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VAG

Nürnbergs Mobilitätspioniere

VAG Geschäftsfürer in Führerhaus © Thomas Tjiang

VAG-Vorstandsvorsitzender Josef Hasler im Führerstand der ersten „Elektrischen“ in Nürnberg.

Nürnberg war in Sachen Personenbeförderung schon früh Vorreiter. Die VAG will auch bei der Mobilität der Zukunft eine Schlüsselrolle einnehmen.

Beim Thema Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) ist es manchmal wie beim Fußball: Die Nation besteht aus Millionen von Trainern, die alle wissen, wie es besser laufen könnte. Denn jeder ist ja schon einmal mit Bus und Bahn unterwegs gewesen und glaubt zu wissen, was man verbessern könnte. „Wenn es danach ginge, hätten wir in Nürnberg 70 000 Haltestellen“, konstatiert Josef Hasler, Vorstandsvorsitzender der VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft, mit Blick auf die Zahl der Wohngebäude. Tatsächlich findet sich im Durchschnitt die nächstgelegene Haltestelle der VAG in weniger als 400 Metern Fußweg.

Die VAG ist als hundertprozentige Tochter der Städtische Werke Nürnberg GmbH mit der Stadt Nürnberg als Alleingesellschafterin ein klassisches kommunales Unternehmen. Damit ist sie der mobilen Daseinsvorsorge verpflichtet, die sie mit möglichst großer Effizienz erbringen muss. Für Unternehmen beispielsweise, die für ihre Mitarbeiter gut erreichbar sein wollen, sind das öffentliche Netz und der entsprechende Takt ein wichtiger Standortfaktor.

Eine Herausforderung, vor der viele Städte und deren kommunale Betriebe stehen, ist der Klimaschutz, vor allem wegen des zunehmenden Individual- und Lieferverkehrs. Soll die Verkehrswende weg vom Verbrennungsmotor gelingen, müsste der öffentliche Nahverkehr die Zahl seiner Fahrgäste bundesweit um 30 Prozent bis zum Jahr 2030 steigern, hat der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen errechnet. Klar ist für Hasler: „Wir müssen Mobilität neu denken.“ Angesichts verstopfter Straßen, Luftverschmutzung und drohender Fahrverbote gebe es keine andere Lösung, als einen stärkeren ÖPNV. Man könne nicht nur in der Kategorie „autogerechte Stadt“ denken.

Für dieses Ziel ist viel Zeit und Geld notwendig. Das wird beispielsweise an dem vollautomatischen U-Bahn-Betrieb der Linien U3 und U2 deutlich, die gerade den zehnjährigen fahrerlosen Betrieb feiern konnten. Damit habe man erneut Technikgeschichte im Schienenverkehr geschrieben, sagt der VAG-Chef mit Blick auf die erste deutsche Eisenbahnlinie zwischen Nürnberg und Fürth im Jahr 1835. Während weltweit vollautomatisierte U-Bahn-Linien im Trend liegen, seien die Nürnberger in Deutschland noch einzigartig. Allerdings brauchen solche Projekte einen jahrelangen Vorlauf – etwa der Bau neuer U-Bahn-Stationen wie zuletzt die Haltestellen „Klinikum“ und „Nordwestring“. Bei der vollautomatisierten U-Bahn-Linie waren es sieben Jahre. Die Entscheidung brauchte damals auch nach Abwägung der Chancen und Risiken den unternehmerischen Mut der Kommune.

Ähnlich verhält es sich mit der U-Bahn selbst. In Nürnberg sind Waggons unterwegs, die kurz vor ihrem 50. Betriebsjahr stehen. Jede Anschaffung ist eine langfristige Investition, die Planungssicherheit verlangt. Daher hat die VAG bislang nur einen Elektrobus aus polnischer Fertigung in Betrieb – mit exzellenten Erfahrungen. Zwar sieht Hasler auch für seine Busse die E-Mobilität als Ziel, doch für eine schnelle Umstellung fehlt das Geld. Wegen fehlendem Wettbewerb mit marktreifen Angeboten sei ein E-Bus derzeit sehr teuer. Bei über 180 eigenen Bussen im Bestand wären es auf einen Schlag knapp 120 Mio. Euro. Hinzu kämen Kosten für die Ladeinfrastruktur und die vorzeitige Verschrottung der Dieselbusse – das wäre alles andere als nachhaltig. Dabei gelten anders als bei Pkws die Busse mit Diesel im Tank „nicht als Teil des Problems, sondern als Teil der Lösung“: Während Diesel-Pkws Schwierigkeiten mit den Grenzwerten haben, halten Busse – und auch Lkws – ihre Schadstoffwerte auch im Echtbetrieb nach 700 000 Kilometern ein.

Selbst scheinbar einfache Infrastrukturmaßnahmen wie die verlängerte Strecke der Straßenbahn im Nürnberger Norden von Thon zur Haltestelle Am Wegfeld sind ohne Zuschüsse von Land und Bund nicht zu stemmen. Der vier Kilometer lange Abschnitt hat rund 40 Mio. Euro gekostet. Unter den vielen Berechnungen etwa zur Wirtschaftlichkeit verlängerter Strecken findet sich auch eine Modellrechnung zu potenziellen Auswirkungen eines Dieselfahrverbotes. Demnach könnten theoretisch zwar rund 43 Prozent der Fahrten mit Diesel-Pkws durch den ÖPNV ersetzt werden. Doch diese rund 45 000 Fahrten mit Bus, Straßenbahn oder U-Bahn entsprächen einem Zuwachs um täglich elf Prozent – das könnte die VAG kurzfristig nicht stemmen. Zumal bereits heute manche Strecken zu Spitzenzeiten mit Schülern und Berufspendlern schon komplett ausgelastet sind.

Langfristig setzt die VAG auf eine Verlagerung von Pkw-Fahrten hin zu Bussen und Bahnen, die allerdings schon seit längerem im Gange ist. Im Schnitt absolviert jeder Nürnberger drei Wege am Tag. Zuletzt war ein gutes Drittel zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs, der Anteil der ÖPNV-Nutzer legte auf 23 Prozent zu. Entsprechend ist der Anteil der Pkw-Fahrer im vergangenen Jahr in Nürnberg auf ein historisches Minimum von nur noch etwa 32 Prozent gefallen. Auch der Anteil der Wege als Mitfahrer im Pkw ist gesunken – von zuvor elf auf aktuell neun Prozent. Rein rechnerisch könnten vier von zehn Pkw-Fahrten durch das VAG-Angebot ersetzt werden. Hasler hat deshalb Angebote wie Car-Sharing oder Mietfahrräder „auf die Schiene“ gebracht, mittelfristig sei auch der Einsatz von autonomen E-Kleinbussen denkbar.

Die Verlagerung hin zu nachhaltiger Mobilität sei nur durch Information, Emotion und Motivation zu schaffen. Neben objektiven Gründen gebe es auch persönliche Unkenntnis oder Vorurteile, die einen Umstieg behindern. Auf dem richtigen Weg sei man mit den 145 Firmen-Abos für das ÖPNV-Angebot, das von fast 31 500 Beschäftigten genutzt wird. Hinzu kommt das vor zwei Jahren etablierte, kleine Firmen-Abo ab fünf Mitarbeitern, das bereits von 60 Kleinbetrieben in Anspruch genommen wird.

Das Geschäft mit der umweltverträglichen Mobilität bleibt aber ein Zuschussgeschäft. Laufenden Kosten von rund 251 Mio. Euro stehen Umsatzerlöse von rund 169 Mio. Euro gegenüber. Und das, obwohl die Zahl der Fahrgäste um 1,4 Prozent und die Fahrgeldeinnahmen um 4,4 Prozent gestiegen sind. Daher fordert Hasler ausdauernd ein klares politisches Signal in Form von finanziellen Mitteln von Land und Bund, um den Ausbau der Infrastruktur, Unterhalt und Erneuerung der 385 Busse, Straßen- und U-Bahnen sowie die steigenden Personalkosten für die zuletzt knapp 1 800 Mitarbeiter plus 31 Azubis zu stemmen. Der finanzielle Impuls des Berliner Diesel-Gipfels sei bestenfalls ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. „Wir brauchen klare Rahmenbedingungen.“

Autor/in: 

(tt.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2018, Seite 78

 
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