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Gewerbeflächen

Das wird knapp!

Den Kommunen gehen die Gewerbeflächen aus. Bei einem IHK-Kongress wurde über die Marktlage und mögliche Lösungen diskutiert.

Der Mangel an Gewerbeflächen in Mittelfranken droht zur Wachstumsbremse zu werden. Jedes sechste Unternehmen in der Region hat Schwierigkeiten, geeignete Flächen für seine Expansionspläne zu finden. Welche Maßnahmen könnten dieses Problem lindern? Diese Frage wurde auf dem Gewerbeflächen-Kongress der IHK Nürnberg für Mittelfranken diskutiert. Dessen Agenda traf offensichtlich einen Punkt, der viele Akteure am Standort Mittelfranken beschäftigt: Rund 120 Kommunalpolitiker, Verwaltungsfachleute und Unternehmer nahmen an der Veranstaltung teil.

Zum Auftakt stellte Achim Georg die Ergebnisse einer Kommunalbefragung vor, die er im Auftrag der IHK im Februar und März 2018 durchgeführt hatte. 55 mittelfränkische Städte und Gemeinden sollten per Online-Fragebogen die Gewerbeflächen-Situation einschätzen. Mit 42 Antworten lag die Rücklaufquote bei 76 Prozent. Ein „zu knappes Gewerbeflächenangebot“ beklagten 37 der befragten Kommunen. Lediglich sechs Kommunen gaben an, dass „ausreichend Gewerbeflächen vorhanden“ sind. Vor allem für größere Unternehmen aus Industrie und Gewerbe sowie für Handwerk und Kleingewerbe werden Flächen benötigt, so das Stimmungsbild, das einem allgemein gültigen Trend entspricht: „Der Mittelstand hat Großunternehmen als wichtigste Nachfragergruppe verdrängt“, erklärte Achim Georg, Inhaber des Beratungsunternehmens Georg Consulting.

Die Kommunen wurden außerdem befragt, welche Handlungsansätze sie zur Entwicklung von Gewerbeflächen als sinnvoll erachten. Den größten Zuspruch erhielt mit 52 Prozent der Nennungen die Option „Erweiterung bestehender Gewerbegebiete“, während auf die „Entwicklung neuer Gewerbestandorte“ nur 26 Prozent der Nennungen entfielen.

In den Diskussionsrunden auf der Veranstaltung kamen immer wieder Akzeptanzprobleme zur Sprache: Manche Bürger reagierten beim Thema Gewerbeflächen, „als wollte man ihnen einen Hochofen ins Wohngebiet setzen“, schilderte Patrick Siegler. Der Vorsitzende des IHK-Gremiums Erlangen hat „extrem emotional geführte Diskussionen“ erlebt. Auch Achim Georg ging auf die Vorbehalte in manchen Teilen der Bevölkerung ein: „Es stinkt, macht Lärm und raucht. Solche Assoziationen sind mit dem Stichwort ‚Gewerbefläche‘ verknüpft. Diese Vorstellungen von Industrie aus dem 19. Jahrhundert sind aber längst nicht mehr zeitgemäß.“

Wolfgang Högner, Vorsitzender des IHK-Gremiums Ansbach, kritisierte die Widerstände, die sich mancherorts gegen die Neuausweisung und Erweiterung von Gewerbeflächen formierten: „Maisäcker in Monokultur haben weniger ökologische Vorteile als ein Gewerbegebiet.“ Högner sprach ein Dilemma in der Diskussion mit Bürgern an, das er aus seiner Erfahrung als Inhaber eines Planungsbüros kennt: Wer ein relativ ausgereiftes Konzept präsentiert, werde mit dem Vorwurf konfrontiert: „Ihr habt uns nicht in die Planung eingebunden.“ Wer dagegen ein weitgehend offenes Konzept vorlege, bekomme zu hören: „Ihr habt euch noch keine Gedanken gemacht.“

Flächenmanagement

Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer über den hohen Stellenwert des effizienten Flächenmanagements. In diesem Kontext konterten sie das Klischee über die Wirtschaft als „Flächenfresser“, indem sie auf konkrete Zahlen zur Flächennutzung in Mittelfranken verwiesen: 86 Prozent der Gebietsflächen sind Freiflächen. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche, die nicht mit versiegelter Fläche gleichzusetzen ist, stellt einen Anteil von 14 Prozent. Bei der Zusammensetzung der Siedlungs- und Verkehrsfläche entfallen auf Industrie und Gewerbe rund sechs Prozent, auf Handel und Dienstleistungen drei Prozent. Flächen für den Wohnungsbau beanspruchen 24 Prozent, Flächen für den Verkehr knapp 41 Prozent.

Den gesetzlichen Rahmen für die Ausweisung bzw. die Erweiterung von Gewerbeflächen setzt auf Bundes- und Landesebene die Raumordnung. Eines ihrer maßgeblichen Instrumente in Bayern ist das Landesentwicklungsprogramm (LEP), dessen Teilfortschreibung zum 1. März 2018 in Kraft getreten ist. Inwiefern diese Novelle die Gewerbeflächen-Situation beeinflusst, beleuchtete Rechtsanwalt Dr. Michael Waschk. Im Fokus stand die Lockerung des Anbindegebots. Es schreibt vor, dass neue Gewerbegebiete an Siedlungen angedockt werden müssen. In der Teilfortschreibung sind nun Ausnahmen von diesem Grundsatz vorgesehen: Gewerbe- oder Industriegebiete dürfen demnach unter bestimmten Voraussetzungen „auf der grünen Wiese“ errichtet werden. Dazu zählen die Lage mit Autobahnanbindung, einer autobahnähnlich ausgebauten Straße oder einem Gleisanschluss. Auch eine gesicherte interkommunale Planung sowie das Fehlen eines geeigneten angebundenen Alternativstandorts ermöglichen eine Ausnahme vom Anbindegebot. Allerdings stets unter der Prämisse, dass das Orts- und Landschaftsbild nicht wesentlich beeinträchtigt wird.

Neuer Typus „Urbanes Gebiet“

Auch die Einführung des neuen Baurechtstypus MU (Urbanes Gebiet) könnte neue Spielräume für Gewerbe im städtischen Raum bieten. In urbanen Gebieten darf dichter und höher gebaut werden als in den herkömmlichen Mischgebieten. So liegt in der Gebietskategorie MU die maximal zulässige Grundflächenzahl (GRZ) – also der Flächenanteil eines Baugrundstücks, der überbaut werden darf – bei 0,8, die Geschossflächenzahl (GFZ) bei 3,0. Die Geschossflächenzahl ist das Verhältnis der gesamten Geschossfläche zur Fläche des Baugrundstücks. Zum Vergleich: Im Mischgebiet ist die GRZ auf 0,6 und die GFZ auf 1,2 begrenzt. Außerdem sind für urbane Gebiete durch eine Änderung der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) auch höhere Lärmimmissionswerte durch gewerblichen Lärm zugelassen: Tagsüber sind 63 dB (A) erlaubt, in Kern- und Mischgebieten dagegen nur 60 dB (A).

Als Lösungsansatz zur Linderung der Flächenknappheit wurde auf dem Gewerbeflächen-Kongress die Zusammenarbeit über Ortsgrenzen hinaus erörtert. Unter der Devise „Kooperation statt Konkurrenz und Kirchturmdenken“ gibt es in der Region derzeit einige Projekte, bei denen Kommunen im Schulterschluss die Standortbedingungen für Unternehmen verbessern. Beispiele dafür sind das „Wirtschaftsband A9 Fränkische Schweiz“ und der Gewerbepark Mittelfranken Süd.

Zum „Wirtschaftsband A9 Fränkische Schweiz“ haben sich im Jahr 2006 zwischen dem Großraum Nürnberg und der Stadt Bayreuth 18 oberfränkische Kommunen zusammengeschlossen, um im Rahmen der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE) zusammenzuarbeiten. Dazu gehört ein gemeinsames Flächenmanagement, das über einen Gewerbeflächen-Pool und ein interkommunales Kompensationsmanagement verwirklicht wird.

In den Gewerbeflächen-Pool, der in der Rechtsform einer gKU AöR (gemeinsames Kommunalunternehmen Anstalt öffentlichen Rechts) geführt wird, bringen die Kommunen Gewerbeflächen ein, die gemeinsam vermarktet werden. Wie ILE-Manager Michael Breitenfelder erläuterte, ergibt sich der Anteil jeder Kommune am Pool aus der Wertigkeit der Flächen. Ein Fünftel der eingenommenen Gewerbesteuer wird entsprechend der Pool-Anteile unter den Gemeinden aufgeteilt.

Im Landkreis Roth haben die Gemeinden Röttenbach und Georgensgmünd sowie die Stadt Spalt den Gewerbepark Mittelfranken Süd gKU gegründet. „Die Gewerbeflächen in allen drei Kommunen waren knapp“, erörterte Ben Schwarz, Erster Bürgermeister von Georgensgmünd, die Ausgangslage. Entscheidend für den Erfolg dieser Initiative sei die Zusammenarbeit „auf Augenhöhe“. Dabei gelten folgende Grundsätze: Investitionen und Einlagen werden von den drei Partnern zu gleichen Teilen getragen. Die mögliche Gewerbesteuer wird zu gleichen Teilen erhoben, während die Grundsteuer in der sogenannten Belegenheitskommune verbleibt, auf deren Gebiet die Gewerbefläche ausgewiesen wird. Derzeit laufen die Abstimmungen mit den Planungsbehörden; die Erschließung des Gewerbeparks ist für 2018/2019 geplant. Für Ben Schwarz liegen die Vorteile dieser interkommunalen Zusammenarbeit auf der Hand: „Der Flächenverbrauch ist niedriger, als wenn jede Gemeinde autark Gewerbeansiedlungen vorantreibt. Das kommt der Natur, der Landwirtschaft und dem Tourismus zugute. Außerdem erhöht die Bündelung der Infrastruktur die Wirtschaftlichkeit.“

Autor/in: 

Andrea Wiedemann; Illustration: Anton Atzenhofer

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2018, Seite 102

 
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