlkraft einer europäischen Kulturhauptstadt profitieren. „Der Titel Kulturhauptstadt ist ein nicht zu unterschätzender Imagefaktor“, betont der Leiter des Bewerbungsbüros. Auch IHK-Präsident Dirk von Vopelius hat die Bewerbung Nürnbergs begrüßt: „Die mittelfränkische Wirtschaft sollte auf Sieg setzen.“

Autor/in: 

(aw.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2018, Seite 36

 
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